Review

Recycling. In seiner eigentlichen Lesart als Müllverwertungsvorgang willkommen geheißen, ist es als billige und effiziente Methodik des Filmemachens verpönt, wird es doch gemeinhin auf den Aspekt des Kostenmanagements reduziert und mit Billig- und Bequemlichkeit in Zusammenhang gebracht oder im schlimmsten Fall sogar als parasitär erachtet, weil es sich das geistige Eigentum fremder Produktionen zu eigen macht. Dass die Wiederverwertung von Sets, Kostümen bis hin zur eigentlichen Grundidee jedoch ganz eigene Früchte tragen kann, hat gerade Roger Corman in seiner bis heute währenden Karriere als Produzent immer und immer wieder bewiesen. Sein „Mutant“ ist eines der einleuchtendsten Beispiele dafür, weshalb sich kreativer Raubzug manchmal eben doch nicht nur für das Studio lohnt, sondern auch für den Zuschauer.

So wie später „Stirb Langsam“ im Action-Fach zur konzeptionellen Blaupause für zahllose Epigone wurde, erwies sich in der Science Fiction besonders Ridley Scotts „Alien“ als Nährboden für ein regelrechtes Subgenre von Alien-Rip-Offs, was neben dessen dramaturgischer Intensität und seinem prägnanten Giger-Design vor allem seiner einfachen Reproduzierbarkeit zu verdanken sein dürfte. Ein Mann im Anzug, eine Crew und ein paar mit Plastik und Aluminium ausgestattete Gänge – nichts,was sich nicht auch die B-Garde zutrauen würde. „Mutant“, ursprünglich als Weltall-Variante von „Lawrence von Arabien“ geplant und von Corman abgelehnt, weil die Entwürfe kostentechnisch nicht umsetzbar erschienen, heftet sich an die minimalistischen Vorgaben des 78er-Klassikers so eng wie nur möglich, obwohl es eigentlich sogar ein Rip-Off zweiter Klasse darstellt: Da Corman bereits „Battle Beyond The Stars“ (1980) und „Galaxy Of Terror“ (1981) in seinem Portfolio hatte, wurde aus dem einen kurzerhand Stock Footage wiederverwertet und aus dem anderen praktisch die gesamte Kulisse. Das Haus war also bereits gebaut, der Grundriss nicht mehr zu ändern und die einzige Frage blieb: Wie würde man sich einrichten?

Wo also die Fantasie nicht frei schweben kann, ist es trotzdem spannend zu beobachten, was der Regisseur – in diesem Fall Newcomer Allan Holzman – und sein Team mit den festen Vorgaben anstellen. Und gerade hier erweist sich „Mutant“ nach kurzer Eingewöhnungsphase als überdurchschnittlich einfallsreiches Unterhaltungsprodukt, das primitive Bedürfnisse mit hirnrissigen Ideen und inszenatorischem Einfallsreichtum verbindet. Immer so, dass die Defizite an jeder Ecke zu spüren sind und dennoch das niedere Vergnügen nicht trüben, geschweige denn dem hochklassigen Vorbild auch nur einen Zacken aus der Krone brechen... denn das hier ist ganz klar eine völlig andere Dimension der Filmunterhaltung.

So schälen sich aus den vermeintlich eng gesteckten kreativen Grenzen durchaus neue Freiheiten, die sich ein A-Klasse-Film nicht erlauben dürfte. Dazu dürfen die an Softcore-Bildsprache grenzenden Erotik-Elemente gezählt werden, die durchaus im Gegensatz zu einer story-begründeten Nacktheit stehen, wie sie auch in anspruchsvolleren Filmen vorkommt. In diesem Film hingegen beginnt das Schmuddel-Feeling längst, bevor Dawn Dunlap oder June Chadwick zum ersten Mal ihre Arbeitsbekleidung ablegen, etwa in sexuell aufgeladenen Dialogen von ordinärer Direktheit oder verräterischer Gestik beim gemeinschaftlichen Essen. Passend dazu ist Jesse Vint ein verschmitzt-ironischer Heldentyp mit rustikaler Gangart, der die Einladungen allesamt gerne annimmt. Einer Nackten in der Sauna stattet er auch ohne Einladung gerne einen Besuch ab (nachdem diese zuvor von der Kamera in diversen Beobachterperspektiven so sehr zelebriert wird, dass jeglicher Sinn verloren geht) und begutachtet mit Stielaugen ihren Körper, nachdem er gerade erst eine Andere in seinem Bett hatte.

Nuditäten sind dann auch wichtiger Bestandteil obskurer Schnittexperimente, mit denen schon zu Beginn des Films spätere Sequenzen vorweggenommen und in einen direkten Zusammenhang mit den Attacken des Filmmonsters gebracht werden. Diese überambitionierten Versuche, etwas Kunstvolles in die äußere Form zu bringen, treiben weniger den Film selbst voran, sondern sind vielmehr ein Meta-Kommentar zum Genre selbst, das seit jeher von der Verknüpfung Horror/Sex besessen ist.

Auch Corman selbst schaltet sich mit unglaublichen Einfällen in den kreativen Prozess ein; so war es seine Idee, den Lebertumor eines Crewmitglieds als Waffe gegen den außerirdischen Predatoren einzusetzen, dessen Strategie grundsätzlich darin besteht, seinen Feind auf biologischem Wege zur puren Proteinquelle zu verwandeln und sich so von ihm zu ernähren. Es ist relativ selbsterklärend, dass eine solch krude Idee die stupide Waffengewalt eines jeden vergleichbaren Billigheimers um Längen schlägt, erlaubt sie doch die Darstellung von OPs bei vollem Bewusstsein und jede Menge Schmodder, der übrigens, noch so eine in A-Produktionen unvorstellbare Maßnahme, durch eine hautverätzende Substanz realisiert wurde, die das Kamerateam dazu zwang, sich mit Müllbeuteln gegen das Gesplattere zu schützen.

In diesem Sinne ist „Mutant“ auch ein besonders ekliger Film, dem es sogar gelingt, Anhänger des Melt Movies abzuholen. Sobald ein schwarzer Schmierlappen sich in stiller Reminiszenz an den Facehugger im Gesicht des ersten Opfers festbeißt, ist der Reigen eröffnet – da sinken halbe Menschenschädel in sich ein und ganze Körper verdampfen auf der Untersuchungsbahre zu schleimigen Proteinshakes, die fortan als unheimliche Kulisse dienen, denn schließlich passieren die restlichen Überlebenden sie immer wieder, um vor dem Monster zu flüchten (Putzkräfte gab's wohl nicht auf Planet Xarbia).

Während man sich die Sets aus anderen Filmen besorgen konnte, musste die Kreatur natürlich ein Original sein, dient sie dem Film doch als einziges wirkliches Alleinstellungsmerkmal. Obwohl sie mehrere Entwicklungsstadien durchläuft, ähnelt sie dem originalen „Alien“ im Endeffekt wie ein untersetzter kleiner Bruder mit seiner insektoiden, rippenartigen Körperstruktur, dem glatten, augenlosen Schädel und dem sabbernden Unterkiefer. Weil es sich diesmal um eine Modellbaut handelt und nicht um praktizierte Suitmotion, wirkt das Ungetüm mitunter fett und träge, insbesondere als es in einer Wüstensequenz (die optisch Abwechslung in den von dunklen Röhrenschächten bestimmten Film bringt) in der Totalen gezeigt wird, auf einem Fels hockend wie ein aufgeblasener Frosch. Der durchweg hyperaktive Schnitt gleicht diesen Eindruck allerdings wieder aus und sorgt für ein insgesamt angenehm vielseitiges Monster, das wenig originell und sichtbar kostengünstig daherkommt, dafür aber voller Überraschungen steckt – bis hin zu einer Szene, in der es über den Computer mit einer der Damen an Bord kommuniziert (und somit den Konsens über Bord wirft, dass man es mit einem animalischen Jäger zu tun hat, der rein instinktiv vorgeht).

Die Gesamtheit aller Eindrücke lässt einen Elan zur Geltung kommen, der ansteckend ist und über den auf Nullpegel verharrenden Originalitätswert locker hinwegsehen lässt: „Mutant“ ist unter Cormans Massenproduktionen ein echtes Kleinod und unter all den Alien-Rip-Offs eines der spektakulärsten. Obgleich der höher budgetierte „Galaxy Of Terror“ die größeren Schauwerte hatte und mehr Freiheiten über die Gestaltung der Filmwelt verfügte, zeigt Holzmans Regiedebüt auf, wie man mit geringsten Mitteln dennoch ein hohes Maß an handwerklicher Kreativität walten lassen kann. Seine Unverfrorenheit im Umgang mit der offensichtlichen Vorlage erinnert noch einmal daran, dass Filmkunst bei aller Leidenschaft immer mit einem Augenzwinkern betrachtet werden sollte.
(6.5/10)

Details
Ähnliche Filme