Ex-Knacki Terry sieht sich dafür bestimmt, Filme zu drehen. Aber nichts, was schon tausendfach da war. Sex ist out. Horror ist out. Es muss etwas Brandneues her. Da trifft es sich gut, dass der schmierige Pornoproduzent Steve ebenfalls nach etwas Innovativem sucht. Stammregisseur Palmer bietet seit geraumer Zeit nichts als langweilige Sexfilmchen, die kein Mensch mehr sehen möchte. Da hilft es auch nicht, dass er seine hübsche Frau häufiger auf Parties von den Gästen auspeitschen lässt oder sie in seine Filme miteinbaut. Terry's Filme haben hingegen Erfolg, weil sie so echt aussehen. Dies ist jedoch kein Wunder, denn Terry's Filme sind echt. Er foltert und tötet Menschen vor laufender Kamera, dreht also Snuff-Filme. In einer verlassenen Lagerhalle drehen Terry und einige andere junge Leute – Männer wie Frauen – den ultimativen Snuff-Film: Sie entführen Produzent Steve sowie Palmer und dessen Frau und quälen sie brutal zu Tode...
An diesem Bastard von Film, den ich nun schon seit einigen Jahren nicht mehr in den Player gelegt hatte, werden sich die Geister scheiden. Ich muss sagen, ich habe selten einen so bedrückenden, nihilistischen, sadistischen, dreckigen, kranken und menschenverachtenden Film gesehen wie [i]Last House on Dead End Street[/i].
Es gibt einiges zu sagen zu diesem kleinen Amateurfilm von Roger Michael Watkins, der auch die Hauptrolle (Terry) übernahm. Wo fange ich an? Zu erstmal gilt es, etwas über die Optik zu sagen. Der Film ist auf Super-8 (8mm) gedreht worden, was einerseits sicher an dem Budget lag (das lediglich bei einigen hundert Dollar lag), andererseits aber die dreckige, kranke Snuff-Atmosphäre perfekt wiedergibt. Das Bild wirkt äußerst unscharf, körnig, blaß, verwaschen, an manchen Stellen sogar schwarz-weiß. Freunde des neueren Films darf ich an die bewusst gehaltene Retro-Optik eines [i]Planet Terror[/i] oder eines [i]Death Proof[/i] erinnern. Unterstützt wird dieser Effekt von der grundsätzlich düsteren Bildgebung und der Ausleuchtung, die, gerade in der Lagerhallenszene in der zweiten Filmhälfte, äußerst effektiv ihren Zweck erfüllt. Die Kameraführung wirkt bewusst wackelig und unterstützt die intendierte Wirkung. Alptraumhafte Bilder spuken über den Schirm.
Was sich aber noch weit stärker in das Gehirn des Zuschauers einbrennt, ist die Tonspur. Was hier an kranken, klirrenden und verstörenden Klängen aufgeboten wird, ist unbeschreiblich. Hohe Töne, treibendes Klopfen, ein hallendes, schallendes Flüstern, stechende und dumpfe Töne, die sich in den Gehörgängen einprägen und an die Psyche gehen. Man kommt sich vor, als sei man auf einem schiefgegangenen LSD-Trip und dem Wahnsinn nicht mehr fern. Wie übrigens auch die Darsteller. Allen voran Watkins selbst als durchgeknallter Snuff-Regisseur Terry. Er sieht aus wie eine Mischung aus einem jungen Jack Nicholson in [i]Easy Rider[/i] und einer ultrahässlichen Version von Quentin Tarantino mit Langhaarperücke. Manche würden in seinen Augen wohl auch das Antlitz des Satans selbst erkennen, eine solch kranke Mimik setzt er in der zweiten Filmhälfte auf.
Damit kommen wir auch zu einer grundsätzlichen Unterscheidung zwischen Anfangsphase bzw. Mittelteil und dem Endteil, in dem der Snuff-Film gedreht wird. Ist die erste Hälfte noch relativ moderat und mit einigen alltäglich wirkenden – wenngleich asozialen – Dialogen gespickt, regieren in der zweiten Hälfte nur noch Sadismus und Terror, die dem Film fast schon einen schizoiden Grundton verleihen. Die vorliegende Version geht insgesamt lediglich um die 75 min., ist also äußerst kurz. Die ursprünglich von Watkins angedachte Fassung soll um die drei Stunden gegangen sein, das Filmmaterial ist aber verschollen. Man mag sich gar nicht vorstellen, was in dieser ursprünglichen Fassung alles vorkam, wenn man sich vor Augen hält, was bereits diese verstümmelte 75-minütige Fassung in der Psyche des Zuschauers auslöst.
Während die ersten 30-40 Minuten eher Einleitung sind, geht es in der letzen halben bis dreiviertel Stunde richtig zur Sache. Meiner Meinung nach musste diese etwas beiläufig-biedere Einführung auch sein, sonst hätte die zweite Filmhälfte niemals diese Wirkung erzielen können. Und was uns Watkins in diesem "Showdown" serviert, spottet jeder Beschreibung. Produzent Steve, Regisseur Palmer und seine Frau werden von den jungen Filmemachern also entführt und in einer Lagerhalle gefesselt und geknebelt. Was dann geschieht, ist der Grund dafür, dass dieser kleine Amateurfilm einen solch berühmt-berüchtigten Ruf erwerben konnte und bei einigen Fans als Kultfilm gehandelt wird. Mit unaussprechlicher seelischer und physischer Grausamkeit gehen Terry und seine Freunde bei den Folterungen zu Werke. Sie strahlen dabei eine solche seelische Kälte und Gleichgültigkeit aus, dass Erinnerungen an Michael Myers und Dr. Loomis' Beschreibungen vom "absolut Bösen" wach werden. Sie ziehen sich kanke Plastikmasken auf, schreien, kreischen, lachen hysterisch, üben Psychoterror aus, erniedrigen und demütigen ihre Opfer, und greifen auch zum Messer und anderen Tötungswerkzeugen. Dabei tut die oben beschriebene Tonspur ihr Übriges und ist unglaublich effektiv. Die Krönung ist aber der zweite Mord. Mrs. Palmer wird an einem Operationstisch festgeschnallt, ihre Beine werden abgesägt und mit Hilfe der verschiedensten Werkzeuge wird sie ausgeweidet, bis sie als blutiger, lebloser Klumpen zurückbleibt. Dies kann man ruhig sagen, ohne zu spoilern, denn nicht der Inhalt ist bei diesem Film das Entscheidende, sondern die Inszenierung. Die Effekte sind nichts Bahnbrechendes (nochmal zur Erinnerung: Dies ist ein No-Budget-Film). Und im Verlauf der 75 min. gibt es auch nicht wirklich viel Gore zu bestaunen (vor allem die Gedärme und die blutige Operation an Mrs. Palmer bleiben in Erinnerung). Vielmehr spielt sich der Horror, wie schon bei seinem Vorbild, [i]The Last House on the Left[/i] im Kopf des Zuschauers ab. Einige eigentlich harte Szenen erleben wir im Off – wir sehen also nicht wirklich, wie sie geschehen, malen uns im Kopf aber das Schlimmste aus. Ein äußerst effizientes Mittel, das häufig für mehr Schrecken beim Rezipienten sorgt als wenn man Splatterszenen offen zu Gesicht bekommt. Unterstützt wird diese Wirkung abermals von der äußerst kranken Atmosphäre dieser Mischung aus Amateurfilm, Horrorstreifen und verquerer Arthouse-Ambition.
Wenn ich [i]Last House on Dead End Street[/i] mit anderen Filmen vergleichen wollte, fiele mir das nicht leicht. Vom Titel her ist es ein klarer Cash-In von [i]The Last House on the Left[/i]. Da gab es ja einige in der Zeit (frühe 70er Jahre). An diesen Filmen erinnert er durchaus auch, kommt aber noch um einiges kranker daher. Von anderen Rezensenten wurde er auch, wahrscheinlich vorwiegend aufgrund der Operationsszene, mit [i]Guinea Pig[/i] verglichen. Auch Werke wie [i]Scrapbook[/i], [i]Don't Look in the Basement[/i], [i]I Spit on Your Grave[/i] oder sogar [i]Mutilation Man[/i] kamen mir in den Sinn. Unter dem Aspekt, dass die Morde, die von Regisseur Terry auf Film vorgeführt werden eigentlich echt sind, ist er auch mit [i]Bloodsucking Freaks[/i] zu vergleichen. Der 1976 entstandene [i]Snuff[/i] von Roberta Findlay oder Jim Van Bebber's [i]Charlie's Family[/i] sind ebenfalls Assoziationen, die dem geneigten Zuschauer in den Sinn kommen können.
Überhaupt atmet hier der ganze Wahnsinn den Geist von Charles Manson und der Zeit. Als eine Art Gegenentwurf zur fröhlichen Flower-Power-Hippie-Zeit ("Make Love, Not War") lässt sich dieses Werk sehen, als brachialer Gegenschlag zu Pazifismus und Liberalismus. Ähnlich war es ja bei Charles Manson und seinen Anhängern tatsächlich. Sie konnten die Gesellschaft und die Ideale, für die die Hippie-Bewegung stand, nicht akzeptieren und zeigten mit den Morden an Sharon Tate und anderen die düstere Seite der Gesellschaft auf. Hätte Manson an jenem Abend eine Kamera dabei gehabt und die Morde gefilmt, es hätte sicherlich ähnlich ausgesehen wie in [i]Last House on Dead End Street[/i]. Begriffe, die nach diesem Film hängen bleiben sind: Drogen, Sex, Gewalt, Dreck, Wahnsinn und Anti-Establishment. Der perfekte Film für ein Bahnhofspornokino Anfang der 1970er Jahre.
Die ofdb-Bewertungen sprechen eine klare Sprache: Es gibt kaum jemanden, der diesen Film durchschnittlich findet. Höchst- und Tiefsnoten finden sich mehrfach, dazwischen gibt es nicht viel Spielraum. Einer dieser Filme, die man liebt oder hasst. Die man genial findet oder genial daneben. Meiner Meinung nach gibt es in [i]Last House on Dead End Street[/i] so viele interessante Details zu entdecken (Optik, Tonspur, angedeutete Szenen, die die Imagination des Zuschauers anregen), dass man dem Film eine eher positive Wertung zuteil werden lassen muss. Interessant sind übrigens auch die Extras auf der DVD von CMV (die übrigens nur englischen Ton mit deutschen UT bietet): diverse Kurzfilme von Watkins, ein Radio-Interview, ein Audiokommentar etc. Am interessantesten sollte aber der Auftritt des Regisseurs in der Joe Franklin-Show sein, in der – damals bereits – über die böse Wirkung von Horrorfilmen geredet wird bzw. was eigentlich die Faszination dieses Genres ausmacht und wie seine Zukunft aussieht. Ein Stück Zeitgeschichte, eingebettet in den kulturellen Kontext der USA jener Zeit.
Fazit: Schaut den Film an, bildet euch euer eigenes Urteil. Ich hoffe einen Eindruck von diesem speziellen, düsteren Werk vermittelt zu haben, sodass jeder für sich selbst ausmachen kann, ob ihm der Film zusagt oder nicht. Es ist definitiv kein Film, den man sich öfter anschauen kann. Aber einmal gesehen haben sollte man ihn schon.