Edels "Nibelungen" sind ein weiterer Versuch, das weite Feld der Nibelungen-Literatur in eine filmische Erzählung zu fassen. Der Film ist nicht der erste, der an diesem Vorhaben scheitert. Harald Reinls Neuverfilmung von 1966 fiel gegenüber Fritz Langs und Thea von Harbous klassischer Aufarbeitung 1924 schon dramatisch ab, wobei die Besetzung des Siegfried mit einem schauspielerisch unqualifizierten Olympiasportler damals das prominenteste Manko, aber nicht das einzige, darstellte.
Die Nibelungensage wurde schon im Mittelalter in verschiedenen Versionen aus Deutschland und Nordeuropa überliefert, die sich handlungsmäßig stark voneinander unterscheiden, und im 19. Jahrhundert trugen der Dramatiker Friedrich Hebbel und noch viel mehr der Dichter-Komponist Richard Wagner mit ihren zyklischen Neuversionen dazu bei, dass sich der Nibelungenkosmos erweiterte - um nur die prominentesten Beiträger zu nennen. Das heißt, dass es die eine und einzig richtige Nibelungensage nicht gibt - allein daher muss man dem Befremden, das sich bei abweichenden Handlungswendungen schnell einstellt, erst einmal Einhalt gebieten und neuen Konzepten etwas offener gegenübertreten.
Nun wagte sich Uli Edel samt der weiteren Drehbuchautoren Diane Duane und Peter Morwood an den Mythos und präsentierte wie seine Regie-Vorgänger eine neue Kombination aus Elementen der nordischen Sigurdsage (überliefert in mehreren Heldenliedern der 'Edda'), dem deutschen Nibelungenlied sowie auch Hebbel und Wagner - wobei ich weniger annehme, dass all diese Quellen direkt konsultiert wurden, als dass sie eher mittelbar eingeflossen sind - und schließlich natürlich einem hohen Maß an selbst Dazuerfundenem, dessen Anteil hier deutlich höher ist als bei Lang und Reinls Filmen. Schon zu Beginn präsentiert der Film eine Handlungspassage, die so von keiner der Quellen geboten wird (am ehesten kommt noch Wagners Fassung dem nahe): Siegmund und Sieglind von Xanten (Sieglind als Kampfamazone!) werden von den Sachsen unter ihren Zwillingskönigen mit den (wenig sächsischen) Namen Thorkvin (Götz Otto) und Thorkilt (Ralf Möller) auf ihrer Burg überfallen und getötet, worauf Siegfried insgeheim entkommt und von dem Schmied Eyvind (auch dieser Name ist neu, übrigens in dieser Rolle Max von Sydow als großer Bonus des Films) aufgenommen wird. Hier wird versucht, eine Bruchstelle zwischen verschiedenen Überlieferungen der Sigurd- bzw. Siegfriedsage zu schließen: Siegfried, der Schmied, und Siegfried, der Königssohn - das lässt sich nicht leicht unter einen Hut bringen. Dass die Sachsen im ganzen Film derart negativ konnotiert (und optisch mit Gewalt auf Barbar getrimmt) auftreten, ist eine dümmliche und durch keine Literaturvorlage begründete Idee - im Nibelungenlied sind die Sachsen schlicht ein Kriegsgegner der Burgunden, dem keine besondere Bosheit angedichtet wird, wie es hier der Fall ist.
Ein entscheidender Unterschied zwischen diesem Film und seinen Vorgängern ist die Auslassung der ganzen Geschichte um Kriemhilds zweite Ehe und ihre furchtbare Rache an ihren Brüdern und Hagen. In einem Interview meinte Edel (sinngemäß), mit Siegfrieds Tod sei die Sage für ihn beendet, dieses spätere Gemetzel und das Thema der "Nibelungentreue" interessiere ihn nicht mehr - womit in meinen Augen ein ziemlich seichter Blick auf den Mythos als Ganzes offenbar wird. Es kommt aber wohl noch unausgesprochen der Grund hinzu, dass sich in der Siegfriedsage spektakuläre Elemente wie der Drachenkampf, der Gewinn des Schatzes und die Bezwingung von Brünnhild bieten, während die Geschichte von Kriemhilds Rache nichts bietet, was man dem heutigen "Fantasy"-Publikum andrehen könnte, dafür um so mehr blutige Kämpfe und ethische Konflikte. Aber das kann man ja in Fritz Langs Film sehen, dafür braucht man keine Sat.1-Produktion unter der Regie eines vermeintlichen Alleskönners wie Uli Edel.
Wie Wolfgang Petersens "Troja"-Film versucht auch Edels Streifen - und da wird sein Umgang mit dem Mythos verfälschend und missbräuchlich - auf billige Weise, die Figuren in Gut und Böse einzuteilen. Wo beispielsweise das Nibelungenlied an der lichten Figur des Siegfried auch dessen Leichtsinn und Prahlerei hervorhebt und an der dunklen Gestalt Hagens dessen Mut und Königstreue, so tilgt der Film diese Differenziertheit und lässt Siegfried (Benno Fürmann) als mustergültigen Klischeehelden und Hagen (Julian Sands) als vernarbten Oberbösewicht dastehen. Dazwischen befindet sich ein (wie auch bei Reinl) blass-nichtssagender Gunther (Samuel West) und eine unreife Kriemhild (Alicia Witt). Viel Raum wird der Figur der Brunhild (Kristanna Løken) eingeräumt, und in der Tradition Wagners wird die Liebesgeschichte zwischen ihr und Siegfried, nicht die zwischen Kriemhild und Siegfried zentrales Handlungsmoment.
Das ist eine vertretbare Entscheidung, die sicher auch dem heutigen Bedarf der Medien an "starken Frauen" gezollt ist, auch wenn dieser Typus durch Kriemhild in der Geschichte von deren Rache ebenso repräsentiert wäre. Leider hat man die mythische Geschichte vom Zorn Odins, der Verstoßung Brünnhilds aus dem Kreis der Walküren und deren Auffindung durch Siegfried durch eine lächerliche Neuerfindung ersetzt: Siegfried und Brunhild treffen sich schicksalhaft am Einschlagskrater eines Meteoriten und verbringen sogleich die Nacht miteinander, worauf sie einander ewige Treue schwören.
Odin tritt - und hier ist eine weitere Parallele zu Petersens "Troja" auszumachen - nicht wie in der nordischen Sage und bei Wagner als handelnde Figur auf. Trotzdem wird dauernd von ihm gesprochen, ohne dass dies über eine halbgare, wenig fundierte Geheimnistuerei hinauskommen würde. So heißt es auch (von keiner mythologischen Quelle auch nur ansatzweise gedeckt) über Odins Krieger in Valhall: "Sie beobachten uns, und wenn wir etwas tun, was ihnen nicht gefällt, dann werden sie zornig", worauf die Antwort lautet: "Die Christen sagen, ihr Gott sei ein Gott der Vergebung!", womit der pseudo-religionsgeschichtliche Unfug komplett ist. An dem Thema des Religionenkonflikts verhebt sich der Film mangels Quellenkenntnis völlig. Weiser wäre es gewesen, die offenbar von John Boormans "Excalibur" übernommene, weiter interpretierbare Einteilung in eine "alte" und eine "neue" Welt (was nicht nur Heiden- und Christentum, sondern auch den Übergang von der magischen zur rationalen, von der götter- zur menschenbeherrschten Welt beinhaltet), die in einer Szene zwischen Siegfried und Eyvind zur Sprache kommt, beizubehalten. Besonders der (Wagner-inspirierte) Schlussdialog zwischen Gunthers Bruder Giselher und seiner Auserwählten Lena (eine nicht nur neu erfundene, sondern auch völlig überflüssige Figur) wirkt in seiner drastischen Aussageform völlig fehl am Platz.
Fragwürdig auch der Einsatz von Sprachen wie Altnordisch (das bekannte Zitat aus den Hávamál über den unvergänglichen Ruhm der Toten) oder einer Fantasiesprache (ich konnte sie zumindest nicht weiter zuordnen), die zwischen Hagen und Alberich Gebrauch findet. Das erinnert stark an den häufigen Gebrauch des Elbischen in Peter Jacksons Verfilmung von Tolkiens "Herr der Ringe"-Trilogie, nur dass es dort weitaus passender erschien als hier, wo eigentlich nur Anspruch simuliert wird.
Ziemlich naiv wirkt der Umgang des Films mit dem Problemfeld der gesellschaftlichen Umgangsformen in einer Feudalgesellschaft. Auch in einem sagenhaften Kontext wirkt es ziemlich befremdlich, wie locker von Beginn an der Schmied Siegfried mit der Familie Gunthers kommuniziert. Es scheint selbstverständlich zu sein, dass Siegfried (lange vor seiner Enttarnung als Königssohn) Kriemhild bedenkenlos von der Seite anspricht und dass er mit Giselher gar nach einem kleinen Missverständnis mehr oder weniger spontan Freundschaft schließt.
Um auch mal etwas Positives festzuhalten: Der Film sieht trotz vielfachen Einsatzes computergenerierter Bildelemente meistens ziemlich gut aus, vermag im Nibelungenwald, auf Island und an anderen Schauplätzen eine malerisch vernebelte Wirkung zu erlangen, was weniger für die minimalistisch ausgefallene Burg der Burgunden oder die Drachenhöhle inklusive des Drachen Fafnir gilt, wo die CGI dann doch an die Grenzen ihrer Überzeugungskraft stößt. Die gerade schon angesprochene HdR-Trilogie hinterlässt deutlich ihre Spuren, wenn etwa das Auge des Dachen so wirkt, als sei das Auge Saurons aus Jacksons Filmen hier geradezu in den Film hineinkopiert worden - und zwischen den Geistern der Nibelungen und den Geistern aus "Die Rückkehr des Königs" kann eine schlagende Ähnlichkeit sicher nicht geleugnet werden.
Totalausfälle bei den Schauspielern sind nicht zu verzeichnen, die deutsche Synchronisation ist aber nicht gerade vorteilhaft ausgefallen. Beispielsweise ist des öfteren zu hören, dass "nicht" zu "nich" und "ist" zu "is" wird - und ich bezweifle, dass dies absichtlich zur Figurenzeichnung vorgenommen wurde. Wie so oft hat man das Gefühl, die Stimmen (z. B. Brunhild) schon tausendmal gehört zu haben, was wohl auch zutrifft. Besonders nervige Stimmen haben Giselher und Kriemhild verpasst bekommen. Ich weiß nicht, ob Benno Fürmann sich selbst synchronisiert hat, dabei ist jedenfalls auch alles andere als ein Meisterstück herausgekommen.
Auch nach diesem Versuch, dem übermächtigen Stoff der Nibelungensage Herr zu werden, bleibt Fritz Langs zweiteiliger Stummfilm von 1924 völlig unangefochten die einzig ernstzunehmende filmische Umsetzung des Mythos.