Mit Werken der Marke „L.A. Confidential“, „Wonderboys“ und „8 Mile“ hatte Curtis Hanson vor allem Männer in den Fokus gerückt, um dann mit „In den Schuhen meiner Schwester“ weibliche Probleme und Stärken zu untersuchen.
Beliebtestes Zitat bei Zusammenfassungen des Films: Die Schwestern Maggie (Cameron Diaz) und Rose (Toni Collette) haben außer der Schuhgröße nicht viel gemeinsam, womit dann auch direkt der Filmtitel erklärt wäre. Maggie ist eine dauerbetrunkene Partymaus, die keinen Job so wirklich lange halten kann, Rose ist seriöse Anwältin und darf der Schwester immer wieder mit Geld, Unterkunft usw. aushelfen. Filmisch wird das auch verdeutlicht, Maggie wird im Suffzustand eingeführt, wobei die Kamera fragmentarische, verwackelte Bilder liefert, Rose in ruhigen, fast langweiligen Einstellungen.
Als sich Maggie dann aber nicht nur die Schuhe, sondern auch kurzerhand den Freund der Schwester ohne vorher zu fragen ausleiht, da ist erst mal Knatsch angesagt. Maggie fährt nach Florida, ins Altenheim zu Ella (Shirley MacLaine), der Großmutter der beiden...
„In den Schuhen meiner Schwester“ könnte man auf den ersten Blick als belanglosen Zickenkrieg abtun, doch es ist erstaunlich, wie gut Hansons Film den Grat zwischen Drama und Komödie trifft. Denn so einfach kann man ihn in keine der beiden Schubladen stecken, vielmehr oszilliert das Ergebnis zwischen beiden Polen ohne sich direkt das abgeschmackte Label der Tragikkomödie anheften zu müssen. Denn hier ist nicht jeder Lacher bitter, oft will „In den Schuhen meiner Schwester“ einfach nur unernst sein und Spaß machen.
Die Unverklemmtheit fällt gerade bei den Altenheimszenen positiv auf, wenn die quirlige Maggie das Leben der Heimbewohner durcheinanderbringt und dabei auf angenehme Weise das Klischee der scheintoten Rentner in der Seniorenhochburg gegen den Strich bürstet. Das stellenweise sogar auf schwarzhumorige Weise, wenn Maggie eine liegende Heimbewohnerin fragt ob sie tot sei. Dabei vergisst Hanson aber nie, auf welchem Terrain er sich befindet, wie nahe der Tod im Alter ist und zeigt mit einem tragischen Todesfall gen Schluss, dass das Altenheim weder reine Trauerstätte noch reiner Hort des Seniorenklamauks ist.
Interessant ist auch das mehrschichtige Familiendrama, das hinter dem Ganzen steckt, denn das Verbleiben der Oma ist an sich ein Geheimnis, das wiederum an andere Familiengeschichten geknüpft ist. Leise und behutsam forscht „In den Schuhen meiner Schwester“ diesem zugrundliegenden Konflikt nach, enthüllt nach und nach alles für den Zuschauer, wodurch die Figuren immer mehr an Profil gewinnen. Was nicht bedeutet, dass sie nicht schon von Anfang an stark gezeichnet werden, denn gute Charaktere sind ja immerhin eine von Hansons Spezialitäten.
Zum großen Wurf reicht es dann aber nicht, denn dafür wandelt das Ganze insgesamt dann doch auf recht klischeehaften Pfaden, die auf ein Happy End von derbster Süße hinauslaufen. Rose hatte den betrügerischen Freund nicht verdient und findet die wahre Liebe, für die sie zuvor blind war, Maggie lernt mit ihren Fehlern klarzukommen und sie sich einzugestehen, hat am Ende dann Jobperspektiven und die Chance auf einen seriösen Freund. Gelegentlich überrascht „In den Schuhen meiner Schwester“ dabei, z.B. wenn Rose’ Selbstfindung zu neuer weiblicher Stärke eben nicht im bisherigen Job liegt, sondern auch sie ihr Leben überdenkt und ändert. Doch das sind kleine Überraschungen, den generellen Touch von Konventionalität kann „In den Schuhen meiner Schwester“ da nicht abschütteln.
Fast ohne Tadel geht das Hauptdarstellerinnentrio durch. Shirley MacLaine ist auch im Alter immer noch große Klasse und schafft es eine würdige Seniorenrolle hinzulegen, was ja nicht unbedingt jedem Schauspieler vergönnt ist. Toni Collette beweist ihre Flexibilität erneut und zeigt, dass man sie zu unrecht meist nur in Nebenrollen besetzt. Und dann ist da noch Cameron Diaz, die eigentlich immer die gleiche Rolle als Partygirl spielt. So an sich auch hier, doch Curtis Hanson packt all das in einen dramatischeren Kontext und lenkt Diaz richtig, sodass auch sie nicht neben ihren Kolleginnen groß abfällt.
Es mag nur ein kleiner Film sein und stellenweise auch ein arg konventioneller Vertreter seiner Zunft, doch im Geschichtenerzählen ist Curtis Hanson eigentlich immer gut, selbst bei schwächeren Scripts. „In den Schuhen meiner Schwester“ ist stellenweise witzig, stellenweise herzerwärmend tragisch und durchweg kurzweilig – da ist man ob der Schwächen gar nicht so böse.