Review

Veer und Zaara - Die Legende einer Liebe

Filme aus Indien haben es in Deutschland trotz des derzeitigen Hypes nicht leicht beim Publikum anzukommen. Zwar hat sich in den letzten 1,5 Jahren eine kleine Fangemeinde entwickelt, die Zahl der Filmfans, die mit Bollywood rein gar nichts anfangen können, ist aber viel höher. Über die Ursachen für diese Abneigung im allgemeinen kann man wohl stundenlang fachsimpeln, mir soll es jetzt aber nur um "Veer und Zaara" gehen, denn dieser indische Beitrag zum Medium Film bietet viel Angriffsfläche.

Zunächst fällt auch hier die lange Laufzeit von ca.184 Minuten sofort auf. Nicht jeder Zuschauer kann die Geduld aufbringen mehr als drei Stunden vor dem Fernseher zu sitzen und sich die ganze Zeit die selben Gesichter anzusehen. Mir macht sowas überhaupt nichts aus, im Gegenteil, ich mag Filme mit enormer Laufzeit sogar.
Eine weitere Gemeinsamkeit vieler indischer Filme sind mehrere Handlungsstränge, die ineinander verwoben sind. Hier können einige Zuschauer schnell den Überblick verlieren, außerdem gelingt es nicht immer, und besonders bei dem hier besprochenen Film, alle Handlungsstränge gekonnt, überzeugend oder interessant zu vermitteln.

Gehen wir mal etwas näher auf die Handlung ein:
Nach einer "Introsequenz" mit Gesang und Tanz, wacht der ergraute Protagonist in einer Gefängniszelle in Pakistan auf. Zu diesem Zeitpunkt kann man noch nicht erahnen, wieso der Mensch dort hockt. Anschliessend wird eine andere Filmfigur vorgestellt: die Rechtsanwältin Saamiya Siddiqui (Rani Mukherjee), die davon erzählt, dass sie ihren ersten Fall übernehmen wird. Bei diesem Fall geht es darum den zuvor gezeigten Häftling, der als Gefangener 786 bezeichnet wird, vor Gericht zu verteidigen. Saamiya besucht den Häftling, welcher schon seit 22 Jahren in seiner Zelle sitzt und kein einziges Wort gesprochen hat. Zu Saamiya entwickelt er jedoch Vertrauen und er erzählt ihr seine Lebensgeschichte. Hier beginnt der eigentliche Haupthandlungsstrang, wenn man das so sehen möchte. Der Gefangene stellt sich als Veer Pratap Sing (Shah Rukh Khan) vor, indischer Helikopterpilot, der im Rettungsdienst arbeitet. Bei einer Rettungsaktion musste er eine junge pakistanische Frau namens Zaara (Preity Zinta) retten, welche nicht nur sehr hübsch, sondern obendrein auch noch sympathisch war. Trotz eines ersten Missverständnisses haben sich die beiden angefreundet und Veer bittet Zaara ihn nach Hause zu begleiten, um für einen Tag seine Kultur und seine Familie kennenzulernen. Veers Eltern sind sofort Feuer und Flamme und denken schon an eine Hochzeit der Beiden, doch so weit kommt es nicht. Zaara ist nämlich die Tochter eines sehr angesehenen Politikers, der im Interesse einer Zusammenarbeit mit einem anderen angesehen Politiker die Verlobung und spätere Heirat seiner Tochter mit dem Sohn des anderen Menschen wünscht. Zaara wird also von ihrem Verlobten abgeholt und so lernen sich er und Veer kennen; letzterer merkt sofort, dass das nicht der richtige Mann für Zaara ist (klar, würd ich auch denken, wenn ich die Frau ebenfalls will). Zaara reist jedenfalls zurück nach Pakistan, kann Veer aber nicht vergessen und denkt zunächst nicht daran den anderen Typen zu heiraten. Veer gibt auch nicht so schnell auf, reist ebenfalls nach Pakistan und versucht die Verlobung zum Platzen zu bringen. Es kommt wie es kommen muss, Zaaras Vater kratzt fast ab, die Mutter heult sich bei Veer aus und bittet diesen Zaara frei zu geben, damit der Vater doch noch überlebt. Veer wird schwach und gibt nach, will auch abreisen, doch dann passiert es, wir erhalten endlich die Erklärung für seinen Knastaufenthalt. Zaaras Verlobter ist stinkig, da er genau weiss, dass Zaara ihn zwar heiraten, aber einen anderen Mann lieben wird. Deshalb will er sich an Veer rächen. Er jubelt ihm einen gefälschten Pass unter, verpasst ihm einen neuen Namen und lässt ihn als Spion dastehen. Wenn er gesteht dieser Spion zu sein, so verspricht der Verlobte immer gut für Zaara zu sorgen. Andernfalls wird er der Dame die Hölle auf Erden bescheren. Veer nimmt die neue Identität an, da er auch Zaaras Namen nicht erwähnen will, weil damit das Ansehen der gesamten Familie Zaaras ruiniert wäre und wandert für seine Liebe ins Gefängnis. Dass er dort ist, weiss allerdings niemand, da der Bus, mit welchem er die Heimfahrt antreten wollte verunglückt ist und jeder denkt, er sei dabei umgekommen. Nun kehren wir wieder zum ersten Handlungsstrang zurück. Veers Unschuld muss bewiesen werden. Da Zaara damit nicht in Verbindung gebracht werden soll, erweist sich dies Unterfangen als schwierig, zumal jetzt auch noch Handlungsstrang Nr. 3 eingebaut wird. Saamiya muss in ihrem ersten Fall gegen ihren einstigen Mentor antreten, welcher noch keinen Fall verloren hat und Saamiya die Karriere verbocken will, da sie ihn einst im Stich liess.
An dieser Stelle möchte ich erstmal Schluss machen, den Rest möchte ich lieber nicht verraten, auch wenn ich später im Review doch noch etwas aufgreifen werde, was noch passiert.

Na gut, der Plot ist ja eigentlich einigermaßen interessant, da dürfte doch auch nichts Schlimmes bei rauskommen. Leider falsch! Nachdem man in den ersten zwei Stunden wirklich sehr gut unterhalten wird, bedient der Film im letzten Drittel leider absolut jedes Klischee. Kein Fettnäpfchen wird ausgelassen und die Inszenierung nimmt sogar trashige Züge an. Die gesamte Gerichtsverhandlung beispielsweise ist nichts weiter als ein übler Scherz. Drei oder vier Personen werden nicht mal eine Minute befragt, schon wird die Verhandlung vertagt. Natürlich muss der Gefängniswärter, der Veer früher wie Dreck behandelt hat, plötzlich sein bester Freund werden und den Richter dazu aufforden den Gefangenen freizusprechen(!), nur weil Saamiya ihm mit einem Satz die Augen geöffnet hat. Natürlich müssen sämtliche Personen im Gerichtssaal nach Veers "Schlusssatz" (ewig langes Geplapper, ohne Inhalt oder Zusammenhang, dazu nur Unterstellungen) aufstehen und applaudieren. Natürlich muss Saamiyas Gegner schliesslich einsehen, dass er ein schlechter Mensch war und dass man in diesem Beruf nicht skrupellos und ruhmorientiert, sondern im Interesse des Rechts arbeiten sollte. All diese Schwächen, die wirklich nur noch als Trash bezeichnet werden können, haben dafür gesorgt, dass ich den gesamten Spaß am Film verloren habe und vor Lachen fast von der Couch gefallen wär. Schade, denn wie gesagt sind die ersten beiden Stunden sehr gut.
Eine weitere Schwäche des Films sind die wenigen guten Gesangs- und Tanzeinlagen. Überzeugend ist lediglich die, beim Fest im Hause der Familie Veers. Diese ist jedoch so famos, dass einem die Spucke wegbleibt, absolute Spitzenklasse! Die anderen Tänze sind höchstens durchschnittlich.
Die schauspielerischen Leistungen befinden sich wieder mal auf gehobenem Niveau. Shah Rukh Khan ist zumindest in dieser Art Film ein Garant und spielt wie immer perfekt. Preity Zinta konnte mich in ihrer Rolle auch überzeugen, besonders das lässige Verhalten Zaaras konnte sie gut rüberbringen. Rani Mukherjee scheint mir in der Rolle der Rechtsanwältin etwas überfordert, wobei die gesamte Rolle eher unglaubwürdig wirkt. Das dauernde Geheule ohne einen Anlass ist beizeiten störend. In einer Nebenrolle spielt übrigens Amitabh Bachhan Veers "Vater". Für mich liefert er die überzeugendste Leistung ab, auch wenn er nicht so viel Leinwandpräsenz hat.

Summa summarum: Gute Schauspieler, eine phantastische Tanzeinlage und zwei Stunden hoher Unterhaltungswert werden von der letzten Stunde dergestalt ruiniert, dass der Film keine Empfehlung von mir bekommt. "Veer und Zaara" ist insgesamt als Zeitverschwendung anzusehen und leider ein Film, bei dem ich verstehen könnte, wieso indische Filme von vielen Zuschauern verpöhnt werden. Hoffentlich ist das nur ein Ausrutscher, die anderen Bollywood-Filme, die ich gesehen habe, fand ich ganz gut.
03/10 Punkten

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