Neben Endzeitfetzern wie „Equalizer 2000“ und „The Sisterhood“ gehörte der Vietnamactionfilm zu Cirio H. Santiagos Hauptbetätigungsfeld in den 1980ern und 1990ern – klar, dass da mal zumindest etwas Variation und frische Ansätze ran mussten. Hier nun also Rocker in Vietnam.
Bevor man allerdings die titelgebenden Hells Angels zu Gesicht bekommt, wird erst einmal der Held des Ganzen, Lieutenant Calhoun (Brad Johnson), eingeführt. Will heißen: Man erfährt, dass es ihn gibt und dass er gut ballern kann, mehr ist bei Santiago ja selten drin. Der stößt mit seiner Einheit bei einer Konfrontation mit Vietcong auf eine Höhle, in der Goldschätze lagern. Die werden aber von einem Eingeborenenstamm bewacht, den wiederum der abtrünnige weiße Ex-Soldat Chard (Vernon Wells) anführt. Teile der Einheit sterben, zwei G.I.s werden gefangen genommen und Calhoun entkommt als einziger, womit man schon mal den Helden und den (lange Zeit nicht mehr auftauchenden) Schurken kennt und der obligatorische Action-Opener abgehakt wäre.
Die Army will aber für zwei Männer keine Rettungsmission losschicken, doch als Calhoun vier (aus welchen Gründen auch immer) in Vietnam herumstromernde Hells Angels bei einer Kneipenschlägerei beobachtet, hat er eine Idee: Die Jungs sollen ihm helfen. Schließlich haben sie bei der Wemmserei mehrere Elitesoldaten nass gemacht und damit ihre Stärke bewiesen. Außerdem sitzen sie jetzt im vietnamesischen Knast, da sind ihre Optionen begrenzt. Dass Calhoun ihnen einen Anteil am Gold verspricht und die Rettungsmission verschweigt, motiviert die Bande natürlich zusätzlich.
Außerdem kommt noch der Mechaniker Hickman (Kevin Duffis) mit zur Mission, die – so die Logik des Drehbuchs – aus Zeitgründen nur motorradfahrend erfüllt werden kann. Die Hells Angels sind nach anfänglichem Gemaule sogar davon zu überzeugen, dass japanische Motorräder eher geländegängig als Harley Davidsons sind, und so kann man aufbrechen…
Wie schon an obigen Ausführungen zu erkennen ist: Mit Logik hat das Ganze nicht viel zu tun. Aber immerhin: Die Prämisse ist einigermaßen unverbraucht, wenn auch teilweise beim 1970er Exploitation-Reißer „The Losers“ abgepaust (der übrigens nichts mit der gleichnamigen Comicverfilmung von 2010 zu tun hat). Hauptsächlich sorgt sie doch für etwas Frische im Vietnam-Allerlei, denn so sind einige Motorradstunts drin, wenn etwa Gräben mit Sprüngen via Feuerstuhl überwunden werden müssen. Gleichzeitig kann noch etwas sülzige Hurra-USA-Stimmung veranstaltet werden, wenn die anfangs selbstsüchtigen Hells Angels schließlich doch Freunde daran haben für Uncle Sam massenweise Vietnamesen abzuknallen, G.I.s zu retten und sich sogar aufzuopfern. Es sterben übrigens mehr von der Truppe als Leute zu retten sind, doch wer will da kleinlich sein – zumal es ja in erster Linie einheimische Helfer und Hells Angels erwischt, keine edlen US-Soldier-Boys. Vielleicht hatte Santiago da doch nicht so viel Respekt für den titelgebenden Verein übrig.
Die Hells Angels verklagten Roger Corman als Chef der amerikanischen Verleihfirma New World Pictures auf Schadenersatz aufgrund der angeblich verunglimpfenden Darstellung ihrer Gruppierung durch die Verwendung authentischer Insignia – Corman zahlte am Ende. Dabei unterscheiden sich die Hells Angels kaum von anderen Glücksrittern in ähnlichen Kriegsactionabenteuern, die erst nur auf Kohle aus sind und dann für mehr kämpfen. Bis dahin ist das Schmieden von Kameradschaft angesagt, wenn man gemeinsam Gefahren übersteht und Calhoun im gewonnenen Faustkampf mit dem Rockerchef seine Männlichkeit beweist. Zwischendrin werden kleine Subplots angerissen (etwa um ein Dorf südvietnamesischer Helferlein), die Film aber ganz schnell wieder vergisst. Geht ja eh nur ums Geballer und die nächste Schießerei ist selten mehr als zehn Filmminuten entfernt. Dummerweise ist der Schurke kaum präsent, tritt nur zu Anfang und zu Ende auf und ist vollkommen unterentwickelt: Als Colonel Kurtz für Arme lässt er sich von den Eingeborenen verehren, macht erst mit Eindringlingen beider Parteien kurzen Prozess, will später aber US-Gefangene an den Vietcong verhökern. Also alles tut, was böse ist, egal ob da jetzt eine klare Linie ist.
Dargestellt wird er von Vernon Wells, nach „Commando“ einer der Go-to-Guys in Sachen Schurkendarstellung in den 1980ern, der danach mit Santiago noch „Stranglehold“ und „Ultimatum“ drehte. Hier gibt er den Bösewicht mit charismatischer Fresse und dezentem Overacting, ist aber zu wenig präsent. Brad Johnson gibt den eindimensionalen Muskelhelden okay, auch wenn er weniger durch Schauspiel als durch ein paar Eigenheiten seiner Figur auffällt: Da Calhoun ein echter Cowboy ist, lässt der Film ihn mit Cowboyhut, abgesägter Schrotflinte und Lasso durch die Rabatte tollen – letzteres kommt an manchmal sinniger, manchmal auch unsinniger Stelle zum Einsatz, z.B. wenn Calhoun sein Lasso gegen MG-bewehrte Vietnamesen einsetzt. Der Rest vom Fest spielt sich so durchschnittlich wie uneinprägsam durch den Film, darunter auch Santiago-Spezi Ken Metcalfe.
Hauptattraktion des Films ist natürlich mal wieder die Action, die in erster Linie brauchbares Standardgeballer liefert – mit nur wenigen blutigen Einschüssen und ohne große Finesse, aber in reichlicher Menge. Putzig ist dabei Calhouns abgesägte Schrotflinte, die fast grundsätzlich zwei Gegner gleichzeitig aus den Latschen pustet, es sei denn das Drehbuch verlangt nach einem präziseren Schuss. Neben den erwähnten Motorradstunts gibt es noch ein paar Explosionen und einen kreativen Finisher via Lasso am Ende des Films. Die Kamera ist meist statisch, hat aber ein paar lichte Momente (etwa wenn sie die Perspektive eines fahrenden, gleichzeitig ballernden Bikers einnimmt), der Schnitt meist okay, trotz gelegentlich hakelig montierter Szenenübergänge (einmal mitten in einer Explosion – in der ungekürzten Fassung, wohlgemerkt).
Wer nicht unbedingt etwas für Santiagos Ballerfilme übrig hat, den wird auch „Hells Angels in Vietnam“ alias „Nam Angels“ nicht vom Gegenteil überzeugen. Die Alibistory dient mal wieder als Aufhänger für massive Action, die eher durch Masse als durch Klasse auffällt, das Biker-Element sorgt für halbwegs frische Impulse, die aber kaum ausgearbeitet werden, und inszenatorisch ist das eher einer der mittelguten Santiagos. Kann man gucken, vergisst man aber schnell wieder.