Britischer TV - Film als Bestandteil einer durchaus geschätzten, seit 1984 laufenden BBC Fernsehserie, in der Joan Hickson, die im Übrigen auch in einer Nebenrolle in der Erstverfilmung Murder She Said (1961) auftrat, die damals und durch Margaret Rutherford auf ewig in das Gedächtnis gebrannte Rolle der Miss Marple und so die schwierige Ablösung übernahm. Aufgrund einer durchaus das Buch akzeptierenden und dennoch eigenständigen Variante in ruhiger, angenehm unauffälliger und trotzdem prägnanter Manier kann auch der Neuverfilmung gerade im Angesicht des jeweiligen Originals die Anerkennung dargebracht werden. Die statische Arbeit vom mehr als dezenten Routinier Martyn Friend, eine attraktive Ausgangslage und gediegenes Schauspiel machen das Werk zu seinem kleinen eigenen privaten Vergnügen:
Während einer Zugfahrt beobachtet Mrs. Elspeth McGillicuddy [ Mona Bruce ], wie in einem in gleicher Richtung überholenden Zug eine Frau ermordet wird. Da ihr die Polizei nicht, aber dafür ihre beste Freundin Miss Jane Marple [ Joan Hickson ] wenigstens glaubt, wird in dessen Auftrag die Hauswirtschafterin Lucy Eyelesbarrow [ Jill Meager ] für die Recherche an und im Anwesen der Crackenthorpes, dem ihrer Meinung nach einzig möglichen und bald auch tatsächlichen Fundort der Leiche engagiert. Während Lucy sich zumeist um den Hausherrn, den Hypochonder Luther [ Maurice Denham ] kümmern soll, machen auch dessen Söhne Alfred [ Robert East ], Harold [ Bernard Brown ] und Cedric [ John Hallam ] unangenehme Scherereien und stellen sich zudem als potentielle Täter dar. Unterstützung und Ablenkung versprechen die einzige Frau des Hauses, Tochter Emma [ Joanna David ], der in sie verliebte Familienarzt Dr. David Quimper [ Andrew Burt ] sowie der Schwager Bryan Eastley [ David Beames ], welcher allerdings auch kein Alibi und einige merkwürdige Geheimnisse aufweist. Als die Angelegenheit zu brenzlig wird, wird die Polizei und speziell Detective Inspector Slack [ David Horovitch ] in die Sache eingeweiht.
(...)"Ich muss gestehen, es war ein außerordentlich schlau geplantes Verbrechen. Es muss sehr sorgfältig vorbereitet gewesen sein. Ein Zug hat etwas Anonymes an sich. Hätte er die Frau getötet, wo sie wohnte oder sich aufhielt, dann hätte Jemand ihn sehen können, als er kam oder ging. Hätte er sie irgendwohin aufs Land hinausgefahren, dann hätte jemand die Nummer und den Typ des Wagens sehen können. Ein Zug aber ist voll von Fremden, die kommen und gehen. In einem Wagen ohne Gang, allein mit ihr, war die Sache ganz einfach.(...)"
Trotzdessen die Zeit hier abgeschottet, die Umgebung erstmal sowieso verlassen von äußeren Einflüssen und der Hauptschauplatz mit Rutherford Hall und dort zumeist gar speziell die Küche auf bescheidene Weise angenehm eingeschränkt scheint, hat die Inszenierung in Details einige lokalpolitische Meriten vorzuweisen. Am Rande wohlgemerkt, und so gleichzeitig gehaltvoll und diskret werden Ära und Veränderungen durchaus im Einfluss auf Land und Leute erwähnt und so zu einer eigenen Rolle erhöht. Nicht nur, dass die Nachrichten von der Erreichung der Erdumlaufbahn durch Sputnik 1 zu Beginn gleich mehrmals in Zeitungen direkt hervorgehoben und mit "Russians in Space" proklamiert wird, und dieser technisierte Höhepunkt des Kalten Krieges vor der Haustür ebenso wie die Nachwirkung noch des Zweiten Weltkrieges hier immer wieder herangezogen wird. Auch persönlich sind sich Vergangenheit und bevorstehende Zukunft selbst in diesem scheinbar ruhigen Fleckchen Erde immer zugegen und immer Feind.
Ob nun bestandhabende Testamente, ein alter Mumienschanz versteckt in der Scheune, die Fehden innerhalb der Familie, mögliche potentielle Erben, die Trauer über den auf dem Schlachtfeld verlorenen Bruder usw., stetig wird trotz überaus beschaulicher, natursatter Lage nie die Einkehr in den Frieden, sondern das mühsame Aufrechterhalten der letzten Kraft vor dem Ende beschworen. Dabei hat, gerade im Angesicht der nicht nur dort furchtbar theatralischen nächsten Bearbeitung Marple: What Mrs. McGillicuddy Saw a.k.a. Agatha Christie Marple: 4.50 from Paddington (2004) hier auch das Porträt von Land und Leute mit deutlichen Längen die Nase vorn, ist die Familie und ihr Zwist gar überaus normal, tatsächlich glaubhaft und mit absolut gewöhnlichen und nicht Misstönen formuliert, besetzt und gespielt.
Veränderungen gegenüber den gedruckten Buchstaben sind verhältnismäßig klein und dienen oft der Erläuterung, auch wenn dies Kennern des Romanes dann fast zuviel des Guten und bis hin zu eindeutig ausschweifend erscheint. Die Handlung wird ansonsten geschickt, wenigstens bis auf Ausnahmen ratifiziert und im Vergleich zum Text fast auch gängiger modifiziert, bis hin zu herkömmlichen Abschweifungen in Charakterisierung und Verhalten der möglichen Verdächtigen und ihrer Beobachter. Selbst die Polizei erhält hier, da die vermeintliche Haupt- und Titelfigur Miss Marple ja anders als in der Erstverfilmung nun mal nicht bis kaum am Tatort, sondern nur als Kommentar im Hintergrund anwesend ist, mehr Spielraum und Platz für Effekt; gastiert ihr Hauptquartier quasi als Besatzung inmitten auf dem Gelände, nur etwas abseits am Fundort gelegen.
Natürlich bleibt dies insgesamt gemächliche Kost, trotz eines Ausfluges in die altägyptisch anmutende Grabkammer, indem dann auch der Leichnam gefunden wird, mehrerer taktisch versteckter Rost-Fallen im anliegenden Waldgrundstück, der unter der spröden Fassade knisternden Dreiecksbeziehung und einem Aktionsfinale gehen die Ermittlungen und die Auflösung den sorgfältig im Dialog und Schritttempo daherkommenden Gang. Eine Aufführung wie sein Set, daß "merkwürdig isoliert liegt, gewissermaßen wie eine Insel, die von den Eisenbahnlinien begrenzt wird", grau in grau, gewohnt und gebraucht, nicht wirklich gehegt und gepflegt, aber mal mit viel Liebe angelegt. Jetzt etwas knarrend und steif im Gebälk, mit leicht gesplitterter, abgeplatzt verblasster Farbe, wenn auch dem heimelig familiären Gemüt.