Heute, über 30 Jahre nach seiner Veröffentlichung, fällt es umso schwerer John Carpenters Horrorklassiker Halloween angemessen zu bewerten. Zweifelsohne ist Halloween einer der Schlüsselfilme des Genres, auch wenn Großteile der stilistischen Mittel, von Kameraführung bis zur Spannungsdramaturgie, bereits vier Jahre zuvor in Jessy - Die Treppe in den Tod, eingesetzt wurden. Doch die wichtigste Frage, ob der Klassiker noch schocken kann, ist leider allzu leicht zu beantworten.
Die Geschichte beginnt im Jahr 1963. Wir verfolgen das Geschehen aus der Ich-Perspektive des kleinen Jungen Michael Myers, gerade einmal sechs Jahre ist er alt, als er seine große Schwester mit mehreren Messerstichen ermordet. Eine angsteinflößende Atmosphäre kann dieser ersten Szene des Films auch heute noch nicht abgesprochen werden. Michael wird daraufhin 15 Jahre lang in einer psychiatrischen Klinik unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen untergebracht. Als er jedoch verlegt werden soll, kann er entkommen und sich in seinen Heimatort Haddonfield, einem kleinen Vorort in Illinois, flüchten. Sein Psychiater, Dr. Sam Loomis, hängt sich an seine Fersen. Damit ist die Geschichte des Films auch schon erzählt, denn ab hier beginnt Myers, mit einem langen Küchenmesser bewaffnet, die nichtsahnenden Mädchen des Vororts in der Nacht zu Halloween abzuschlachten.
Begründete Halloween zwar die Flut von Slasherfilmen der 80er und 90er Jahre, ist er doch völlig anders als diese. Nach dem ersten Mord vergeht eine lange Pause bis Michael das nächste mal mordet. Stattdessen sehen wir ihn immer nur ganz kurz auftauchen, einen Blick riskieren, und wieder verschwinden. Nebenbei verfolgen wir die Anstrengungen Dr. Loomis', welcher immer wieder Michaels Grausamkeit betont und ihn gar als das personifizierte Böse bezeichnet. Diese Spannungsdramaturgie erinnert an zahlreiche Thriller Hitchcocks. Für heutige Verhältnisse ist diese Passage allerdings ungewöhnlich und erscheint viel zu lang; das Slasher-Genre hat heute schließlich eine hohe Quote an angehäuften Leichen und vergossenem Filmblut pro Stunde zu erreichen, sonst verlassen Fans gelangweilt das Kino. Generell setzte John Carpenter mehr auf geschickte Schockmomente und verzichtet fast vollständig auf Blut. Diese Schiene fährt er konsequent mit der ausgezeichneten Kameraführung aus der Ich-Perspektive und einer so simplen wie effektiven Filmmusik. Durch die Rolle des Dr. Loomis liefert Carpenter außerdem einige Ansätze einer Psychoanalyse von Myers, entscheidet sich dann jedoch plötzlich um und verzichtet vollständig auf den psychologischen Aspekt. Seinem Film hätte es besser getan, diesen Aspekt entweder ganz auszureizen, oder vollständig zu entfernen.
Um nun jedoch auf obige Frage zurückzukommen: Halloween gelingt es heute leider nicht mehr, wirklich zu schocken. Ganz im Gegenteil. Es hat etwas amüsantes Michael Myers immer wieder ganz kurz auftauchen zu sehen, nur um dann einen kurzen Schnitt später erneut die selbe Stelle zu betrachten und sein Verschwinden zu bemerken. Auch die ständigen Bekundungen von Dr. Loomis, Myers sei das pure Böse und vielleicht nicht einmal ein richtiger Mensch, hinterlegt mit einer etwas theatralischen Musik, besitzen eine unfreiwillige Komik. Die typischen Elemente sämtlicher Slasherfilme sind hier vereint. Charaktere, die sich allesamt so dumm verhalten, dass man ständig den Drang verspürt, sein Gesicht zu verdecken, sind hier noch das geringste Übel.
Fazit: John Carpenters Halloween weist eine beachtliche handwerkliche Qualität auf. Eine ausgezeichnete Kameraführung und effektive Musik stützen eine geschickte Spannungsdramaturgie. Trotz aller Bemühungen gelingt es Halloween heute nicht mehr, seiner Pflicht als Horrorfilm nachzukommen und seine Zuschauer zu verängstigen. Der Film sollte heute eher mit einem Lächeln bedacht werden und seinen Platz neben anderen Klassikern im Regal einnehmen.