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Der weltbekannte Bestsellerautor Peter Neal (Anthony Franciosa) fliegt nach Rom, um dort sein neues Buch "Tenebre" zu promoten. Kurz nach seiner Ankunft wird eine junge Frau, die zuvor dabei erwischt wurde, wie sie ein Exemplar des Buches stehlen wollte, brutal ermordet aufgefunden - auf eine Weise, wie sie in dem Roman beschrieben wurde. Die Polizisten Germani (Giuliano Gemma) und Altieri (Carola Stagnaro) befragen Neal zu der Sache, dieser ist allerdings genau so ratlos. Kurz darauf setzt sich der Killer überraschend mit dem Autor in Verbindung und teilt ihm mit, dass weitere Morde folgen werden. Er schlägt ein zweites Mal zu, dieses Mal sind die Opfer zwei junge Lesben. Zusammen mit dem jungen Gianni (Christian Borromeo) beschließt Neal selbst, nach Indizien zu suchen, die den Mörder entlarven könnten. Sein Verdacht fällt schnell auf den Fernsehmoderator Christiano Berti (John Steiner). Dieser wird kurz darauf allerdings selbst mit einer Axt erschlagen, woraufhin die Polizei in seinem Haus belastende Beweise findet, die belegen, dass er für die schrecklichen Taten verantwortlich war. Doch die Morde gehen auch nach Berti's Tod noch weiter...


Nachdem sich Dario Argento in den Jahren zuvor mit "Suspiria" und "Horror Infernal" zwei eher surrealen Horrorstreifen widmete, kehrte er 1982 wieder zu seinen Ursprüngen zurück und inszenierte einen typischen Giallo, der heute als einer seiner größten Klassiker angesehen wird. Trotz einer nur wenig einfallsreich erscheinenden Story schaffte es der Meister der blutigen Unterhaltung, all seine berühmten Stärken so formvollendet einfließen zu lassen, dass diese schnell jedwede Schwächen im Plot vergessen machen. Eigentlich ist die Handlung in einem Argento-Film onehin nicht das wichtigste Element, so auch hier nicht. Der Plot um einen Schrifststeller, der Zeuge wird, wie ein wahnsinniger Killer nach der Vorlage seines neuen Thrillers mordet, mag zwar nicht ausgelutscht sein, entbehrt aber auch eines gewissen Einfallsreichtums. Dies stört hier allerdings in absolut keinem Fall, denn Argento liefert einen gewohnt spannenden Thriller, der durch seine künstlerische Inszenierung und die zeigefreudige Brutalität noch lange in Erinnerung bleibt.

Einen Film von Dario Argento zu sehen ist immer ein ganz besonderes Erlebnis für sich. Sei es nun durch die stets perfekte Musikuntermalung der Band Goblin, die beinahe schon mörderische Spannung oder das einzigartige Kunstverständnis des Regisseurs, das er durch atemberaubende Kamerafahrten und hochinteressante Farbkompositionen zum Ausdruck bringt. Mit vielen anderen Kollegen seiner Zunft à la Fulci oder Franco hatte Argento nur sehr wenig gemeinsam, auch wenn es seine Filme, oder besser gesagt Kunstwerke, dennoch nie sehr einfach hatten und aufgrund ihrer brutalen Gewaltszenen oftmals indiziert oder verboten wurden. "Tenebre" kommt sogar ein Platz der oberen Spitze der brutalsten Argento-Filme zu teil, so bestialisch und blutig wie hier wird sonst in Giallos nur selten gemordet.

Der Film vereint gekonnt beinahe alle Klischees des Giallos und spielt zudem lasziv mit Zitaten und Anspielungen, die auf Klassiker der Kriminalliteratur verweisen. Argento hatte offenbar das Ziel vor Augen, noch einmal den ultimativen Giallo zu drehen, bevor er sich für "Phenomena" wieder einer übernatürlichen Horrorgeschichte zuwandte. So muss man wohl schon eine Vorliebe für den Giallo haben, um "Tenebre" etwas abgewinnen zu können, auch wenn es der Film den sogenannten Gorehounds einfach macht, sich den Streifen nur des Blutes wegen anzusehen, dieses fließt nämlich literweise. Gemordet wird hier kalt und bestialisch, oftmals treibt Argento die Spannung vor einem bevorstehenden Mord perfekt auf die Spitze. Nennenswert ist dabei im Besonderen die Szene, in der ein Mädchen minutenlang von einem wilden Hund verfolgt und attackiert wird, bevor sie sich in einem Haus verstecken kann. Schnell stellt sich heraus, dass sie sich im Haus des gesuchten Killers befindet, der sie entdeckt, jagt und tötet. Durch die perfekte Arbeit von Kamera und Soundtrack entstehen so derart intensive Spannungsmomente, wie man sie nirgendwo sonst wiederfinden wird.

In "Tenebre" wird eine typische Kriminalgeschichte erzählt, die immer wieder durch brutale Mordszenen Schwung erhält. Doch Argento wäre nicht Argento, wenn er nicht noch einen überraschenden Plot-Twist im Ärmel hätte, der sehr überraschend kommt und alles vorherige über den Haufen wirft. Dennoch ist die Story, wie erwähnt, eigentlich Nebensache, und gerät bei der kunstvollen Inszenierung fast schon in dern Hintergrund. Die lange Kamerafahrt, in der zuerst das nächste Opfer des Killers eingeblendet wird, bevor sich die Kamera entfernt und eindrucksvoll eine Fahrt über das Dach des Hauses hinlegt, um dann wieder in das Haus zurückzukehren, ist absolut erstklassig und muss einiges an Aufwand gekostet haben. Derlei Momente zusammen mit albtraumhaft-fesselnden Spannungsmomenten, erbarmungslos-brutalen Morden und einem stetigen Verwirrspiel ergeben einen effektiven Giallo, der bis zum Ende hin stimmungsvoll und packend daherkommt.

Auch die Schauspieler überzeugen dabei. Anthony Franciosa, der letztes Jahr verstarb, spielt den intelligenten Schrifststeller glaubwürdig und sehr ergeizig. An seiner Seite darf man sich auf einen gewohnt symphatischen John Saxon freuen, der Neal's Anwalt verkörpert. Ausfälle oder falsche Rollenverteilungen gibt es keine zu vermelden, lediglich die deutsche Synchronisation kommt an einigen Stellen überaus billig daher und verdirbt die Stimmung des Films beinahe schon.


Eine an und für sich eher einfallslose Story wird in "Tenebre" nicht nur durch Dario Argento's unverkennbaren, einzigartigen Regiestil gerrettet, sondern durch diesen sogar zu einem hochgradig spannenden Verwirrspiel, der streng alle Regeln des Giallo befolgt und Liebhabern des Genres in jedem Fall zusagen sollte. Ein traumhafter Score von Goblin, eine erdrückende Spannung, extrem blutige Morde und ein mehr als überraschender Plot-Twist machen "Tenebre", bzw. "Unsane" zu einem absoluten Must-See für Fans von Thrillern, Argento's Fans hingegen kennen das Werk sowieso. An die ganz großen Highlights des Regisseurs kommt der Streifen nicht ganz heran, in einer guten Sammlung darf das Werk aber auf keinen Fall fehlen.

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