Exakt 15 Jahre, nachdem er seine Schwester ins Jenseits beförderte, bricht der geistesgestörte Michael Myers aus der Psychiatrie aus und kehrt in seinen Heimatort Haddonfield zurück, um weitere blutige Taten zu vollbringen...
John Carpenter schuf mit „Halloween - Die Nacht des Grauens“ einen echten Klassiker des Horrorgenres, der nach heutigen Maßstäben wahrscheinlich nicht mehr ganz die Wirkung erzielt, die er noch Ende der 70er entfachte, dennoch darf er mit Fug und Recht als der bisher beste Schlitzerfilm aller Zeiten bezeichnet werden. (Zumindest ich habe noch keinen anderen Film dieses Subgenres gesehen, der „Halloween“ das Wasser reichen könnte.)
Woran mag dies liegen? Nun, zuallererst sollte man als Fakt hinnehmen, dass „Halloween“ das Werk war, an das sich in der Folgezeit etliche (vor allem wenig professionelle) Filmemacher anlehnen sollten, d.h. nicht Carpenter hat sich gängiger Slasher-Klischees bedient, sondern die nachfolgenden Regisseure haben bei „Halloween“ geklaut; Carpenter hat sie sozusagen erfunden.
Rund 25 Jahre nach Michael Myers‘ erstem Auftritt kann sich der Zuschauer vor „Halloween“-Plagiaten (auch die „Freitag, der 13.“-Reihe gehört ja gewissermaßen dazu) kaum noch retten, und so geschieht es zwangsläufig, dass es wohl nur noch wenige Jugendliche geben dürfte, die von sich behaupten können, „Halloween“ wäre der erste Slasherfilm überhaupt gewesen, den sie in ihrem Leben gesehen haben. Daraus wiederum resultiert, dass viele diesem Werk aufgrund seines behäbigen Aufbaus wohl das Prädikat „Ziemlich Langweilig“ geben, denn heutzutage sind wir einfach Dynamischeres und vor allem Blutigeres gewohnt (man denke z.B. an „Halloween 6“, in dem in dieser schon acht Teile umfassenden Serie wohl die grausamsten Morde zu sehen sind). So etwas stumpft ab, und ein Teil der Zuschauergemeinde verliert den Sinn für einen echten atmosphärischen Grusler.
Den haben wir hier zweifelsohne vorliegen, denn Carpenter bewies einmal mehr, dass er ein Meister darin ist, eine unheimliche Stimmung zu schaffen. Wie schon kurz zuvor in seinem ähnlich verstörenden „Assault“ ist die Bedrohung von der ersten bis zur letzten Sekunde spürbar und überträgt sich wahnsinnig wirkungsvoll auf den Betrachter. Kombiniert mit der von Carpenter selbst komponierten Filmmusik, die mir auch beim x-ten Zuhören noch die Schuhe auszieht und die ich wahrscheinlich nie vergessen werde (obgleich sie an sich sehr simpel erscheint), ergibt sich eine atemberaubend bedrückende Atmosphäre, die ihresgleichen sucht. Der Musikeinsatz ist perfekt und verfehlt selten sein Ziel. Selbst wenn man erahnt, dass Myers jeden Moment auftauchen wird (etwa wenn er urplötzlich aus dem Schrank springt, um Bob an die Gurgel zu gehen), erschrickt man - ich auf jeden Fall - doch jedes Mal wieder aufs Neue, wenn er erscheint und gleichzeitig die Musik lautstark ertönt.
Und die fast minütlich auftauchende Musik ist es dann auch, die auch die recht ereignislose erste Stunde ziemlich aufregend gestaltet, bis die ganze Geschichte in einem nervenzerfetzenden, in der Tat in einem der spannendsten Finals mündet, das ich je gesehen habe. Der Showdown, in dem Laurie um ihr Leben rennt (und schreit), ist einzigartig und wirklich kaum zu übertreffen. Das erschreckend offene Ende, das einen hilflosen Dr. Loomis und eine psychisch instabile Laurie zurücklässt (geradezu ein Sequel provozierte), ist meisterhaft montiert, die abschließenden Bilder von den wesentlichen Orten des Geschehens und der abrupte Abspann lassen den Zuschauer verunsichert zurück; mir jagt der Schluss immer und immer wieder eine Gänsehaut über den Rücken. Ja, Carpenters Original ist und bleibt der mit riesigem Abstand beste Teil der „Halloween“-Serie. Die Restfolgen käuen dann nur noch die immer gleiche Story wieder, nahezu ohne eigene Ideen, dafür mit umso mehr Kopien. Wenigstens darf er ja mittlerweile schööön blutig zu Werke gehen. Den ersten „Halloween“ an Blutgehalt zu übertreffen fällt schließlich nicht sonderlich schwer, denn es floss so gut wie keins.
Die Höchstnote 10 verpasst der Regisseur durch offensichtliche Schwächen in nicht zu vernachlässigenden Kategorien. Die Handlung ist - offen gesagt - eine einzige Katastrophe. Myers‘ Charakter bleibt völlig unterbelichtet, ein Motiv für seine Gräueltaten wird nicht geliefert, und die Story ist wahrlich einfallslos geraten, die Inhaltsangabe setzt sich aus ganz wenigen Worten zusammen; die Nebenfiguren Annie, Lynda und Bob sind dumme Gören, deren Tode kein Mitgefühl verdienen; die Dialoge sind oberflächlich, bisweilen hohl und dämlich (Loomis‘ fortwährendes Gebrabbel vom „absoluten Bösen“ mag im ersten Teil vielleicht noch nicht sonderlich stören, Gespräche zwischen den jugendlichen Darstellern, wie die zwischen Lynda und Bob, schon), Logikfehler finden sich in Hülle und Fülle (warum der Sheriff Loomis überhaupt unterstützt - übrigens als einziger Ordnungshüter überhaupt -, obwohl der eigentlich nicht die geringsten Beweise für Myers‘ Aufenthalt in Haddonfield hat, bleibt schleierhaft).
Die Schauspieler erreichen insgesamt ebenfalls lediglich Durchschnitt, aber immerhin noch im erträglichen Bereich. Jamie Lee Curtis bietet zweifellos keine herausragende Leistung, ist aber immer noch die Lichtgestalt unter den jugendlichen Darstellern und nach wie vor die sympathischste Figur innerhalb der langen „Halloween“-Reihe. Donald Pleasence, der einzig Namhafte vor der Kamera, sagt routiniert seine wenigen Sprüche auf, den Rest des Ensembles können wir getrost vergessen.
Fazit: „Halloween - Die Nacht des Grauens“ ist und bleibt für mich der einzig wahre Klassiker des Schlitzergenres. Heutzutage sicherlich etwas veraltet und möglicherweise auch ganz schön langweilig, weil der Film erst spät an Fahrt gewinnt, aber hier legt Carpenter wenigstens noch Wert auf schaurige Atmosphäre, perfekten Musikeinsatz und Hochspannung. Aus geringen Mitteln hat er das Optimale herausgeholt, und dafür gebührt ihm Respekt. Ein echter Meilenstein, von dem viele untalentiertere Filmemacher immer noch zehren - ich glaube, es geht mittlerweile auf den neunten Teil zu -, an den aber wahrscheinlich keiner je heranreichen wird. Der Stoff gibt einfach zu wenig Neues her.
GESAMT: 9/10 (Unterhaltungswert: 9 - Handlung: 4 - Schauspielerische Leistungen: 6 - Kameraführung/Atmosphäre: 10 - Musik: 10)