1978 brachte John Carpenter mit "Halloween" einen der berühmtesten und einflussreichsten Horrorfilme der Kinogeschichte heraus. Für ein vergleichsweise geringes Budget von 300.000 Dollar gedreht, spielte der Film nicht nur mehr als 20 Millionen ein, sondern legte den Grundstein für ein ganzes Subgenre des Horrorfilms - den Splatter-Streifen.
Hauptverantwortlich für den enormen Erfolg des Films dürfte die stringente Inszenierung Carpenters sein. Jede einzelne Szene hält den subtilen Spannungsbogen aufrecht, wodurch die an sich schlichte Handlung um einen irren Killer, der aus der Anstalt ausbricht und in sein Heimatstädtchen zurückkehrt, um dort fröhlich weiterzumorden, zu einer unentrinnbaren Albtraumintensität gelangt. Allein schon der ebenso preiswerte wie beängstigende Vorspann wird durch die geniale Musik zu einer Art Vorwarnung - diese Musik ist es auch, die sich durch den ganzen Film zieht und ihm sehr viel seiner Gruselwirkung verleiht.
Doch neben der Musik und der tief schockierenden Einleitungsszene tragen auch viele optische Raffinements dazu bei, den Horror in die Höhe zu schrauben: Wenn zum Beispiel durch die Vorhänge der offen stehenden Waschküchentür die Gestalt Michael Myers' schimmert oder wenn Laurie Straude (Jamie Lee Curtis, die durch diesen Film zu Berühmtheit gelangte) gerade die Leichen ihrer Freunde gefunden hat und entsetzt zurücktaumelt und in diesem Moment die weiße Maske des Mörders langsam aus der Dunkelheit des angrenzenden Zimmers auftaucht, dann gewinnt der Film eine albtraumhafte Intensität, die selbst heutige Horrorfans noch zu fesseln vermag.
Natürlich ist die ganze Figur des Michael Myers ein extrem wichtiger Faktor: Die Selbstverständlichkeit, mit der er jede seiner Handlungen ausführt, verleiht ihm geradezu etwas Übermenschliches, macht ihn zu einer Inkarnation des reinen Bösen. Geisterhaft schwebt er durch dunkle Gärten und Häuser, trägt in aller Seelenruhe die Leiche seines ersten Opfers durch den Vorgarten ins Haus und hat es nicht nötig, im ganzen Film mehr als ein Ächzen von sich zu geben. Manche Skeptiker mögen ihm ankreiden, dass er Großteile des Films nur herumsteht und gruselig aussehen will, aber gerade diese Ruhe versetzt ihn in eine unbezwingbare Machtposition - allzu deutlich wird dies bei Lauries Flucht aus dem Haus ihrer Freundin: Während sie wie wahnsinnig vor Angst an die verschlossene Tür des Hauses hämmert, in dem ihre Schützlinge auf sie warten, kommt Michael Myers auf der Straße hinter ihr im gelassenen Schritttempo immer näher. In diesem Zusammenhang spielt natürlich auch der Schluss eine entscheidende Rolle, wenn der scheinbar besiegte Mörder verschwindet und eine Reihe einzelner Bilder dunkler, verlassener Räume und Häuser das Letzte ist, was dem Zuschauer geboten wird. Die Offenhaltung der Möglichkeit einer Fortsetzung ist damit zwar unübersehbar, aber dennoch bildet dieser Ausgang eine weitere dramaturgisch wichtige Aussage: Der Film ist vorbei, doch der Zuschauer soll sich nicht in Sicherheit wiegen, denn irgendwo da draußen ist er noch - der schwarze Mann.
Doch als wäre dies alles noch nicht genug, besticht "Halloween" als Gesamtwerk auch noch als unterschwelliger sarkastischer Kommentar zur damaligen gesellschaftlichen Ordnung. In einer Zeit, in der die wohlsituierte weiße Bevölkerung massenhaft in Vororte umsiedelt und in den Innenstädten riesige, vorrangig von Schwarzen besiedelte Ghettos zurücklässt (in der also die Nachklänge des Rassismus immer noch stark zu spüren sind), schickt John Carpenter diesen Weißen, die sich vor der scheinbaren schwarzen Bedrohung flüchten, in eben ihre scheinbar so sicheren Vororte das namenlose Grauen - und nicht nur das: Das namenlose Grauen mit einer schneeweißen Maske.
Heute wird "Halloween" neben "Freitag, der 13." Als Auslöser der 80er-Jahre-US-Splatter-Welle angesehen. Ironischerweise zeichnet sich "Halloween" aber gerade durch seine relative Zurückhaltung in Sachen Gewalt aus - wichtiger ist hier der Spannungsaufbau, der wie bei nur wenigen Horrorfilmen der Geschichte geglückt ist. Mitunter wagt man es kaum zu atmen. Somit hat sich der Film einen Platz in der Kinohistorie redlich verdient. Und niemand, der sich als echter Horrorfan bezeichnet, kommt daran vorbei.