Der Brett Ratner ist ein unkomplizierter Kerl. Halt so unkompliziert wie ein Brett: stringent, weitgehend überraschungsfrei, beinahe schon hölzern, dann aber wiederum seinen Zweck erfüllend, natürlich, eine wohlige Atmosphäre schaffend, auf alte Werte bauend, und vor allem vielseitig einsetzbar. Um derart konsequent zuerst zwei Blockbuster-Komödien (“Rush Hour 1 & 2") zu drehen und dann einen Horror-Thriller (“Roter Drache”), da bedarf es schon einer gewissen Unvoreingenommenheit gegenüber den unterschiedlichen Genres. Und die bringt Ratner mit. Hol mich der Teufel, der Kerl ist weiß Gott kein Genie, aber er weiß sich anzupassen. Das weiß er, mit Verlaub, besser als ein Quentin Tarantino, als ein David Lynch, ein Hitchcock oder wie all die schillernden Figuren spezieller Genres heißen mögen.
Diesmal hat er sich das Heist-Movie vorgeknöpft. Als Komödie ist das für den Allrounder kein neues Gebiet mehr, thematisch erweitert er aber einmal mehr seinen Erfahrungsschatz, und er tut es mit viel Stil und Charme. “After the Sunset” ist gemäß seinem Titel ein Wonnefilm geworden, ein Feel-Good-Movie der ganz besonders kuscheligen Art.
Was macht ihn so kuschelig? Eindeutig die beiden männlichen Hauptdarsteller: Pierce Brosnan und Woody Harrelson. Meine Güte, zwischen den beiden funkt es ganz gewaltig, und ich als alter Woody-Fan werde wieder schmerzlich daran erinnert, dass der Junge viel zu selten größere Rollen abbekommt. Gerade nach diesem Film muss ich ganz klar betonen: Gebt dem Woody eine Chance. Verdient hätte er sie.
Aber wieso soll die Chemie zwischen zwei Männern funken? Schließlich haben wir noch Salma Hayek an Bord, die streckenweise peperonischarf durchs Bild stolziert und sich in Postkarten-Posen wirft. Außerdem ergänzt die fast genauso schnuckelige Naomie Harris das Quartett. Leider aber ist das im Gesamtbild die Kehrseite der Medaille, dazu aber später mehr.
Ratner wähnt sich jedenfalls in der äußerst glücklichen Lage, auf vier prinzipiell für den Plot sehr gut passende Darsteller zurückgreifen zu können, plus Don Cheadle, der souverän wie immer seine Nebenrolle abspult. Erfreulich ist zunächst die Tatsache, dass keineswegs Brosnans Lebemann-Image parodiert wird, wie man es nach “James Bond” und “Die Thomas Crown Affäre” ganz klar erwartet hätte. “After the Sunset” ist weder eine Heistfilm- noch eine Brosnan-Parodie, und das ist gut, denn es nimmt dem Film den Druck, etwas aussagen zu müssen. Und ausgesagt werden muss hier gar nix, außer: “Aloha!”
Was dem Regisseur gelingt, ist die Komprimierung der wichtigsten Elemente eines Gaunerfilms, die dann einfach mal ins Unermessliche gesteigert werden. Wovon wir hier reden, ist die Leichtfüßigkeit und der Charme des Gauners, seine Kavaliersdelikt-Aura, sein protziger Lebensstil, seine romantische Ader. Was dabei herausgekommen ist, sieht man am Setting: den Bahamas. Man könnte meinen, hier werde kein Diebstahl geplant, sondern ein Urlaub genossen. Fast exemplarisch dafür ist die Szene, in der FBI-Agent Stan (Harrelson) seinen Verdächtigen (Brosnan) auf sein Boot zum Angeln und Biertrinken einlädt, anstatt ihn in den Verhörraum zu führen. Lebensphilosophien werden über Schirmchendrinks definiert, mit Spionagewanzen werden lustige Spielchen getrieben. Sehr lange Zeit hält man sich damit zurück, den Plot voranzutreiben, was letztendlich nur der relaxten Atmosphäre zugute kommt. Der Zuschauer spürt überhaupt nicht das Verlangen, storymäßig weitergetrieben zu werden; er will viel lieber mit in den Urlaub.
Kommen wir an dieser Stelle nochmals auf die Schauspieler zurück. Vor allem ihnen ist es zu verdanken, dass sich die stehende Atmosphäre eine runde Stunde lang hält, bevor das plotverdrehte Ende durch den eigentlichen Diebstahl eingeleitet wird. Woody Harrelson scheint zunächst einmal gegen den Strich gecastet, so als Anzug tragender FBI-Agent, der kaum eine Miene verzieht. Sobald wir aber auf den Bahamas sind, wendet sich das Blatt und Woody lässt den Woodpecker heraus. Ob lallend und sabbernd an der Aloha-Bar oder um den hübschen Police Officer (bzw. Officerin) werbend wie ein Frettchen, Herr Harrelson ist in seinem Element. Vor allem aber komplementiert er die Männerfreund-feindschaft zu Juwelen-Max. Bedingt durch die etwas seltsame Ausgangslage (Max jagt den Edelstein, Stan jagt Max) entwickelt sich langsam das altbekannte, gegen alle Regeln verstoßende Freundschaftsverhältnis zwischen Jäger und Gejagtem. Die Idee ist nicht neu, aber die Darstellung ist einfach herzerfrischend. Das Gespann Brosnan/Harrelson ist so wunderbar unkonventionell, dass man es kaum erwarten kann, bis sie das nächste Mal aufeinandertreffen. Und das dauert immer ein bisschen, weil die Handlung gerade zu Beginn in gleichmäßiger Parallelmontage aufgeteilt ist, bis die beiden Konkurrenten im Laufe des Films immer weiter zusammenwachsen, bevor letztendlich jeder über Kreuz die schmollende Freundin des anderen davon überzeugt, dass ihr Freund doch eigentlich ein ganz netter Kerl ist. Ohne, dass man es merkt, weichen die Rivalitäten immer weiter der ausgelassenen Freude am Miteinander.
Scheinbar darunter zu leiden hatte aber wohl die Beziehung zwischen Pierce Brosnan und Salma Hayek. Diejenige zwischen Woody Harrelson und Naomie Harris ist sowieso eher zweitrangig und stört auch nicht so sehr, aber Hayek hatte mit Banderas in “Desperado” einfach besser harmoniert. Wie schon angedeutet, ist es keinesfalls so, dass Hayek mit Reizen geizt. Aber die erfolgen irgendwie autark, so ganz fern von ihrem Herzallerliebsten. Und das, wo der alte Brosnan doch so ein Schwerenöter ist, sein Brustpelz in der Sonne strahlt wie Biberfell und sein Lächeln so keck ist wie das eines Mannes, der einem Baby den Lolly wegnehmen könnte, ohne es zum Schreien zu bringen. Ersatzweise springt dafür aber Woody ein, der sich offenbar vom Charme des Ganoven einlullen lässt wie von einem eingeölten Bikinimäuschen. Das führt ein paar peinliche Situationen mit Schwulen-Flair mit sich. Auch das hat man schon gesehen, aber es zündet wie Brennholz.
Irgendwann muss die Story natürlich weitergehen, und das ist schade; aber wie sie es tut, hat große Klasse. Selbst beim Coup werden wir von Unterwasseraufnahmen mit Urlaubsflair umnebelt und von Palmen betört. Im Zuge der Auflösung der Harmonie kommt es zwar auch zu ein paar emotionalen Schwankungen, aber die sind verzeihlich. Wie man nun zum Plottwist steht, ist Ermessenssache; er passt jedenfalls gut in den Film, auch deswegen, weil das Geschehen so lange Zeit so belanglos vor sich hinplätscherte, dass der plötzliche Twist in seiner Wirkung besonders stark daherkommt, selbst wenn man nicht lange überlegen muss, um von selbst darauf zu kommen.
Dass man sich in 100 Jahren nicht mehr an dieses Spaßevent erinnern wird, dürfte klar sein. Manchem mag Ratners Urlaubsfilm auch zu rund und eckenlos sein, zu flutschig und zu wenig greifbar. Man kann das Fehlen eines Plots von der Dauer eines kompletten Films bemängeln, oder auch die überraschenderweise manchmal fehlende Chemie zwischen Brosnan und Hayek (zwei Heißblüter = einer zuviel?). Brosnan und Harrelson sind dafür aber ein Knallerpärchen, das Setting macht Lust auf mehr, der Ton ist locker und leicht, der Anspruch liegt bei Null.
8/10, weil man nur einmal lebt.