Dora, die Frau des Piloten Bruno, mit dem sie in zweiter Ehe verheiratet ist, zieht sich mit ihm und Marco, dem aus Doras erster Ehe stammenden Sohn, in das alte Haus ihrer Familie zurück. Dort hat vor Jahren ihr erster Gatte, ein Junkie, Selbstmord begangen. Plötzlich beginnt Marco, sich sehr merkwürdig zu benehmen. Er entwickelt regelrechte sexuelle Gelüste in bezug auf seine Mutter. Dora glaubt bald, daß der Geist ihres ersten Mannes sich in dem Jungen reinkarniert hat. Doch wer soll ihr Glauben schenken? Und warum sollte der Geist sich jetzt aus dem Jenseits melden?
Das ist er nun also, der letzte Kinofilm der Regisseur-Legende Mario Bava, in dem einem wohl zuallererst ins Auge fällt, das Bava hier nicht mit dem kräftigen Farbenspiel arbeitet, die man aus den meisten seiner Werke gewohnt ist. Meiner Meinung nach kommt das dem Film sogar zugute, denn so kann sich der schleichend aufkommende Horror in diesem doch eher ruhigen Vertreter des Gruselfilms erst so richtig entfalten und eine kaum für möglich gehaltene Intensität entwickeln, die man der hier erzählten Geschichte am Anfang gar nicht zutraut. Es wird sogar Leute geben, die "Shock" als eher langatmigen oder ereignislosen Horrorfilm ansehen, doch diese Einschätzung würde dem Werk keinesfalls gerecht werden.
Auch wenn man keine großartigen Effekte oder übermäßig harte Passagen erwarten sollte, so entwickelt das Geschehen mit der Zeit seine ganz eigene Dynamik und weist insbesondere einen geradezu excellenten dramaturgischen Spannungsaufbau vor, der allerdings erst mit zunehmender Laufzeit so richtig spürbar wird und zu Beginn anscheinend noch nicht einmal annähernd zu erkennen ist. Das ist in meinen Augen auch die ganz große Stärke des Films, bei dem man in den ersten Minuten das Gefühl bekommt, das er eine eher einschläfernde Wirkung auf den Zuschauer hat, was sich aber im Laufe des Geschehens als absoluter Trugschluss herausstellt. Denn nach und nach wird die Spannungsschraube kontinuirlich immer fester gezogen und es entwickelt sich eine extrem dichte und bedrohlich aufkommende Grundstimmung, die so einige kalte Schauer nach sich zieht, die einem den Rücken runterlaufen.
Gerade die Tatsache, das die Geschichte phasenweise den Eindruck eines sehr intensiven Kammerspiels vermittelt, da sich ein Großteil der Story lediglich mit 2 Personen (Mutter und Sohn) beschäftigt, rückt insbesondere das dargebotene Schauspiel in den Mittelpunkt des Szenarios. Und in dieser beziehung wird man wirklich nahezu verwöhnt, denn vor allen Dingen Daria Nicolodi überzeugt hier in ihrer Rolle als Mutter und verleiht der von ihr dargestellten Figur durch ihre Ausdrucksstärke und hervorragende Mimik einen sehr glaubwürdigen und authentischen Anstrich. Doch auch die Rolle ihres kleinen Sohnes Marco wurde mit David Colin Jr. ganz ausgezeichnet besetzt und in einigen Einstellungen muss man fast zwangsläufig an die Figur des jungen Damien Thorne aus den Omen-Filmen denken, was hauptsächlich auf die unheimliche Ausstrahlung des Jungen bezogen ist.
Und so ist es auch die sich ändernde Beziehung zwischen Mutter und Sohn, die den Löwenanteil der Geschichte einnimmt. In eindrucksvollen Bildern wird einem gerade die charakterliche Veränderung des Sohnes nähergebracht, die sowohl in verbaler Hinsicht als auch in von ihm ausgehenden Taten erstklassig in Szene gesetzt wurde. Ebenso brillant aber werden die Reaktionen der Mutter rübergebracht, die von anfänglichem Unverständnis bis hin zur blanken Panik reichen, die wie schon erwähnt, von Daria Nicolodi äusserst bemerkenswert dargestellt werden, so das vor allem das Schauspiel dieser beiden zentralen Figuren ein Grund dafür sind, das die Geschichte trotz nicht vorhandener Härte eine extrem intensive Wirkung auf den Zuschauer ausübt, derer man sich kaum entziehen kann. So wird aus einem zu Beginn anscheinend eher langatmigen und scheinbar belanglosen Film ein sehr intensiver und unheimlicher Gruselfilm der Extraklasse, der wohl nicht nur für Nostalgiker einen Blick wert sein dürfte.
Mario Bava hat hier noch einmal unter Beweis gestellt, das es nicht immer die spektakulären Dinge sein müssen, um einen Film wirken zu lassen, manchmal sind es die eher bescheidenen Mittel, die einen viel nachhaltigeren Eindruck beim Betrachter hinterlassen. Und genau dafür steht ein Film wie "Shock", der durch viel Spannung, eine unheimlich aufkommende Atmosphäre und ausgezeichnete Darsteller einen bleibenden Eindruck im Gedächtnis hinterlässt.
Fazit:
Hier hat man es nicht mit dem besten Werk von Bava zu tun, aber dieser eher ruhigere Vertreter des Genres entwickelt mit der Zeit eine nicht für möglich gehaltene Intensität, die nicht spurlos am Betrachter vorbeizieht und ihm einen spannenden und atmosphärischen Filmgenuss garantiert. Für Freunde des italienischen Horrorfilms führt jedenfalls kein Weg an diesem Werk vorbei, das zwar keine spektakulären Highlights beinhaltet, aber dennoch einen erstklassigen Genre-Vertreter darstellt, den man kennen sollte.
8/10