Review

Zweitverfilmung von „A Murder is announced“ nach Agatha Christie, als Bestandteil der ersten Staffel der in den Achtzigern des vergangenen Jahrhunderts im Auftrag der BBC produzierten und allgemein wertgeschätzten Miss Marple - Serie, in der nach und nach die bekannteren Titel einer detailgetreuen Wiedergabe unterzogen wurden. Die vorliegende Bearbeitung verhält sich im direkten Vergleich zu der zwei Dekaden später unterzogenen Inszenierung der ITV auch wesentlicher in das Milieu des englischen Dorfes inmitten der Provinz und deren Figuren gehend, wesentlicher in die Kleinigkeiten vertieft, quasi wie eine überzeugende Übersetzung (vornehmlich dem Fischer Verlag) zu einer mäßigen und nur an den Fakten interessierten (siehe die Variante aus dem Scherz Verlag). Die Unterschiede sind dabei enorm, wird an Beschreibungen gespart, ebenso wie an der Aufnahme der Stimmung, die die Provinz hier kurz nach dem Zweiten Weltkrieg und noch an Erinnerungen zehrend, aber auch teils schon von der neuen Generation als unwichtig abgetan ergibt. Die Geschichte bleibt dieselbe, hier aber mit allen Charakteren und nicht ratifizierten und auch keinen Veränderungen in der Herkunft und der Existenz:

Als in der lokalen Wochenzeitung eine seltsame Annonce erscheint, die mit festem Termin einen Mord ankündigt, halten dies alle für einen Scherz der unfreiwilligen Gastgeberin Miss Letitia Blacklock [ Ursula Howells ]. Tatsächlich wird sie an dem Abend allerdings richtig verletzt, und liegt die Leiche des Schützen auch prompt im Flur, was den ermittelnden DI Craddock [ John Castle ] in seiner Rätselhaftigkeit recht verwundert, die zufällig zu einer Kur anwesende Miss Jane Marple [ Joan Hickson ] aber nicht.

Mit einer Stunde mehr Laufzeit gegenüber der späteren Konkurrenz ist der Rhythmus natürlich ein gänzlich anderer, werden die Marotten der Figuren, ihre Monologe und Dialoge und Beziehungen zueinander tatsächlich auch beachtet und ausgespielt; was teils selbst das Nebengeschehen in diesem Mikrokosmos an einem freien Tag vorübergehend zum Mittelpunkt macht und für Wert hält, bebildert zu werden. Im Grunde funktionieren beide Filme, wird auch ein jeweils anderer knapper Aufhänger – dort die Hintergrundgeschichte um einen verstorbenen Finanzmagnaten und dessen bald wieder in der Umverteilung befindliches Millionenerbe, und hier der vermeintliche Täter des Überfalles – gewählt und erst dann mit dem Austragen der Zeitung und der Bekanntmachung der Annonce begonnen. Der Rest spiegelt sich im Grunde, abgesehen von den Änderungen in den Personen, die hier nicht, aber dort umso mehr stattfinden wieder, wobei in beiden der Nachteil tatsächlich in dem elaborierten Schema des literarischen Originals selber liegt.

Eine voll beschriebene Schiefertafel des Inspektors inmitten seiner Ermittlungen gibt das Dilemma wieder; ein Gutteil der Konstellation ist nicht der, den man vorgibt zu sein oder wird zumindest einer anderen Identität verdächtigt, was zusätzlich deswegen noch komplizierter wird, da die Erinnerungen und Gegenstände, die dabei helfen könnten, längst ausgelöscht sind. Der Krieg hat nicht nur die Gebäude vernichtet und Menschenopfer gefordert, sondern auch den Überlebenden jeweils Familie, Freunde, Bekanntschaften oder auch den letzten Trost daran, die Stücke der vergangenen Zeit genommen. In der Moderne jetzt ist das nur noch für die von Wert, die das Damals erlebt haben, der jüngeren, der nachwachsenden Bevölkerung ist es im Grunde ein Pfifferling wert oder wird gar zum Vorteil des eigenen Versteckspiels genutzt.

Ein wichtiger Aspekt des Geschehens, dass nicht nur das gewisse trübe Klima wiedergibt, sondern das verzwickte, man könnte auch sagen überkomplizierte bis hanebüchene Schema des Krimiplots ermöglicht. Auch den Charakteren wird so das Leben eingehaucht, hier mit ausnehmend unschönen Darstellern in der Nebenriege und in teils recht furchtbar anzuschauender Kleidung, viel steifen Blusen, unförmigen Hosen, Pullundern und Krawatten, in vergilbter Ambiance getragen besetzt. Immerhin bleibt man dabei britisch trocken, macht nicht aus der lieben Not oder Langeweile heraus ein Lesbenpaar oder ein Trinker aus den schon etwas gediegenen Gestalten, die ein "nettes Ensemble" ergeben und sich neben Stricken, Teetrinken, Zeitungslesen nur des "Herumlungerns in verbrecherischer Absicht" Gesellschaft leisten.

Sowieso ist die Dramaturgie auch recht heimelige Antiquität, selber am besten Nachmittags um 17 Uhr zum Tee und der Flucht vor dem Regen draußen zu genießen, raschelt hier noch das Drehbuch und wird man so richtig in ein traditionelles Hinterland mit noch der englischen Flagge im Vorgarten, und wo sich der Rolls langsam um die Ecke schiebt, versetzt. Die Sein & Schein - Recherche, die die echten Ungereimtheiten von den falschen trennen sollen, übernimmt im Übrigen mehr der Inspektor und sein Adjutant als die Titelfigur selber, die auch nur auf Einladung und Neugier vor Ort ist, nur in Begleitung und Außenstehender und so nicht zum Innenkreis dazugehört.

[Das im Rahmen der Anthologiereihe Goodyear Television Playhouse 1956 ausgestrahlte Fernsehspiel "A Murder Is Announced" mit Gracie Fields als Miss Jane Marple und einer weiteren Besetzung mit u.a. Roger Moore und Jessica Tandy galt erst als verschollen, wurde zwar 2015 wiederentdeckt, aber bis dato nicht kommerziell veröffentlicht. Eine vierte Bearbeitung erfolgte ebenfalls 2015 als "Murder Party" innerhalb der französisch-schweizerischen Serie Agatha Christie: Kleine Morde/Mörderische Spiele.)

Details
Ähnliche Filme