Joseph Vilsmaier ist eines der wenigen deutschen Ausnahmetalente in Sachen Film. Seine Regiearbeiten sind meisterhaft, seine Filme meist höchst anspruchsvolle Werke fernab des Mainstreams, die des öfteren nur ein kleines Publikum ansprechen. Mit "Stalingrad" schuf er einen beeindruckenden und alles in allem recht untypisch inszenierten Kriegsfilm, in "Comedian Harmonists" verbeugt er sich treffend vor der wohl bekanntesten deutschen "Boygroup" aller Zeiten und in Filmen wie "Herbstmilch" oder "Schlafes Bruder" schafft er es sogar, dass, unter Cineasten doch eher mit verdienter Ablehnung behaftete, eingestaubte Genre des Heimatfilmes, mit untypischen und wirklich hochkarätigen Beiträgen zu beglücken. ("Schlafes Bruder" ist für mich, nach wie vor, einer der besten deutschen Filme aller Zeiten!)
Auch sein neuestes Werk "Bergkristall" darf man locker in diese Kategorie stecken. Leider hat es Vilsmaier aber dieses mal nicht geschafft, die Klasse seiner Vorgängerfilme zu erreichen.
Aber erst einmal zu den positiven Dingen! Da wäre zum ersten die Geschichte, die in ihren Grundzügen wirklich sehr gut gefallen kann. "Bergkristall" ist die Verfilmung einer spannenden und interessanten Novelle des Schriftstellers Adalbert Stifter, um die Fehde zwischen zwei verfeindeten Alpendörfern und dem Drama welches zwei Kindern passiert, deren Mutter aus dem einen-, und der Vater aus dem anderen Dorf stammen. Vilsmaier hat es geschafft die Geschichte sauber für seine Leinwandversion umzusetzen und dürfte Freunden solcher Alpendramen durchaus gefallen und Fans von trauerlichen Weihnachtsgeschichten sowieso.
Dazu kommt eine prachtvolle Inszenierung, die wirklich keinerlei Wünsche offen lässt. Wie schon in "Schlafes Bruder" so schafft es Vilsmaier auch hier wieder eine Optik zu schaffen, die schlicht und ergreifend atemberaubend ist. Die Kulissen der Alpendörfer und die Kostüme der Darsteller sind aufwändig, detailverliebt und verdammt glaubwürdig ausgefallen. Und wenn die Kinder sich dann in den verschneiten Bergen verirren und unter anderem in einer Eishöhle Unterschlupf suchen, spielt Vilsmaier sein Können wirklich vollkommen aus und serviert seinem Publikum einen visuellen Augenschmaus, der einen einfach aus den Socken haut. Und vor allem in diesen verschneiten Szenen kommt eine Atmosphäre auf, die packender kaum sein kann. Berge und Landschaften voller Schnee verfehlen ihre Wirkung halt einfach nicht und das vor allem dann, wenn sie mit solch einer Brillanz eingefangen wurden, wie hier.
Des weiteren kommt dann noch eine wirklich großartige Sounduntermahlung hinzu, die ebenfalls für Atmosphäre sorgen kann. Vor allem die Musikauswahl ist wunderbar und absolut passend ausgefallen. Teils sanft, teils wuchtig aber immer bestimmt, untermahlt der Score die einzelnen Szenen einfach perfekt. Die Soundtrack-Scheibe dürfte auf jeden Fall den Weg in einige Regale schaffen.
Doch leider gibt es auch Negatives zu berichten, was man bei einem Vilsmaier eigentlich nicht erwartet. Denn so schön die Geschichte eigentlich auch ist, so kitschig wirkt sie auf der Leinwand. Drehbuchautor Klaus Richter dreht die Novelle leider immer wieder kräftig durch die Kitsch-Mühle, so dass einem doch schnell mal der Zahn tropfen kann. Zwar ist es bei Weihnachtsfilmen durchaus üblich das Kitsch vorhanden ist, doch die Kitschereien die hier teilweise drinnen stecken, lassen einen doch mitunter sehr schmerzhaft spüren, dass wir uns hier in einem, wenn auch teilweise untypischen, Heimatfilm befinden. Zudem sind die ganze Zeit über auch einige Logik-Lücken nicht zu übersehen, vor allem was das Wetter betrifft. Von solch derart rasanten, zahlreichen und gewaltigen Wetterumschwüngen habe ich wirklich noch nie gehört!
Dazu kommen dann noch einige arg hölzerne und stelzig geschriebene Dialoge, die teilweise doch heftig am Talent des Drehbuchschreibers zweifeln lassen. Gut, die Geschichte spielt vor ziemlich langer Zeit und in tieferen Bergdörfern sind die Gespräche untereinander nun mal nicht so, wie in einer Großstadt. Doch hier wird teilweise so was von derartig rumgesäuselt, dass es einem, egal ob nun Stadt- oder Landbewohner, doch ab und an etwas übel aufstoßen kann, wenn die Darsteller hier ihre Münder aufmachen.
Und damit wären wir gleich beim wohl größten Übel des Films. An den Kitsch kann man sich, nach einiger Zeit, irgendwie gewöhnen und auch die Dialoge sind, trotz aller hölzernheit, irgendwann zu übersehen (bzw. zu überhören), doch was die Darsteller angeht, da könnte man sich wirklich grün und blau ärgern. Was sich hier für eine Stümper-Riege zusammen gefunden hat, geht auf keine Kuhhaut. Vilsmaier wollte unbedingt seine (eigentlich sonst recht talentierte) Frau Dana Vávrová und seine zwei Töchter unterbringen und das dürfte der wohl größte Fehler sein, den er in seiner Karriere je gemacht hat. Egal ob es nun die steif deklamierenden Erwachsenen sind oder die völlig untalentierten Kinder (vor allem Josefina Vilsmaier als Töchterchen Sanna agiert, selbst für Kinderdarsteller, grauenhaft), allesamt ziehen sie, mit ihrem hölzernen Stadl-Niveau, das Film-Niveau, zeitweise, auf eine Tiefe, die mit besseren Darstellern, trotz aller Kritik, wohl nicht erreicht geworden wäre. Hier fällt einem wirklich nur ein Wort ein: Schade!
Fazit: Bildgewaltiges und durchaus spannendes und interessantes Alpendrama, dass vor allem durch seine großartige Inszenierung und der netten Geschichte punkten kann und einen Vilsmaier in Höchstform zeigt. Da das ganze Geschehen allerdings, selbst für einen weihnachtlich anmutenden Film, arg durch die Kitsch-Mangel gezogen wurde, die Dialoge größtenteils hölzern und stelzig wirken und die Darstellerleistungen wohl zum Schlechtesten gehören, was je auf der großen Leinwand zu sehen war, bleibt unterm Strich doch nur ein durchschnittlicher Streifen übrig, den sich maximal Vilsmaier- und Weihnachtsfans antun dürfen, sowie alle Zuschauer über 65 Jahren! Da ich aber, trotz aller Kritikpunkte, viel von Vilsmaier halte und die Optik (Kulissen, Kostüme etc.) wieder einmal alles in den Schatten stellt, was man bei solch einem Film erwarten kann, schraube ich meine Wertung trotzdem auf großzügige 6,5 Punkte, die aber um eine Abrundung nicht herum kommen!
Wertung: 6,5/10 Punkte
P.S.
Und nun noch ein guter Rat an Jospeh Vilsmaier (falls er dies hier jemals lesen sollte;)):
Das nächste Mal die Kitschschraube bitte wieder auf ein Minimum stellen, einen besseren Drehbuchautor verpflichten und wesentlich talentiertere Darsteller einsetzen (ich denke da an solch große Talente wie André Eisermann aus "Schlafes Bruder"). Dann könnten Wertungen in den Höchstregionen durchaus wieder drin sein!
Mit größten Erwartungen auf das nächstes Kinoprojekt!
Ein großer Fan Deiner bisherigen Schaffenskunst!