Wenn von dem Film „Der Schakal" die Rede ist, haben die meisten das niveaulose Remake mit Bruce Willis im Hinterkopf. Überraschenderweise erinnert sich kaum noch einer an das Original aus den 70ern, welches damals als Thriller der alten Schule daher kam und durchweg gute Kritiken bekam und auch heute noch zu recht eines Blickes gewürdigt werden sollte. Komisch, dass TV-Ausstrahlungen immer seltener geworden sind.
Kurz zur Story: Eine militärische Untergrund-Organisation aus Frankreich - genannt OAS - ist über die Anerkennung der Unabhängigkeit Algeriens seitens der französischen Regierung wenig erbaut. Nachdem mehrere Attentate der Organisation auf den Staatspräsidenten de Gaulle bereits fehlschlugen, wird ein Außenstehender für das riskante Unternehmen angeheuert.
Der Film überrascht mit einem minimalistischen Stil in der Inszenierung. Es wird nur das notwendigste an Dialogen gesprochen und die Kulissen wirken mit ihren blassen Tönen - getränkt in verwaschenen Farben - trotz einer kaum vorhandenen musikalisch Begleitung extrem bedrohlich auf den Zuschauer. Die Spannung wird dabei getragen von den zwei wechselseitig verwobenen Handlungssträngen: Der Killer mit seinen Vorbereitungen (Besorgung falscher Pässe, Schusswaffe als Sonderanfertigung, Auto mit falschen Kennzeichen) auf der einen Seite und die Ermittlungsarbeiten des französischen Abschirmdienstes auf der anderen. Daraus entwickelt sich ein permanent gesteigerter Wettlauf, in der der Zeitfaktor mit eingeblendeten Uhrzeit- und Datumsangaben eine ebenso tragende Rolle spielt und den Zuschauer zu fesseln vermag.
Dass Zinnemann zumeist auf unbekannte Schauspieler setzte, war nicht vordergründig eine Frage des Budgets, sondern passte zu der Story viel besser, gerade in Hinblick auf die Gesichtslosigkeit des Killers war die Besetzung mit dem damals noch relativ unbekannten Edward Fox ein Segen.
Dennoch gibt es auch in diesem Thriller einige Schönheitsfehler, die mich störten: Warum muss der Schakal - ein richtiger Name wurde nie erwähnt - mit einer Dame im Hotel anbandeln? Dass er auf ihrem Anwesen für kurze Zeit Deckung fand, stellte sich erst später als guter Einfall heraus, als die Behörden ihn schon suchten. Wirkte auf mich irgendwie storymäßig ausbremsend. Auch die Beweggründe des Schakals, sein Ding auch dann durchzuziehen, nachdem die OAS ihn wegen einer undichten Stelle in ihrem System zurückpfiff, kann nur verwundern. Berufsehre oder Psychopath?
Trotz der Nichtzurschaustellung unnötiger Brutalitäten krochen einem schon die eisigsten Schauer über den Rücken, wenn der Schakal die Mitwisser beseitigte. Weniger Blut bedeutet manchmal doch mehr Aufregung, könnte aber gut sein, dass in der heutigen Zeit der allgemeinen Abstumpfung manch einer mehr für besser befunden hätte.
Höhepunkt ist sicher die berühmte Schluss-Szene, in der noch einmal das zum Tragen kommt, was den ganzen Film bis dahin ausgemacht hatte: Eine lange Filmsequenz an Originalschauplätzen in Paris, eine dokumentarisch anmutende Abfolge von Bildern eines Aufmarsches einer unbeugsamen Staatsmacht, ausnahmsweise auch mal musikalisch begleitet, aber nur durch die vorbeiziehenden Orchester, dazu überall nur lautes Stimmengewirr, als hätte der Kameramann einfach nur draufgehalten. Dann wieder die Fokussierung auf einige wenige bekannte Personen, wie Inspektor Lebel, der die ganze Gegend aufmerksam absucht. Und da ist er wieder - ein letztes Mal - der Wettlauf mit dem Tod, eine bewegte Gardine am Fenster, ein Gewehrlauf und bereits ein verfehlter Schuss, da sich de Gaulle bückte, ein Sprint die Treppe hoch zur Dachgeschosswohnung, und dann... nun, falls einer den Film noch nicht kennt, de Gaulle lebte danach noch eine Weile weiter.
„Der Schakal" ist nach heutigen Sehgewohnheiten vielleicht nicht als herausragender Vertreter seiner Zunft oder gar Referenz des Genres zu bezeichnen, doch das Wort altmodisch lasse ich nicht gelten. Nur einige unlogische Details trüben den Gesamteindruck minimal. Im Gegensatz zu dem sehr freien Remake aus den Neunzigern kann ich diesen Zinnemann-Film aber durchaus empfehlen. 7,5 / 10