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Der "Neorealismus", mit dem gerne die Phase - beginnend mit Viscontis "Ossessione"( 1942) bis in die Mitte der 50er Jahre - im italienischen Film bezeichnet wird, in dem die italienischen Filmemacher schonungslos die Realität ihres Landes auf die Leinwand brachten, verfügt über einige Schlüsselwerke - darunter befindet sich auch "Riso amaro" (Bitterer Reis) von Giuseppe De Santis aus dem Jahr 1949, dass in kaum einer Aufzählung fehlen darf.

Im Jahr zuvor, 1948, hatte Visconti mit "La terra trema" (Die Erde bebt) noch einen puristischen, stark an den Idealen des Realismus orientierten Film heraus gebracht, während Vittorio De Sica mit "Ladri di biciclette" (Fahrraddiebe) die größten internationalen Ehrungen erhielt. Trotz der steigenden Reputation im internationalen Bewusstsein, waren diese Filme keine Kassenerfolge, aber ihre Anerkennung weckte Begehrlichkeiten, die sich auch zunehmend in der Zusammenarbeit mit Hollywood zeigte. Als Zwitterwesen zum Abschluss dieser Ära gilt besonders "Stazione termini" von Vittorio De Sica aus dem Jahr 1953, dass in zwei Fassungen herauskam - neben De Sicas "neorealistischer" Interpretation, noch eine gekürzte für den amerikanischen Markt.

So weit war es in "Riso amaro" noch nicht, aber einige Details weisen auf Veränderungen hin, die nur noch wenig mit den Idealen der Phase unmittelbar zum Ende des zweiten Weltkriegs zu tun hatten. Zum Einen regierte seit 1948 mit der Cristlichen Partei Italiens eine konservative Kraft (sehr schön in Samperis "Nené" (1977) geschildert), die zwar keine Zensur ausübte, aber die Verteilung der Produktionsgelder derart beeinflusste, dass offensichtlich marxistisch geprägte Filme keine Zuschüsse mehr bekamen. Auf diese war Dino De Laurentiis sowieso nicht angewiesen, der Ende der 40er Jahre vor allem Historienfilme ("Il cavaliere misterioso" (Der geheimnisvolle Chevalier)) oder Komödien ("Adamo ed Eva") an die Kinokassen brachte. Das er sich hier als Produzent mit einem realistischen Szenario auseinandersetzte, blieb lange Zeit eine Ausnahme, beweist aber sein Gespür für eine Mischung aus angesagter Thematik und dem, was die Zuschauer in die Kinos locken konnte.

Aus heutiger Sicht ist es geradezu frappierend, dass "Riso amaro" als ein Hauptwerk des "Neorealismus" gilt, beweist es doch, dass gutes Marketing eine deutlich bessere Langzeitwirkung besitzt, als tatsächliche Inhalte. Am ehesten könnte man "Riso amaro" als frühen Sexploitation-Film bezeichnen, nicht ganz zufällig neben De Santis von Carlo Lizzani ausgedacht, der sich später in "L'amore in città" (1953) - allerdings deutlich zurückhaltender - den Prostituierten widmete, bevor er in den 70ern Filme wie "Storie di vita e malavita" (Straßenmädchen-Report) drehte. De Laurentiis' Rechnung ging voll auf, denn der realistische Hintergrund der Arbeiterinnen in der Po-Ebene, bot vielfach Gelegenheit, sie zum Einen mit nackten Beinen bei der Reis - Anpflanzung zu zeigen, zum Anderen in Unterwäsche beim nachträglichen Zusammensein in der Frauenunterkunft. Das Massenangebot an leicht geschürzten Frauen verfehlte seine Wirkung nicht und erzeugte einen Kassen tauglichen Skandal in diesen prüden Jahren.

Das war vor allem Silvana Morgana zu verdanken, die als junge Arbeiterin vorteilhaft ins Bild gerückt wurde. Schon in der ersten Szene am Bahnhof, von wo die Frauen zu den Reisanbaugebieten transportiert werden sollen, tanzt sie lasziv zu Boogie-Woogie-Klängen. Der eigentliche Beginn des Films wird noch von der Stimme eines Reporters bestimmt, dessen Erläuterung des Reisanbaus einen dokumentarischen Touch vermitteln soll, aber die Tanzszene ist dagegen völlig irreal. Allein, dass Silvana (wie sie auch im Film heißt) ihren eigenen Musikapparat dabei hat, ist genauso unrealistisch, wie ihre Performance inmitten von Menschen, die sich für wenig Lohn mehrere Wochen lang unter unwürdigen Bedingungen zu einer harten Arbeit verpflichtet haben. Das sich Walter (Vittorio Gassmann) auch noch als Tanzpartner andient, ist angesichts der attraktiven Silvana, noch verständlich, nicht aber angesichts der Tatsache, dass er sich auf der Flucht vor der Polizei befindet. Prompt wird er gesehen, kann das gestohlene Kollier aber noch seiner Freundin Francesca (merkwürdigerweise von der amerikanischen Darstellerin Doris Dowling gespielt, deren Gesicht dafür eine Spur zu klar und intelligent ist) geben, die spontan zu den Arbeiterinnen in den Zug steigt.

Aus der heutigen Sicht ist es schwer verständlich, warum "Riso amaro" immer noch für seine realistische Darstellung der Situation der Reisarbeiterinnen gelobt wird, denn diese kommt kaum über die Funktion als folkloristischer Hintergrund hinaus. Auch Visconti besetzte in "Ossessione" ausgesprochen attraktive Darsteller und Roberto Rossellini arbeitete in "Stromboli" 1950 mit seiner Frau Ingrid Bergman zusammen, aber der Blick auf das Italien der Nachkriegszeit blieb immer größer als seine Darsteller, die - im Gegenteil - zunehmend unter der Last der Realität zerbrachen. Davon kann trotz allem Liebesleid und Verbrechen in "Riso amaro" keine Rede sein, denn nur der Konflikt der vier Protagonisten untereinander (als zweiter Mann betritt noch Raf Vallone die Szenerie), erzeugt hier die Dramatik, die zum Ende hin fast opernhafte Züge erhält.

Das das jährliche Schauspiel der Masseneinwanderung der Arbeiterinnen auf die Reisfelder der Po-Ebene hier nur als Hintergrund dient, wird vor allem an der fehlenden politischen Relevanz deutlich. Der einzige Aufstand wird von Francesca angezettelt, weil die Geschäftsleitung die Frauen nicht zur Arbeit zulassen will, die zuvor keinen Vertrag abgeschlossen hatten. Francescas Motiv liegt aber nicht in der dringenden Notwendigkeit, Nahrung für ihre Familie besorgen zu müssen, wofür sie auch die anstrengende und schlecht entlohnte Arbeit akzeptieren würde, sondern weil ihr Silvana das Kollier gestohlen hatte und sie sonst keine Chance mehr hätte, es wieder zu bekommen. Auch sonst entsteht nur durch die Optik ein gewisses kritisches Potential, während die Frauen sich in Solidarität und im gemeinsamen Singen üben, aber kein negatives Wort über ihre Arbeitgeber verlieren.

Wahrscheinlich liegt darin das Geheimnis des Erfolgs des Films, denn er konfrontierte seine Betrachter nur dezent mit der damaligen Gegenwart, nutzte aber das Etikett "Neorealismus" für freizügige Darstellungen und eine dramatische Liebesgeschichte um den so verführerischen wie unsoliden Walter. Einen gewissen Unterhaltungswert kann man "Riso amaro" nicht absprechen, aber über die Zeitlosigkeit paralleler Werke wie etwa "Il cristo proibito" (auch mit Raf Vallone) oder "Cronaca di un amore" von Michelangelo Antonioni, die sich auch schon von den ursprünglichen Ideen des Neorealismus verabschiedet hatten, verfügt der Film nicht - dafür ist er sowohl in seinen Charakterzeichnungen, wie beim Storyaufbau zu sehr am damaligen Massengeschmack orientiert (6/10).

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