Achtung Spoiler!
"Blade Trinity" lief nach den Previews am Mittwoch Abend gestern offiziell in den deutschen Kinos an. Wesley Snipes schlüpfte erneut in die Rolle des Daywalkers. Fragen traten auf. Stephen Norrington's erster Teil war eine düstere, atmosphärische, spannende, actiongeladene Comicverfilmung. Guillermo Del Toro's Sequel konnte zwar nicht ganz mithalten, war aber immer noch gut. Wieder düster, jedoch nicht so aussichtslos atmosphärisch, mit einigen netten neuen Ideen. Kann die zweite Fortsetzung daran anknüpfen? Nach ersten Internetgerüchten, die die Worte "minderwertig" und "grottenschlecht" beinhalteten, kam eine schreckliche Meldung: Snipes distanziert sich von dem Machwerk, es sei ihm zu mies. Jetzt zweifelt man als Zuschauer an dem gesamten Projekt, fürchtet sich vor den zwei Stunden im Kinosessel, übt vor dem Spiegel schon das verzweifelte Kopfschütteln und geht dann endlich ins Kino, um sich so richtig den Abend versauen zu lassen.
Die Story:
Die Vampire haben Blade (Snipes) verarscht. Sie haben ihn dazu gebracht, dass er unwissentlich einen Menschen umbringt, das ganze aufgenommen und die Datei an die Cops geschickt. Diese leiten auch sofort eine Fahndung ein, finden Blade's Unterschlupf, schießen seinen alten Kumpel und Vaterfigur Whistler (Kris Kristoffersen) über den Haufen und nehmen Blade fest. Doch er bleibt nicht lang in deren Gewahrsam. Whistler's bis dato verschollene Tochter Abigail (Jessica Biel) und ihr Kollege Hannibal King (Ryan Reynolds), ballern ihn raus. Zusammen mit ihre Truppe, den Nightstalkers (u.a. Patton Oswald, Spence aus "King Of Queens"; Natasha Lyonne, Jessica aus "American Pie"), jagen sie Vampire und wollen Blade dazu bringen, ihne zu helfen. Der belächelt das natürlich, seien sie alle doch unerfahrene Kids. Doch dann gibt es erschreckende News. die Vampire haben den Urvampir, vormals Dracula – jetzt Drake (klingt wohl cooler), aus einer Grabkammer im Irak (!!!) ausgebuddelt. Dieser Typ ist eine Gefahr für die Menschheit. Ist halt so (genau wie die Iraker: die waren ja laut Bush auch eine Gefahr für die Menschheit). Blade entschließt sich, den Kampf aufzunehmen. Doch das ist kompliziert. Denn Drake folgt als Urvampir nicht den Regeln normaler Blutsauger...
Bereits der Anfangsmonolog löst beim eingefleischten Vampirfilmfan Hassgefühle und Mordlust aus, wird dort doch gesagt, dass die "Old School"-Vampirfilme, in denen englische Gentlemen mit Pflöcken auf Jagd gingen, nichts weiter als (und hier zitiere ich) "totale Scheiße" erzählen. Aber OK, sehen wir darüber hinweg, besteht die Zielgruppe des Films doch zumeist aus Kids, die bei Bram Stoker an den DJ denken, der "House Of The Rising Sun" geremixt hat.
Also, nach diesem frevelhaften, blasphemischen Monolog wird man Zeuge, wie eine Handvoll Vampire Dracula...'tschuldigung, Drake ausgräbt. Einer der Langzähne muss dabei gleich sein bereits verlorenes Lebens lassen, somit wissen wir, das Drake wirklich böse ist, die Gefahr ist gegeben.
Als nächstes sieht man Blade und Whistler auf der Jagd. Und da erkannt man auch sofort die Stärke des Films: laute Explosionen, durchgestylte Kampfszenen, harte Tritte und Schläge. Blade-typisch lassen sich die Gegner natürlich schön brav der Reihe nach den Hintern versohlen, anstatt gemeinsam anzugreifen, aber das sind wir ja von den Blade-Streifen längst gewohnt.
Erfreulich ist, dass Blade wieder all seine Spielzeuge dabei hat. Doppelläufige Schrotflinte, automatische Handfeuerwaffen, das Schwert, Wurfsterne, auch sein schwarzer Wagen und sein schwarzes Motorrad tauchen auf. Weniger erfreulich ist, dass Blade's Gimmicks etwas kurz kommen. Denn die Nightstalkers haben selbst ultracoole, wenn auch sehr übertriebene Waffen.
Wie dem auch sei, Kris Kristoffersen verabschiedet sich nach zwanzig bis dreißig Minuten aus der Blade-Reihe und Blade geht in den Knast. Hier wird er das erste Mal mit Drake's Untergebenen konfrontiert, der von der megabösen Danica Talos (Parker Posey, die das ganze wirklich überzeugend böse und schlampig spielt) angeführt wird. Der Rest der Vampire ist eigentlich nur Silberfutter für Blade, einzig der große Prügel namens Jarko Grimwood (Paul Michael Levesque, hier unter seinem Wrestling Pseydonym Triple H), der sein Vampir-Spitz-Schoßhündchen über alles liebt, hat etwas mehr Screentime und darf auch ein paar ganze Sätze sprechen.
Blade wird von den Nightstalkers befreit, womit ich zu dieser Killer-Truppe komme. Von einigen kann man sich nicht mal den Namen merken, was auch nicht wichtig ist, denn wer keinen oder wenig Text hat endet eh als Vampirfutter. Somit bleiben die Jungs und Mädels relativ blass und farblos. Patton Oswald darf als Hedges den schüchternen Verlierer spielen, der ihm schon in "King Of Queens" wie Mist an den Schuhsohlen klebt und Natasha Lyonne darf als Blinde PC-Maus Sommerfield fleißig auf der Spezialtastatur klimpern. Ryan Reynolds, einigen noch als Langzeitstudent Van Wilder aus "Party Animals" im Sinn, kommt als "Quotenwitzbold" daher, der einen Spruch nach dem anderen reißen darf. Das Ganze ist zwar teilweise echt komisch, passt aber nicht recht ins Gesamtbild. Der Humor hätte ruhig etwas unterschwelliger sein dürfen, da war Norman Reedus als Scud im zweiten Teil viel cooler. Jessica Biel ("Eine himmlische Familie", "Texas Chainsaw Massacre") ist die Einzige, die ihrer Figur etwas Farbe verleihen darf, und zwar in der Szene, in der sie die tote Sommerfield im Arm hält und ihre Wut, ihren Zorn, ihre Trauer heraus schreit. Ansonsten darf sie lediglich gut aussehen und kraftvoll zutreten.
Drake ist mittlerweile wieder auf dem Dampfer, läuft bei Tageslicht durch die Häuserschluchten und sieht dabei so aus, als ob er jeden Moment in die Knie geht und Iglesias-like "I can be your hero, baby" trällert. Da musste man unbedingt jemanden casten, der wie eine spanische Liebesmaschine aussieht.
Irgendwann kommt Blade hinter das große Geheimnis der Vampire. Warum die Nahrung töten, wenn man sie auch "halten" kann? In einem Lagerhaus stößt man auf eine Blutfarm, in der Menschen in ein künstliches Koma versetzt vakuumverpackt in Plastikbeuteln hängen, aber am Leben erhalten werden, um aus ihnen ein Maximum an Blut zu gewinnen. Hallo? "Matrix" lässt grüßen! Erinnert schon sehr an die Felder, in denen Menschen als Energiequelle gezüchtet worden sind.
Das ist aber nicht alles, was einem bekannt vorkommt. Wenn Jessica Biel die Gegner mit eine "Komm doch ran"-Handbewegung auffordert, dann kennt man das aus garantiert 236 anderen Filmen. Wenn die kleine Zoe (Sommerfield's Tochter) zu Drake sagt, "Meine Freunde werden kommen und dich töten", dann weiß man, was Deja-Vu bedeutet, und wenn Drake sich die Chance, Blade zu töten, mit einem Spruch versaut, der unbedingt noch raus musste, ihm aber zum Verhängnis wird, dann ist das typische Klischee, das den Bösen immer den Kopf kostet.
Zugegeben, das klingt jetzt nach sehr viel Miesmachen, aber alles bis jetzt genannte sind nur störende Kleinigkeiten. Die positiven Sachen sind zwar nicht so zahlreich, aber dafür gewichtiger.
Der Soundtrack wartet wieder mit Elektro-TripHop der Güteklasse A auf, so wie man es von Blade gewohnt ist. Auch wenn die Kampfszenen teilweise gnadenlos übermusikalisiert sind, da es atmosphärischer und intensiver gewesen wäre, mal die Musik hin und wieder wegzulassen, so kann sich der OST sehen lassen. Auch wenn man nicht auf diese Art der Musik steht, so muss man zugeben, dass sie dem Film eine gewisse Dynamik geben.
Der Score ist teilweise richtig wuchtig und trüb und unterstreicht die Gefühlslage der Figuren (siehe wieder die Szene mit Abigail und der toten Sommerfield).
Die Sets sind düster und dunkel, wenn auch nicht so dreckig und atmosphärisch wie im ersten Teil, das wäre auch kaum möglich gewesen, die Actionszenen sind hervorragend visualisiert, berauschend und stylisch, und Blade ist diesmal wieder bierernst und cool und verzieht keine Miene (außer die Szene mit dem Baby, aber die hat eh nicht reingepasst). Nicht zu vergessen, dass Blade den Satz mit dem meisten Wahrheitsgehalt im ganzen Film sagen darf: bei der Vernehmung antwortet er auf die Frage, wer gerade als Präsident im weißen Haus sitzt: "Ein Arschloch."
Noch was: mit "keine Jugendfreigabe" ist der Film überbewertet worden, beschränkt sich der Blutgehalt doch auf Vampir-Zerfall-Szenen. Ich hätte mir etwas mehr Mut zur Grausamkeit gewünscht, und hätte Drake die kleine Zoe eiskalt umbringen lassen. Da sie aber noch atmet hätte es auch eine FSK16-Freigabe getan.
Fazit:
"Blade Trinity" ist ein durchgestylter Comic-Horror-Actioner ohne jeglichen Anspruch, ohne bahnbrechende Story oder Charaktertiefe (ist zwar in so einem Film nicht wichtig, dass es aber anders geht bewies "X-Men") , der auf seine 110 Minuten ordentlich zu unterhalten weiß. Jede Menge Kleinigkeiten trüben das Bild leicht, doch richtig stören tun sie nicht, sofern man sich auf den Film einlässt. Dennoch gibt es Entertainment erster Klasse, und das bekommt dann auch ne 2-.
Blade ist damit von der Bildfläche verschwunden, denn Snipes hat einen möglichen vierten Teil konsequent abgelehnt (kluger Mann). Doch ich rufe die Produzenten auf, ihre Drohung nicht wahr zu machen und ein Spin-Off mit Abigail und King zu drehen!
10/15