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Kaspar Hauser in „Brutal“

Im Leben eines jeden Actionhelden der Leinwand gibt es unter Umständen einen Wendepunkt. Steven Seagal hat an diesem Punkt Gitarre gespielt, Schwarzenegger wurde Zwilling, Stallone hatte Angst, daß seine Mama schießt – und Jet Li versucht sich als Darsteller. All diesen recken war ein unterschiedlicher Erfolg beschieden. Seagal wird noch als Rentner mit dem Stock auf Übelwichte einprügeln, Schwarzenegger ist Gouverneur, Stallone liebäugelt mit „Rocky 6“ und „Rambo 4“, beides Geschichten aus dem Altersheim, und Jet Li...ja, der ist auf einem guten Weg. Der erste Schritt war das Erlernen der englischen Sprache, der zweite die Zusammenarbeit mit einem Europäer, der dritte das Mitwirken bei der Filmproduktion, und vierte Schritt ist die Rolle als Danny in „Unleashed“, einem an sich recht zwiespältigen Werk, denn ein reiner Actionstreifen wie Lis frühere Werke ist das nun gar nicht mehr. Aber das ist in diesem Fall auch gut so...

Jet Li ist Danny, eine Art Kaspar Hauser, wie ein Hund in einem Zwinger gehalten von einem sinistren englischen Gangster. Danny erfüllt nur eine Zweck: „Faß“ – das heißt in diesem Fall soviel wie „hau sie alle zu Brei“. Freude hat Danny an diesem Leben sicher nicht, zumal ein Halsband wie bei einem Pawlowschen Hund als Auslöser für Dannys Gewalttaten dient. Als Danny jedoch bei einer Auseinandersetzung zweier Gangs verwundet wird und von einem blinden Pianostimmer aufgenommen wird, scheint es in seinem Leben eine Wende zu geben, zumal sich zwischen Victoria, des Pianomannes Stieftochter, und Danny eine Romanze anbahnt. Sanft wird Danny an die Zivilisation herangeführt und scheint so etwas wie ein Leben gefunden zu haben – doch Träume sind, wie wir alle wissen, Schäume. Und so muß sich auch Danny mit seiner Vergangenheit, ob gewollt oder nicht, auseinandersetzen, bevor er ein friedliches Dasein führen kann. Und diese Begegnungen mit der Vergangenheit beinhalten natürlich auch den bösen Gangster...

Dreigeteilt ist er, der Film. Teil eins, knapp zehn Minuten, präsentiert uns gleich zu Beginn eine handvoll sehr harter Fights. Teil zwei, eine gute Stunde, zeigt uns die Zivilisierung eines wilden Menschen. Teil drei, dann, die letzte halbe Stunde, ist wieder frei von Fröhlichkeit, sondern voll mit reichlich brutalen Sequenzen. Das wird insgesamt die Fraktion der Actionpuristen enttäuschen, gibt dem Freund des etwas feineren Films aber Gelegenheit, die Wandlung eines Kaspar Hauser unter den Händen von Morgan Freeman ( der seinen Part ziemlich routiniert herunterspult ) zu einem Menschen, fast wie Du und ich, zu beobachten. Und siehe da, Jet Li macht seine Sache nicht schlecht. Kämpfen kann der Mann, das hat er in vielen Filmen beweisen, doch auch ein zartes Pflänzchen Talent wächst hier sachte vor sich hin. Es ist nur zu hoffen, daß wir nicht die Abkehr vom Genre erleben müssen, denn so viele Actionhelden gibt es nicht mehr. Und auch nicht viele Filme für ein erwachsenes Publikum, da muß man froh sein um die vielen französischen Regisseure...für Jet Li vielleicht ein Wendepunkt, für uns Fans gute Unterhaltung. 8/10

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