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„Soll das der Angriff der Killer-Bambis sein, oder was?!“

US-Regisseur Todd Morris‘ erster und bis „Molotov Samba“ aus dem Jahre 2005 lange Zeit einziger Spielfilm ist der 1996 gedrehte „A Gun for Jennifer“, ein Exploitation-Rape’n’Revenge-Actioner der etwas anderen Sorte. Geschrieben wurde er zusammen mit Deborah Twiss („Kick-Ass“), die auch die titelgebende Hauptrolle übernahm und sich an der Produktion beteiligte.

Allison ist gerade aus Ohio, wo sie sich in Notwehr ihres sie misshandelnden Mannes entledigt hat, nach New York geflohen. Dort wird sie just überfallen und zu vergewaltigen versucht – doch Rettung eilt herbei in Form einer Gruppe militanter Feministinnen, die sich auf einem Feldzug gegen Frauen- und Kinderschänder befinden. Sie zwingen Allison dazu, die Männer zu erschießen und üben Druck auf sie aus, sich ihrer Gruppe anzuschließen. Allison nennt sich fortan Jennifer und arbeitet im Strip-Club der Bande als Kellnerin. Doch nach einem missglückten Attentat auf einen unter Vergewaltigungsverdacht stehenden Richter kommt es sowohl auf Seiten der Polizei als auch der wehrhaften Mädels zu Verlusten. Polizistin Perez (Benja Kay) ist der Bande auf der Spur, deren Mitglied Jesse (Frieda Hoops) einen letzten großen Erfolg verbuchen und einen Mafiaboss aus der Welt schaffen will…

„Drück ab!“

Der auf 16-Millimeter-Material gedrehte Independent-Film gibt sich mit seinem absichtlich krisseligen Bild voller Verschmutzungen und dreckigen Look alle Mühe, nach Grindhouse-Kino der 1970er auszusehen, was ihm darüber hinaus auch mit seiner emanzipierten Exploitation, seinem hohen Gewaltgrad und seinen expliziten, blutigen Szenen bestens gelingt. Die rauen, authentisch anmutenden Handkamera-Bilder werden begleitet von einem aufpeitschenden Punk-Soundtrack. Ein Racheakt im Prolog, eine Vergewaltigung direkt nach dem Vorspann – und schon lernt der Zuschauer die Mädchen-Gang kennen. Viel Zeit hat „A Gun for Jennifer“ bis hierhin also nicht verloren und es dauert auch nicht lange, bis der Zuschauer mit drastischen Bildern einer kastrierten Leiche sowie einem expliziten Kopfschuss konfrontiert wird. Viele Informationen werden jedoch zunächst zurückgehalten; erst nach einer guten halben Stunde werden die einzelnen Charaktere näher vorgestellt – durch die Polizei.

Zwischenzeitlich wird etwas Tempo herausgenommen und der Auftritt einer weiblichen Punkband mit barbusiger Sängerin bietet abermals gute Musik und erstmals nackte weibliche Tatsachen, streckt aber in erster Linie den Film um ein paar Minuten. Doch gerade, als ich fürchtete, Morris bzw. Jennifer & Co. hätten ihr Pulver bereits verschossen, folgt ein wahres Massaker an mutmaßlichen Vergewaltigern und werden weitere Informationen über die bis jetzt mit gemischten Gefühlen betrachteten Vigilantinnen preisgegeben: Leid, Notwehr und Justizirrtümer sind die Stationen auf dem Weg zur rasenden Rächerin, die keinerlei Kompromisse mehr eingeht. Das „Beste“ hebt man sich gar fürs Finale auf und sprengt eine Gangster-Party, auf der krude Operationen durchgeführt werden, während sie superbrutal und blutig dem Erdboden gleichgemacht wird. Starker Tobak. Durchatmen…

Zweifelsohne ist „A Gun for Jennifer“ ein Exploitation-Film. Er übertreibt, setzt sich dem Verdacht aus, Selbstjustiz und gewalttätige Rache zu verherrlichen und ergötzt sich an blutigen Details und Ausschlachtungen. Ebenso zweifelsohne steht „A Gun for Jennifer“ indes nicht der Sinn, ein möglicherweise chauvinistisches Publikum mittels Alibi-Moral zu unterhalten. Nein, „A Gun for Jennifer“ ist ein Punk-Film durch und durch. Er beutet seine weiblichen Charaktere nicht für sleazige Szenen aus, sondern hält sich trotz Strip-Club-Ambiente und Vergewaltigungsthematik diesbzgl. weitestgehend bedeckt. Wenn er nackte Frauenhaut zeigt, dann, wenn auch innerhalb des fiktiven Films die Protagonistinnen diese zeigen wollen. In erster Linie geht es von vornherein um den blanken Hass von von Justiz und Gesellschaft im Stich Gelassener, die schließlich zum Äußersten greifen und sämtlichen Feiglingen, die sich auf diese Weise an Frauen und Kindern vergehen, derart zu Leibe rücken, dass überhaupt kein Platz mehr für heimliche männliche Autoritätsphantasien mehr bleibt. So ganz nebenbei thematisiert „A Gun for Jennifer“ auch den Alltagssexismus, dem viele Frauen ausgesetzt sind. Das ist Exploitation mit Köpfchen, die nicht nur hochgradig authentisch den entsprechenden Geist der ‘70er transportiert, sondern dem Rape’n’Revenge-Bereich einen etwas anders gearteten, durchaus provokanten Tritt in die Weichteile des Machismo hinzufügt. Selbst die aus vielen ansonsten nicht weiter in Erscheinung getretenen Schauspielerinnen bestehende Darstellerriege erlaubt sich keine negativen Ausreißer und zieht ihren Stiefel engagiert durch.

Filmemacher wie Tarantino und Rodriguez sollten sich von einer kostengünstigen Produktion wie dieser besser ein paar dicke Scheiben abschneiden, statt sich mit ihrer Pseudo-Grindhouse/-Exploitation beim Mainstream einzuschleimen.

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