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Vorsicht, Spoiler.

Dario Argentos Rückkehr nach "Horror Infernal" und "Suspiria" zum Straightforward-Giallo heisst "Tenebre", welcher klaffende Plot-Löcher, wiederum auch interessante Plot-Twists zu bieten hat. Argentos "Tenebre" ist zum Teil sehr spannend, mit perfekt ausgezirkelten Suspense-Szenerien, zum anderen Teil "gory as hell". Wo steckt also die Brillanz, der Anspruch hinter einem Film, der sowohl in Deutschland, als auch in Schweden beschlagnahmt ist, und in Großbritannien auf die berühmt-berüchtigte Liste der "Video Nasties" gekommen ist?

Die Geschichte dreht sich um den Schriftsteller Peter Neal (Anthony Franciosa), der nach Rom reist, um dort sein neuestes Werk "Tenebre" zu promoten. Sein Bestseller wird von den Lesern als harte Krimikost geliebt, von den Kritikern als "gewalttätiger Sexkram" abgestempelt. Kaum ist Neal in Italien angekommen, schon hat er Besuch von der Polizei. Eine Ladendiebin wurde wie in "Tenebre" beschrieben erdolcht, und mit Papier aus dem Buch "gefüttert". Bald darauf ein zweiter Mord an einer lesbischen Neal-Kritikerin und ihrer Freundin. Und immer bekommt Neal eine sadistische Nachricht. Da er und sein Werk in direktem Zusammenhang mit den Morden steht, macht sich Neal selber auf, und versucht den komplizierten Fall zu entschlüsseln.

Die Geschichte eines mißverstandenen Schriftstellers zeigt eindeutig Parallelen zu Argentos Arbeiten auf. Auch Argento wurde von den meisten zeitgenössischen Kritikern als dumpfer Brutalo-Filmer angestempelt, während nur die Fans, die wahre Kunst hinter seiner Arbeit entdeckten. Aber Argento möchte in "Tenebre" nicht nur die Misere des Verhätnisses Kunst/Gewalt aufzeigen. Er zeigt uns auch, dass künstlerisch aufgenommene Gewalt durchaus gefährlich sein kann, für Menschen deren Geist bereits verwirrt ist. So gibt es zwei Menschen im gesamten Film, die "Tenebre" wirklich schätzen und als Kunst verstanden zu haben scheinen. Der Inspektor Altieri als Krimikenner, der den Mörder in dem Buch schon nach 30 Seiten identifizieren kann, lässt seinen Blick auf die realen Morde aber nicht durch das Kunstwerk "Tenebre" vernebeln. Der Romankritiker Christiano Berti wiederum, erliegt seiner Phantasie für das Makabere und wird zum mordenden Tier.

Trotz dieser inhaltlichen Referenz an das Autiobiographische, ist die Geschichte leider etwas löchrig. Die Story schient wieder einmal eher eine Plattform für Argentos geniale Optik zu sein. So inszeniert er in einer Szene zum Beispiel fabelhafte Suspense: Die von ihrem Freund in der Gegend allein gelassene Maria irrt auf den kalten Straßen umher, bis sie plötzlich von einem gefährlich aussehenden Hund angegriffen wird. Wir verfolgen die schweißtreibende Jagd des Hundes. Hier wird unglaubliche Spannung aufgebaut (wenn Maria zum Beispiel in das Versteck des Mörders eindringt, und sie sich zwischen den beiden Innenwänden festklammert, entsteht eine schier klaustrophobische Optik) - denn Maria kann sich in der Tat retten, allerdings nur in die Hände ihres Mörders. Eine andere erinnerungswürdige Szene ist auf jeden Fall die atemberaubend genial gefilmte Sequenz des Hauses der Lesben. Mittels eines riesigen Gerüstes schafft Argento hier unglaubliches: Die Kamera schaut in ein Nordfenster im Erdgeschoss des großen Hauses herein, wendet sich ab, fährt sehr dicht an das Haus heran und wandert nun über das Haus hinüber zum Südfenster des ersten Stockes. Ohne Zwischenschnitt und wahrlich sehr desorientierend, da die Kamera sehr dicht an dem Gebäude liegt. Allein die Sequenz ist derart technisch fantastisch ausgeführt und künstlerisch so formvollendet, dass einem die Superlative für diese Meisterleistung ausgehen.

Argentos ganzes Können zeigt sich dann im Finale, dann wenn das Kunstblut zum Einsatz kommt. Denn in den letzten zehn Minuten wird die Geschichte urplötzlich richtig dynamisch, spannend. Wenn Inspektor Altieri bedeutungsschwanger in die Kamera schaut, weil er anscheinend der Lösung immer näher kommt, wissen wir, es wird etwas passieren. Und wie es passiert! Virtuos reiht Argento am Ende eine gewitzte Plot-Twists und heftige Morde aneinander. Besonders die böse Arm-Amputation von Jane ist kaum an brutaler Wucht zu überbieten. Doch Argento fängt diesen bösen, widerlichen Moment fast schon "schön" ein. Schauspielerin Veronica Lario schreit auf und rennt in die Küche. Wir beobachten sie dabei, wie sie sich an einer weißen Wand langdrückt, während das spritzende, übertrieben rote Blut einen surrealen Kontrast auf der weißen Wand hinterlässt. Selten wurde der Mord derart schrecklich-realistisch, aber doch fast wie ein anmutiger Tanz inszeniert.

"Tenebre" ist sicherlich eine der wichtigsten Arbeiten Argentos. Inhaltlich oft unbefriedigend, wenn auch recht spannend. Optisch hingegen ein wahres Feuerwerk. Selbst in den immer kühler werdenden Außensequenzen lassen sich immer wieder kleine, fantastische Ideen Argentos ausmachen. "Tenebre" ist die konsequente Weiterführung dessen, was er bereits mit "Profondo Rosso" geschafft hat. War "Profondo Rosso" ein Suspense-lastiger Giallo, ist "Tenebre" ein wahnsinnig opulenter Opitk-Leckerbissen für diejenigen, die sich an meisterhaften Giallos nicht satt sehen können.

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