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"Gewalt erzeugt Gegengewalt ..."

Wes Cravens Regiedebüt und zudem Neuinterpretation von Ingmar Bergmans "Die Jungfrauenquelle" ist unlängst ein Klassiker und aus dem Rape & Revenge-Genre nicht mehr wegzudenken. Bis heute gehört "The Last House on the Left" zu den Video Nastys in Deutschland, obwohl das Gezeigte nach über 40 Jahren nicht mehr ansatzweise so schockierend und hart wie noch in späten 70ern wirkt. Die schmuddelige, durchaus verstörende Atmosphäre wird vom spaßig-fröhlichen und an Country-Musik erinnernden Soundtrack durchbrochen, der die Malträtierungen und Folterungen etwas abmildert bzw. sogar verharmlost. Ob es Cravens Weise ist, Zynismus zu äußern, sei dahingestellt. Zumindest wird der Stoff dadurch einerseits deutlich makabrer, kann auf der anderen Seite aber nicht fesseln und dürfte vor allem bei der heutigen "Saw"-Generation unfreiwillig komisch wirken - obwohl das Thema des Films alles andere als belustigend sein soll. Craven versucht sich in seiner gewalttätigen Umkehrung des Bergman-Klassiker durchaus gesellschaftskritisch, verliert sich aber immer wieder in unfreiwillig komischen bis cartoonhaften Elementen.

Besonders die beiden Polizisten bremsen den Filmfluss aus: Craven stellt sein Publikum auf eine Geduldsprobe, denn er lockert das Geschehen mit den beiden Protagonisten zwischendurch immer wieder etwas auf. Die Unfähigkeiten der Staatsmacht wird kritisiert, indem er sie wie die Abbilder von "Dick und Doof" auftreten lässt. Auch die Eltern der hübschen Mari werden in einer überspitzten Art und Weise dargestellt. Leider wirkt dieser satirische Ansatz heute nicht mehr so wie noch vor 40 Jahren, als möglicherweise noch die Heile-Welt-Familie voll zuckersüßer Glückseligkeit in den Köpfen der Zuschauer steckte, die am Ende umkippt, als die Eltern von Opfern zu Täter werden.

Schauspielerisch ist der Film allerdings gut geworden. Besonders David Hess spielt die Rolle des psychopathischen Sadisten mit Bravour, während man Sandra Peabody in ihrer Rolle als Mari ihre Unsicherheit ansieht, vor allem da Craven viele Szenen improvisieren ließ. Das führte dazu, dass David Hess auch während der Drehpausen auf Distanz ging und den Mädels das ein oder andere Mal gehörig Angst einjagte, damit sich diese Angst und Panik auf ihre Rollen überträgt.

Mit Dramaturgie und Charaktertiefe tut sich Craven allerdings etwas schwer, weswegen "The Last House on the Left" nur wenig Spannung aufbaut. Man merkt allzu gut, wie schnell der Film auf 16 mm gebannt wurde, wie stark beim Schnitt gepfuscht wurde und wie unbeholfen die Kameraführung war. Allein die guten, glaubhaft agierenden Darsteller und das letzte Drittel des Films machen viele Mängel wieder wett. Der Film bannt die Hoffnungslosigkeit und Ausweglosigkeit seiner Protagonisten schonungslos auf Zelluloid, obwohl es vergleichsweise unblutig zugeht, weil vieles im Off geschieht. Auf das viele Blut verzichtete Craven übrigens allein aus finanzieller Sicht ...

Noch nie wurden die Gewalt und der Schmerz im Kino so zelebriert, wie in den letzten Jahren. Doch Cravens Klassiker funktioniert auf einer gänzlich anderen Ebene perfekt. Er muss die klaffenden Wunden nicht zeigen, er braucht eine Vergewaltigung nicht minutenlang zu feiern und kann trotzdem Unbehagen erzeugen. "The Last House on the Left" ist auch nach 4 Jahrzehnten immer noch kein Kinderfilm, aber auch kein Kandidat für den Paragraph 131. Dafür wurde das Gezeigte zu stark durch Musik und teilweise unbeholfene Inszenierung abgemildert. Es fehlt dem Film an Konsequenz, Schmerz und Leid.

"Mondo Brutale", so der deutsche Verleihtitel ist ein unvergessenes Zeitdokument, vielleicht auch Cravens Plädoyer für die Selbstjustiz. Doch es stellt heute keinen Tabubruch mehr dar. Da war man beim Interner Remake deutlich mutiger. Doch aus historischer Sicht ist er absolut wegweisend. Er hat viele durchaus tolle, einprägsame Momente, doch leider auch jede Menge, aus der Sicht eines jüngeren Publikums peinliche und unfreiwillig komische Sequenzen, die höchstens noch zum Schmunzeln einladen. Es ist demnach interessant zu sehen, wie sich filmische Gewalt in den letzten 40 Jahren entwickelt hat.

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