Der schwedische Literaturkritiker Gunnar schreibt im Jahre 1945 seine Kündigung, denn er möchte etwas Gutes tun, etwas bewirken und plant deshalb eine Zugreise ins zerbombte Berlin, um dort beim Wiederaufbau zu helfen. Aber vielleicht hätte er selbst schon von seinen Hilfegedanken absehen sollen, als er aus Versehen sein Tintenfass über das fertige Kündigungsschreiben verschüttet. Denn so bekommen die Mitreisenden im Berlin Express seine "Hilfbereitschaft" zu spüren.
Besonders betroffen davon ist ein Kriegsversehrter, der trotz immer weiterer Hilfsattacken unseres Idealisten (diverse Türen, ein Topf heiße Suppe und eine Zigarette kommen dabei u. a. zum Einsatz) seine gute Laune nicht verliert. Aber auch andere, u. a. eine Gruppe von Flüchtlingen, haben unter der unheilbringenden Hilfsbereitschaft von Gunnar zu leiden.
Wer jetzt vermutet, "Verschwörung im Berlin-Express" hätte nur Slapstick und schwarzen Humor zu bieten, liegt falsch, denn es gibt - der Titel des Films deutet es an - auch ein Mord-Komplott im Zug: Der Arzt Henry will mit Hilfe deiner Geliebten seine Frau umbringen, die eigentlich alleine mit dem Zug nach Berlin reisen sollte. Aber schon früh geht auch hier etwas schief, denn der Ehemann, der selbst eigentlich gar nicht mitfahren und die Mordarbeit seiner Geliebten überlassen wollte, ist unversehens auch Gast im Zug. Wird es den beiden gelingen, ihren Plan in die Tat umzusetzen?
Der Film erzählt zudem noch die Geschichten von weiteren Passagieren im Berlin-Express. Da sind z. B. die zwei älteren Manner, schwul und grundverschieden, der eine zunächst ein von Selbstzweifeln geplagtes Sensibelchen, sein Partner ein gnadenloser Zyniker, der sich nur deshalb dem männlichen Geschlecht zugewandt hat, weil er alle Frauen hasst, was einige Frauen im Zug auch zu spüren bekommen. Oder die Nonne, die aufgrund der Ereignisse im Berlin-Express ihren Glauben an Gott verliert. Oder die alte Dame, die mit der todgeweihten Ehefrau des Arztes im Zugabteil sitzt, der Ehefrau eine neue Weltsicht bietet und sich am Ende als jemand völlig Unerwartetes entpuppt. Oder der Barkeeper. Oder der Schaffner. Oder oder oder.
Mit anderen Worten: In "Verschwörung im Berlin-Express" wimmelt es nur so von witzigen und interessanten Charakeren, denen man stundenlang bei ihrem Treiben zusehen könnte.
Diese Figuren werden von hierzulande natürlich völlig unbekannten Schauspielern verkörpert, die ihre Sache allesamt ausgezeichnet machen.
Aber neben den Figuren bietet das Drehbuch des Films auch noch jede Menge skurile und teilweise sehr schwarzhumorige Einfälle. Alleine die Episoden, die sich um den Waggon mit den Flüchtlingen ranken, sind das Eintrittsgeld wert. Dabei spielen u. a. das falsche Essen für die Flüchtlinge und Gas eine Rolle.
Zudem ist der Film gespickt mit gar nicht dummen Dialogen, in denen man die einzelnen Figuren kennenlernen kann, und ein weiteres großes Plus des Films ist seine Atmosphäre.
Diese Atmosphäre wird zum großen Teil dadurch bestimmt, dass fast der komplette Film - vielleicht sollte ich das gar nicht erwähnen, denn es könnte abschreckend wirken - in schwarz-weiß gedreht ist. Das fällt aber interessanterweise nach fünf Minuten gar nicht mehr auf. Wenn es nicht so wäre, würde in punkto Stimmng des Films sogar etwas verloren gehen. Nicht nur dadurch erinnert der Film an den alten Hitchcock-Klassker "Der Fremde im Zug".
Die Bilder sind geprägt durch moderne Kamerafahrten, überraschende Großaufnahmen, interesannte Zoomes, aber auch durch längere, aber nie langweilige Einstellungen, wenn es darum geht, die Dialoge der Figuen zu zeigen. Sie geben damit wunderbar die jewilige Stimmung des Films wieder.
Nur die letzte Szene, die Gunnar dabei zeigt, wie er sich Jahe später tatsächlich am Aufbau in Berlin beteiligt, allerdings möglicherweiese anders, als er sich das vorgestellt hat, ist farbig. Diese sehr witzige und wieder völlig unerwartete Szene rundet den Film sehr schön ab.
Als der Zug zuvor in Berlin einfährt, sieht man auf einem Nachbargleis den Orient-Express stehen. Auch das ist natürlich eine filmische Verbeugung vor einem anderen Vorbild des Films: "Mord im Orient-Express".
Und ein - ziemlich fieser - Mord, bei dem eine Spritze an ungewöhnlicher Stelle eingesetzt wird, geschieht schließlich auch im Berlin Express.
"Verschwörung im Berlin-Express" ist ein sehr witziger, kluger kleiner Film mit einer Vielzahl von skurilen Charakteren, überraschenden Wendungen und stimmiger Atmosphäre.
Sehr sehenswert!
7,5/10