Review

„Vietnam-Veteran auf Urlaub aus der Klapsmühle!“

Mit „Asphaltkannibalen“ sprang der italienische Regisseur und Genre-Tausendsassa Antonio Margheriti („Satan der Rache“) im Jahre 1980 auf den Zug kruden, blutigen Italo-Horrors auf, holte die Kannibalen aus dem Dschungel in die Stadt und verband Kriegs-, Action, Kannibalen- und Zombiefilm zu einer bis heutige einzigartigen Melange.

Zwei GIs fallen im Vietnam-Krieg in einer Extremsituation durch kannibalistische Anwandlungen auf und befinden sich, zurück in der Heimat, in psychiatrischer Behandlung. Als sie aus der Anstalt entkommen, suchen sie den Kontakt zu ihrem ehemaligen Vorgesetzten Norman Hooper (John Saxon, „Tenebrae“), der davon zunächst wenig begeistert ist. Es stellt sich heraus, dass ein aggressives Virus für den Kannibalismus verantwortlich ist. Sie terrorisieren die Stadt und finden ein Opfer nach dem anderen. Als die Krankheit auch bei Hooper ausbricht, schließt er sich den beiden an. Die alten Vietnam-Recken sind wieder vereint und finden sich nun selbst in der Rolle der gejagten Guerilla-Kämpfer wieder...

„Keine verdammte falsche Menschlichkeit!“

Im Prolog sieht man US-Soldaten im verbrecherischen Vietnam-Krieg wüten. Wüste Baller-, Flammenwerfer- und Explosionsorgien werden begleitet von einem funkigen ’70s-Italo-Soundtrack Alexander Blonksteiners, den böse Zungen als unpassend bezeichnen mögen. All das entpuppt sich als böser kriegstraumatischer Alptraum Normans, der just zur geträumten Kannibalenattacke auf sich aus dem Schlaf hochschreckt. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt fällt eine sehr dynamische Kameraführung auf, die Kriegsopfer regelrecht auf den Zuschauer zustürzen lässt und mit den typischen unvermittelten Italo-Zooms arbeitet. In der urbanen Atmosphäre der US-amerikanischen Stadt angekommen, wird uns einer der GIs als Charles Bukowski (Giovanni Lombardo Radice, „Ein Zombie hing am Glockenseil“) vorgestellt. Radice steht seine Rolle ausgezeichnet, er wirkt verwegen, unberechenbar, wie eine tickende Zeitbombe und verfügt über einen unnachahmlichen irren Blick. Die Bezeichnung seiner Psychoklinik scheint derweil durchs Bild zu wandern; ein schön gefilmtes, subtil eingeflochtenes, bedeutendes Detail. Im Gegensatz zu Bukowski führt Hopper ein scheinbar normales Leben, doch hat er ein außergewöhnliches Interesse an der frühreifen Mary von nebenan – weniger in sexueller Hinsicht, wie sich herausstellen soll, sondern als Bissopfer. Ein Vorbote der kannibalischen Apokalypse, die auf die Stadt zurollt – und schon verwickelt sich Bukowski in eine Verfolgungsjagd mit actionreichen Motorradstunts, um sich anschließend in einem Supermarkt zu verschanzen und Krieg zu spielen. Parallelen zu Romeros „Dawn of the Dead“ sind sicherlich kein Zufall. Mit Tom Thompson (Tony King, „Jäger der Apokalypse“) stößt Charlies alter Kamerad hinzu und das Unheil nimmt seinen Lauf; spannend und brutal inszeniert Margheriti die sich immer weiter zuspitzende Situation und flechtet einige gelungene, blutig-derbe Spezialeffekte Giannetto De Rossis ein.

„Asche zu Asche und Scheiße zu Scheiße!“

Den weit entfernten Vietnam-Krieg nach Hause in die USA zu holen, sollte ein beliebtes Motiv für Filme werden, die sich auf unterschiedliche Weise mit dem Wahnsinn des Kriegs und seinen Folgen auseinandersetzen. Wie später in „Rambo“ gibt es auch in „Asphaltkannibalen“ Veteranen, die in ihrer Heimat, im Alltag, nicht mehr zurechtkommen, die traumatisiert sind von den erlebten Schrecken und womöglich begangenen Taten, die sich von der normalen Gesellschaft entfremdet fühlen und die Gesellschaft von ihnen. In diese Kerbe schlagen Margheritis „Asphaltkannibalen“, wenn auch in exploitativer Umsetzung. Als Symbol für die Traumatisierung durch den Krieg und die Spirale der Gewalt muss hier ein Virus herhalten, das die Infizierten mal mehr, mal weniger schnell zombieartig neue Opfer suchen und attackieren lässt. Das ist relativ leicht zu erkennen, krankt jedoch an seiner unbefriedigenden, plumpen Konstruktion. Hintergrundinformationen zum Virus bekommt man keine, obwohl sich beispielsweise – möchte man bei einem Krankheitserreger als Ursache für den Kannibalismus bleiben – eine eigens für den Kampf konzipierte biologische Waffe als Erklärung angeboten hätte. Herausfordernder für Margheriti und Drehbuchautor Dardano Sacchetti wäre gewesen, auf eine profane biologische Ursache ganz zu verzichten und ausschließlich auf psychologische Abgründe zu setzen. In dieser Form jedenfalls wirken die Erklärungsversuche halbherzig und aufgesetzt. Das möchte ich jedoch fast als einziges wirkliches Manko des Films bezeichnen, der verglichen mit anderen Werken Margheritis so gut wie keine Längen aufzuweisen hat, über eine böse, schmutzige Atmosphäre, zwar nicht immer 100%ig passend eingesetzte, nichtsdestotrotz tolle Musik und eine eindrucksvolle visuelle Umsetzung mit einer recht aktiven, oftmals leicht von unten filmenden Kamera verfügt – ganz zu schweigen vom immer gern gesehenen US-Schauspieler John Saxon, der eine tolle Leistung als zwischen bürgerlicher Zivilisation mit unterdrücktem Kannibalismus-Trieb und wahnsinnigem Untergrund-Kampf an der Seite mehrerer Soziopathen hin- und hergerissener Veteran mit Führungspersönlichkeit abliefert. Mit Giovanni Lombardo Radice hat man zudem eines der charismatischsten Gesichter des Italo-Kinos zu bieten. Meines Erachtens einer der besten Filme Margheritis, der von seinem dreckigen Charme bis heute nichts eingebüßt hat.

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