Review

„Sin City“ und „300“ sind Realfilm-Comics für Männer. Ungeachtet der Tatsache, das sie von Frauen gleichermaßen konsumiert werden (und hier kann man wohl nur noch von Konsum sprechen) sind sie doch darauf ausgelegt, die Fantasien des männlichen Geschlechts zu befriedigen und zwar nicht die sexuellen sondern die heroischen. Markige Kerle beherrschen die Szenerie, lässige Profikiller – und ob nun die Bewohner von Sin City oder Sparta, darauf kommt es dann nicht mehr an – die jeden ihrer Kontrahenten trotz harter Prügel ins Jenseits befördern, jede Frau auf die Knie zwingen und höchstens von falschen Schlangen verhöhnt werden - und wenn sie doch draufgehen, dann mit Stil – was heißen soll: Mit der Kippe im Mund, dem Revolver, respektive Schwert in der Pfote und dem Herz am rechten Fleck. „Elektra“ ist ein Realfilm-Comic für Frauen. Von A bis Z. Feministisch hoch drei und deswegen in unseren Testosteronverseuchten Multiplexen ohne große Zukunft. Nicht das es darum schade wäre- „Elektra“ ist sicherlich kein herausragender Realfilm-Comic. Aber zumindest ein sehr interessanter.

Ohne Vorbehalt an dieses wirtschaftlich gescheiterte Werk heranzutreten ist nahezu unmöglich. Das Marketing weckt augenblicklich Assoziationen an den miserablen „Catwoman“ und „Barbarella“ (letzterer, das sei nur am Rande erwähnt, ist DAS Meisterwerk des weiblichen Superhelden-Films), zwei Filme die ebenfalls auf ein männliches Publikum zugeschnitten sind. Denn die Heldinnen dieser beiden Streifen sind wahre Sexgöttinnen, wendig und wehrhaft wohl, aber letztlich doch stets zahm und hilfebedürftig genug um dem männlichen Zuschauer den Reißverschluss zu kraulen. Elektra, die eiskalte, introvertierte Profikillerin aus dem Hause Marvel, entwickelt auf der Leinwand ein ganz anderes Eigenleben. Jennifer Garner schmeichelt wohl dem Auge, strahlt aber beinahe keinerlei Sexappeal aus. Von ihren Mitstreitern wahrt sie Distanz, moralische Selbstkritik und leutselige Kumpfelhaftigkeit ist ihr noch unbekannter als ihren männlichen Kollegen im Geiste und Privatleben hat sie keines. Im ganzen Film schläft sie mit keinem einzigen Mann (der einzige Kuss ist eine flüchtige und von ihr pikiert aufgenommene Angelegenheit), spürt nur die Macht ihres alten Lehrmeisters und Ersatzvaters (Terence Stamp, „Teorema“), dem sie sich als einzigem unterlegen fühlt, besiegt die Männer schließlich alle – man beachte: Sie rettet nicht nur ein Mädchen sondern auch deren Vater! - und ist nur nach einem giftigen Kuss eines Poison Ivy-Verschnitts - einer ebenbürtigen Frau - vorübergehend schachmatt.

Skrupel bekommt sie erst, als sie Abby (Kirsten Prout) und deren Vater Mark (Goran Visnjic) töten soll, die sie kurz vorher kennen lernte. Eine weibliche Schwäche? Skrupel, die ein männlicher Killer nicht kennen würde? Nein, sicherlich nicht. Die Filmgeschichte ist reich an Auftragskillern, die es nicht übers Herz brachten, Frauen und Kinder über den Hades zu schicken. Und im Falle von Elektra sind es folgerichtig ein Vater und seine Tochter, die ihr vergletschertes Herz schmelzen.

Das alleine ist noch nicht bemerkenswert. Bemerkenswert ist erst der Umstand, das Elektra im weiteren Verlauf einzig diese Handlung, diesen „Fehler“ verteidigt. Und noch weitaus bemerkenswerter ist der Anstrich, den diese Motivation durch die phrasenhafte Kinderkrippen-Pädagogik ihres Lehrmeisters Stick erhält. Lange der übliche Verdächtige mit den grauen Schläfen und dem undurchdringlichen Sokrates-Blick, ist er es doch, der Elektra – wie ein guter Vater – in Not hilft und kurz darauf ihr Gewissen beruhigt.

„Du bist ein reiner Mensch, Elektra. Das habe ich von Anfang an gewusst. Du musstest es nur für dich selbst entdecken“.

Bingo. Spätestens hier begegnet der männliche Zuschauer, der ob der zahlreichen wahnsinnig gefühlvollen Dialoge, die 75 % des Films ausmachen bereits ungeduldig sein Sitzfleisch weich reitet, diesem höchstwahrscheinlich mit völligem Unverständnis. Natürlich unbewusst. Und unbewusst nehmen vielleicht (aber nicht zwingend) auch die weiblichen Zuschauer bezirzt zur Kenntnis, das Elektra zur Erlangung ihres Seelenheils genau das entwickeln muss, was als ewige weibliche Schwäche deklariert worden ist und ihren männlichen Mitstreitern fehlt: Einen humanen, emotionalen Blick auf ihren Beruf, eben jene Skrupel. Genau jener Hauptgrund, warum Männer über weibliche Auftragskiller in Filmen stets schmunzeln, sie abwinken und zufrieden grinsen wenn James Bond wieder eine seiner toughen Gegenspielerinnen doch noch flachgelegt hat, jener Grund wird hier als Stärke ausgewiesen, die neben Geschick, Instinkt und Training ein ebenfalls unverzichtbares Kapital darstellt um die Bürde des mörderischen Berufs zu bewältigen Sehr faszinierend. Die Figur der Elektra ist, zumindest in diesem Film, alles andere als ein stylisches Pin-up-Girl und nur in wenigen Einstellungen setzt Regisseur Bowman die Garner aufreizend in Szene, so als müsse er doch noch auf Wunsch der Produzenten in braver Pflichterfüllung einige heiße, verkaufsfördernde Shots abliefern.

Noch ein Wort zu den männlichen Protagonisten: Muskulöse Supermänner sucht man vergebens. Warum? Sie wären unangenehm aufgefallen. Die beiden männlichen Hauptfiguren sind – oder hat es nur den Anschein? – echte Frauenversteher, blauäugig, fürsorglich, immer cool und auch mal hart - aber allzeit bereit, den weichen verletzlichen Kern und den Kuschelbären nach außen zu kehren wie Frau sich das angeblich wünscht.

Und damit nicht genug: Bowman schmeichelt dem weiblichen Auge noch mehr: Sein Film ist weder besonders blutig, noch actionreich. Kämpfe und Verfolgungsjagden werden immer nur in kleinen Dosen eingestreut, die Heldin kämpft mit filigranen Dolchen und Geschick gegen ihre Kraftschreie ausstoßenden, Schwert- und Keulenschwingenden Widersacher (die wie so oft böse Japaner sind, aber was soll’s) und das finale, entscheidende Duell wird von Elektra und Abby mit vereintem Frauenpower ausgetragen. Auf den Leim geht der Oberschurke Kirigi (Will Yun Lee) übrigens schließlich und endlich seiner eigenen Eitelkeit.

Sollte nun der Eindruck entstanden sein, ich würde „Elektra“ für einen gelungenen, pro-emanzipatorischen und gar anspruchsvollen Film halten so muss ich verneinen. Natürlich gelingt es Bowman nicht, über den Schatten der Traumfabrik zu springen, natürlich wird man als Zuschauer von galligen CGI-Effekten, einem banalen 08/15-Soundtrack und zweifelhaften schauspielerischen Leistungen gemartert. Besonders Jennifer Garner ist in der Hauptrolle zwar optisch sehr treffend besetzt, schauspielerisch aber nur dritte Wahl. Die Kameraarbeit schließt sich der allgemeinen Uniformierung an und kann ebenfalls kaum überzeugen, auch wenn sie weitgehend auf effekthascherische Mätzchen verzichtet. Einzig die Abstinenz von hektischen Schnitten ist positiv anzumerken. „Elektra“ ist nun einmal eine Hollywood-Produktion und sieht auch dementsprechend aus. Das muss einen in diesem Fall aber nicht tangieren: Bowmans Film gibt schließlich nicht vor, komplex zu sein, behauptet keine Tiefe und Pathos, ist genauso flach und naiv wie eine ihrer Vorlage sklavisch ergebene Comicverfilmung es sein sollte- dabei allerdings in seinem Wesen doch humanistisch und nicht reaktionär, propagandistisch und faschistoid angelegt wie das unlängst gefeierte Massendesaster „300“.

„Elektra“ hat sich zwar bedauerlicherweise nicht als das von mir sehnlich erhoffte Big-Budget-Trash-Spektakel a là „Drei Engel für Charlie“ oder „Dead or Alive“ zu erkennen gegeben, kann dafür aber mit seinem bemerkenswerten Konzept auftrumpfen. Dieses zielt unverhohlen auf ein überwiegend weibliches Publikum ab- und hatte bezeichnenderweise nur eine kurze Lebensdauer. Die maskulinen Blockbuster haben inzwischen offenbar auch die holde Weiblichkeit weit genug manipuliert. So weit, das es gar nicht mehr dankbar erkennt, wenn man(n) sich anschickt, großes Popcorn-Kino eigens für Sie zu inszenieren. Dieses Konzept ist also sicherlich ebenso kühl kalkuliert wie das Macho-Pathos der Frank Miller-Adaptionen – zumindest für einen Film aber interessant genug, um über diese Berechnung hinwegzusehen und sich über 90 Minuten ohne Anspruch, dafür aber feminin zu unterhalten.

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