Es sind nun wahrlich keine betrüblichen Ereignisse, von denen ich euch heute berichten möchte. Viel mehr sind es Ereignisse, die von ihrer puren Seltenheit getragen werden, hin zu einem wahrlich schaurig schönen Erlebnis. Falls ihr euch jetzt fragt, was das alles soll, so lasst mich euch von einem Film berichten, den sicherlich auch die klitzekleinste Elfe der Welt lieben würde - wenn ihr nicht jemand den Kopf abgebissen hätte, um damit das Leben von drei Menschen zu retten
Alles beginnt mit einem Brand, der drei Kinder (Violet, 14 Jahre alt und Erfinderin; Klaus 12 Jahre alt und ungemein belesen und Sonny, noch keine 4 Jahre alt und mit 4 kräftigen Zähnen ausgestattet, die sie mit Vorliebe in alles beißt was ihr in den Weg kommt) zu Waisen macht, zu sehr reichen Waisen. Und wie es nun mal so ist, wenn drei Kinder alleine aus sich gestellt sind, es nimmt sich ihrer jemand an. Dieser jemand ist ihr, ihnen unbekannter Onkel, Graf Olaf (genial: Jim Carrey), der in einem runtergekommenen Haus lebt und dort von seiner Karriere als Schauspieler träumt. Natürlich freut er sich über die Kinder, bzw. die beiden Kinder und den Affen (Sonny) den sie dabei haben. Größer noch als sein Wunsch nach einer Familie, ist sein Wunsch möglichst schnell an das Geld der Waisen zu kommen und so sind die Kinder ihres Lebens nicht mehr sicher. Gleichwohl wie es auch den anderen Verwandten ergeht, die sie im Laufe ihres Abenteuers besuchen werden. Wie etwa den Schlangenforscher Onkel Marty, der auf einmal Besuch von einem neuen Assistenten erhält, der verdächtig nach Graf Olaf aussieht, oder aber ihre Tante (Meryl Streep), die nicht nur panische Angst vor Maklern hat, sondern auch noch die unerfreuliche Bekanntschaft eines seltsamen Seebären macht, bevor sie den gefährlichen Schluchzer-See-Saugern zu nahe kommt.
Wie gesagt, gar betrüblich sind die Ereignisse, die sich dieser Film zum Mittelpunkt nimmt und doch erkennen auch die Kinder, dass in allem betrüblichen nur ein Anfang von etwas erfreulichem liegt. Drei Bücher von Lemony Snicket sind es die hier genommen wurden um sie zu einem Film zusammenzufügen. Sind die Bücher bei uns auch nahezu unbekannt, erfreuen sie sich in Amerika enormer Beliebtheit. Sie verbinden morbiden Charme, mit schwarzem Humor, Fantasy und Jugendroman. So verwundert es auch kaum, dass der Film letztlich aussieht als ob Tim Burton seine Finger im Spiel hatte. Hatte er zwar nicht, aber wer sich auf eine Mischung aus „Nightmare before Christmas“- Humor, Sleepy Hollow-Optik und märchenhaftem Charakter im Stile von „Edward mit den Scherenhänden“ einlassen kann, der wird hier sicherlich seine Freude haben.
Produziert von Barry Sonnenfeld gelingt Regisseur Silberling ein Film, der gekonnt den Mittelweg zwischen pechschwarzem Humor und Hochhaltung der Familienwerte beschreitet und dabei nie auch nur ein Stück vom Weg abweicht. Begleitet von der Stimme des Erzählers, wird der Zuschauer in eine Welt entführt, die vor Skurrilitäten nur so wimmelt. Gemeinsam mit den Kinder begibt sich der Zuschauer auf eine Reise in ein Universum, das dem unseren nicht fremd ist, aber doch zur schaurig schönen Comichaftigkeit neigt. Die Farben sind in schwarz und braun Tönen gehalten, die Optik ist eine Mischung aus perfekten CGI Effekten und tollen Kulissen und Sets. Es fällt schwer hier Highlights auszuwählen, alles wirkt grandios düster und trostlos und ist doch ungemein Fantasievoll gestaltet. Egal ob das Haus auf den Stelzen, die Graue Grotte, der total unwirklich wirkende Bahnübergang, an dem die kleine Elfe ihren Kopf verliert, oder das Theater, in dem sich das Finale abspielt.
Der Einfallsreichtum der literarischen Vorlagen ist nahezu unermesslich und wurde nahezu perfekt in die Filmwelt übertragen. Allein schon der Beginn, ist ein grandioses Highlight und gibt den Weg des Films für die folgenden 100 Minuten vor. Bis ins kleinste Detail liebevoll ausgestattet und voller Ideen zeigt Silberling, wie man erfolgreiche Jugendliteratur auch abseits von Harry Potter großartig adaptiert. Untermalt von einem herrlich schrägen Score entstehen so Bilder und Situationen die man, wenn man nur ein bisschen einen Sinn für das morbide hat, lieben wird. Als einer der wenigen Kritikpunkte ist einzig das wenig abwechslungsreiche Vorranschreiten der Handlung zu nennen. Die Kinder kommen zu einem neuen Vormund, Olaf taucht auf, keiner glaubt den Kindern, der Vormund stirbt, auf zum nächsten Vormund. Wobei ich aber auch klar sagen muss, das ist innerhalb der Handlung nicht weiter schlimm und fällt wenn, dann erst im Nachhinein negativ auf, wenn man den Film noch mal Revue passieren lässt.
Wer eine reine Komödie mit vielen Brüllern erwartet, wird hingegen sichtlich enttäuscht aus dem Kino gehen. Oh, es gibt wahrlich genug zu lachen, aber so manch Teenie-Fäkal-Komödien Fan dürfte hier an die Grenzen stoßen. Der Humor ist zumeist eher fein, kommt manchmal erst leise angeschlichen und trifft dann umso besser. Natürlich ist das hier letztlich eindeutig die Jim Carrey Show, aber auch wenn er hier wieder viel Gelegenheit hat, sich in unterschiedlichsten Kostümen und mit viel übertriebenem Grimassenschneiden zu präsentieren, so ist der Film und auch die Leistung meilenweit über den Carrey-„Klassikern“ „Die Maske“ oder den „Ace Ventura“ Filmen anzusiedeln. Carrey ist der Mittelpunkt des Films, auch wenn er nicht die Hauptfigur ist, seine Performance alleine schon macht diesen Film sehenswert. Selten hat man einen Schauspieler in einem Film in so unterschiedlichen Rollen gesehen und selten hat er in allen Rollen so brilliert. Wenn man jetzt noch diese Vorstellung hier mit der aus dem ebenfalls 2004 entstandenen „Eternal sunshine of the spottless mind“ zusammen betrachtet, kommt man unweigerlich zu dem Schluss, das Carrey wohl einer der komplettesten Schauspieler derzeit ist.
Ebenfalls mit viel Mut zu skurrilen Auftritten präsentieren sich Meryl Streep, Dustin Hoffman, Billy Connolly
Ein großes Lob auch an die drei (eigentlich ja vier) Darsteller der Kinder. Emily Browning als Violet hat sicher die größte Rolle und dominiert die Szenen auch ganz klar. Mit ihrem zurückhaltenden Spiel und einem Aussehen, das einen unweigerlich an Angelina Jolie denken lässt, ist sie sicher die Entdeckung des Films.
So ist dieser Film alles andere als ein betrübliches Ereignis. Viel mehr ist er ein erstes Highlight in diesem noch jungen Kinojahr und eine wundervolle Abwechslung zum sonstigen Komödieneinheitsbrei. Bliebt zu hoffen, dass sich die Bücher auch endlich in Deutschland einer größeren Beliebtheit erfreuen werden und es hoffentlich bald eine Fortsetzung zu diesem Film geben wird. Ich werde sie mir jedenfalls mit Freude wieder an sehen. 8 von 10 Punkten.