Harry Potter begeistert Millionen Bücherwürmer auf der ganzen Welt. Seine Geschichten stehen für Fantasie, Abenteuer und eine große Portion Grusel. Jedes seiner Bücher, wird von den Fans begeistert verschlungen. Nun, mittlerweile bei Buch fünf und Film drei angekommen, dürstet es aber, vor allen den Amerikanern, doch langsam mal nach Abwechslung. Denn so schön und interessant Harrys Abenteuer auch sein mögen, es wird langsam mal Zeit für neue Helden. Daniel Handler, der sich als Geschichtenerzähler Lemony Snicket selbst in seine Bücher schrieb, erschuf schon 1999, mit den Geschichten um die Baudelaire-Waisenkindern und ihrem gar grauenhaften Onkel "Graf Olaf", ebenfalls eine gruselige, mysteriöse und abenteuerliche Welt, die den zauberhaften Ereignissen eines HP-Romans in absolut nichts nachstehen. Und prompt wurde Harry von der Spitzenposition der US-Bestseller-Charts verdrängt, und eine neue, auf insgesamt 13 Bände ausgelegte, Kinderbuchserie war geboren. Logisch, dass auch dieser Geldmagnet verfilmt werden musste. Und mit Jim Carrey in der Hauptrolle kann eigentlich auch nichts schief gehen. Und fürwahr "Lemony Snicket - Rätselhafte Ereignisse" ist ein prachtvolles, wenn auch höllisch gruseliges Familienfilm-Erlebnis.
Und dabei könnte man in den ersten Sekunden fast meinen, man sei im falschen Film. Denn nach dem Vorspann hüpft plötzlich erst einmal ein Knetgummi-animierter Elf durchs Bild und eine gar scheußliche Musik spielt im Hintergrund. Doch alles nur Fassade! Nach gut 60 Sekunden wird es plötzlich grau und eine Stimme erklärt uns, dass es sich hierbei nicht um einen niedlichen Film mit einem Elf handelt, sondern um ein gruseliges, mysteriöses und u.a. mit menschenfressenden Blutegeln versetztes Stück Schauerkino handelt. Und wer keine Lust auf so etwas hat, findet bestimmt noch in einem anderen Kino Platz! Eine geschickte Umsetzung der ersten Zeilen eines jeden Lemony Slicket-Romans, in dem man auch aufgefordert wird, auf keinen Fall weiter zu lesen, wenn man mit gar schauderhaften Ereignissen nichts anfangen kann.
Danach geht es prompt weiter mit der Vorstellung der Baudelaire-Kindern und ihrem traurigen Eingangs-Ereignis: Dem abgebrannten Haus und den zu Tode gekommenen Eltern. Und das sind nur die ersten Schauerlichkeiten, die dieser Film zu bieten hat. Denn es steckt wirklich massenhaft Erschauderndes hier drin. Die Kinder kommen zu ihrem bösen Onkel, dem gar grauenerregenden Grafen Olaf. Graf Olaf dürfte wohl das Böseste und Skurrilste sein, was es je in einem Kinderbuch zu erblicken gab. Graf Olaf will die Kinder nämlich um jeden Preis in den Tod führen, da er meint, so an die Erbschaft der Kinder zu gelangen. Deshalb setzt er sie u.a. vor einem herzbrausenden Zug ab, überlässt sie in einem verfallen Haus ihrem Schicksal und schreckt sogar nicht davor zurück, die gerade einmal 14-jährige Violet heiraten zu wollen, als er erfährt, dass nur ein ehelicher Partner an das Geld der Baudelaires kommt, wenn sie sterben sollten. So etwas Fieses, so etwas Gemeines, ja so etwas herrlich Durchgeknalltes gab es wirklich noch nie.
Aber auch die drei wunderbaren und cleveren Baudelaire-Waisenkindern, die ihrem Onkel nicht nur einmal die Stirn bieten, dürfen nicht vergessen werden. Egal ob es nun Bücherwurm Klaus ist, der durch sein angehäuftes Wissen ihnen so einige Male aus der Patsche hilft. Oder Erfindergeist Violet, die durch ihre cleveren Einfälle, dem Tod nicht nur einmal von der Schippe springt. Und natürlich die 3-Jährige Sunny, clever und unheimlich witzig in ihren Gedankengängen, genießt sie es, dass Baby in der Familie zu sein, ohne zu vergessen, welchen Beitrag sie zum Gelingen der angestrebten Flucht beitragen kann. Ein herrliches Trio und wirklich absolute Traumkinder, die sich wohl alle Eltern gern wünschen würden.
Wenn man die Figuren erst einmal kennen und lieben gelernt hat (ja, auch Graf Olaf), dann kann man sich um so mehr über die gebotenen, teils wirklich höchst skurrilen Ereignisse von "Lemony Snicket" freuen. Doch sei auch gesagt, dass die Ereignisse meist nicht nur skurril, sondern auch höllisch gruselig sind. Obwohl der Film ab 6 Jahren freigegeben ist, rate ich dringend, sich den Streifen nur mit Kindern die mindestens 10 Jahre oder älter sind, anzuschauen. Da gibt es z. Bsp. riesige Schlangen oder menschenfressende Blutegel. Dann noch grauenerregende Gebäude, die in sich zusammenfallen und die Kinder fast unter sich vergraben und 3-jährige Mädchen, die über einem Abgrund baumeln. Nein, dass ist wahrlich nichts für kleine Kinder!
Aber es gibt nicht nur Gruseliges zu entdecken, auch mit Mysteriösem und Rätselhaftem wird nicht gespart. Warum ist das Haus abgebrannt?, Was hat es mit dem goldenen Fernrohr zu tun? Was hat der Zettel mit dem merkwürdigen Auge zu bedeuten? Diese und viele andere Fragen wirft der Film nacheinander auf und beantwortet sie nur spärlich. Unterschiedliche Spuren führen uns auf irreführendene Wege und bis zum Schluss darf emsig mitgerätselt werden. Zwar wird einem das ganze Geschehen nach und nach immer klarer, doch für genügend Rate- und Interpretationsspaß ist auch nach dem Abspann noch gesorgt.
Doch was wäre solch eine fantasiereiche Geschichte in einem Film wert, wenn sie nicht ordentlich inszeniert worden wäre? So gut wie gar nichts! Und somit hat sich Regisseur Brad Silberling bemüht, die geheimnisvolle und schauderhafte Welt seiner rätselhaften Ereignisse auch entsprechend umzusetzen. Und das ist ihm auch gelungen. Sowohl die Kulissen als auch die Kostüme sind wirklich fantastisch und unglaublich fantasiereich ausgefallen. Man wird unweigerlich an Filme "Sleepy Hollow" erinnert. Was auch kein Wunder ist, sitzen doch, in Form von Kameramann Emmanuel Lubezki und Ausstatter Rick Heinrichs, zumindest teilweise die selben Macher an der Gestaltung, dieser wundervollen und fantasiereichen Welt. Dazu gibt es bizarre Special Effekts aus den ILM-Studios und ein gar grandioser Score-Soundtrack von Thomas Newman, der auch schon das herrliche Titel-Theme zum Serien-Highlight "Six Feet Under" beisteuerte. Alles zusammengemixt, ergibt eine herrlich kühle und zum Zähneklappern gute und knisternde Atmosphäre, wie man sie selbst bei Harry Potter nur selten zu Spüren bekam. Lemony Snicket-Fans dürften begeistert sein.
Wer jetzt jedoch glaubt es könnte nicht noch besser werden, der irrt. Denn das eigentliche Highlight kommt erst noch. Zur wunderbaren Inszenierung, gesellt sich nämlich noch ein absolut brillanter Hauptdarsteller: Jim Carrey! Glaubte man schon, dass er sich nach seiner Performance in "Vergiss mein Nicht!" nicht mehr steigern könnte, so wird man hier eines Besseren belehrt, wenn auch natürlich auf völlig anderem Niveau. Grimassenschneider Carrry, füllt die Rolle des fiesen Grafen mit solch einer Bravour aus, die kaum beschreibbar ist. Noch nie hat man ihn so derartig fies erleben dürfen, wie hier. Dagegen wirkte er in Kabel-Guy nur wie ein böser Junge. Was er den Kindern gegenüber für herrliche Gemeinheiten im Petto hat, sprengt fast den Rahmen der Bösartigkeit. Dazu sein üblich geniales Grimassen-Schauspiel, und seine herrliche Kunst, selbst bei der boshaftesten Bösartigkeit noch irre Komisch zu wirken. Ohne ihn hätte der Film zwar sicherlich auch funktioniert, doch er wäre einfach nicht das Selbe geworden!
Dazu dann noch die talentierten Kinderdarsteller, die wirklich eine erstaunliche Performance ablegen! Liam Aiken und Emily Browning sind wirklich zwei talentierte Gören, aus denen noch einiges werden kann. Und das Zwillingspaar Kara und Shelby Hoffman, beide als Sunny Baudelaire, gewinnen die Herzen der Zuschauer vor allem durch ihre Niedlichkeit und durch ihr untertiteltes Gebrabble. Dazu dann noch Meryl Streep als schissige Tante Josefine und Timothy Spall als Testamentsvollstrecker Poe. Alle, ja wirklich alle machen ihre Sache verdammt gut, selbst Dustin Hoffman in seinem Mini-Cameo als Theater-Kritiker. Wirklich Fabelhaft!
Für eine Höchstnote reicht es aber dennoch nicht. Denn so wunderbar das Ganze eigentlich auch in allen Punkten ist, so sind einige Längen leider nicht ganz zu übersehen, vor allem in den Szenen ohne Carrey. Zwar können die Kinder auch diese Szenen eigentlich wunderbar tragen. Doch das Tempo, welches vor allem durch Carrey in den Film gebracht wird, ist in den Szenen ohne ihn, einfach irgendwie verschwunden. Vor allem beim Anfang der Szene mit Onkel Monty, scheint das Geschehen fast still zu stehen. Aber nun gut. Vielleicht werden ja gerade dadurch die Carrey-Szenen zu dem was sie eben sind!
Fazit: Fantasiereiches, witziges und unheimlich gruseliges Fantasy-Spektakel, um eine der wohl grausigsten Kinderbuch-Figuren aller Zeiten. Prachtvoll und auf höchstem Niveau inszeniert, mit einem grandiosen Haupt- und vielen anderen talentierten, großen und kleinen, Nebendarstellern besetzt, wird aus dem Streifen eine absolut wunderbare Alternative zu Harry Potter, wenn auch nicht ganz auf dessen hohem Niveau. Alle Freunde von fantasiereichen Kindergruslern und sowohl Sleepy Hollow- als auch Jim Carrey-Fans, dürfen sich diesen Streifen jedenfalls nicht entgehen lassen.
Möge Graf Olaf die Kiddies noch lange so blendend tyrannisieren, wie hier!;)
Wertung: 8,5/10 Punkte
P.S. Übrigens sollte man sich auch auf keinen Fall den Abspann entgehen lassen. Er gehört zum fantasiereichsten, was es je unter ihnen zu sehen gab!