Review

„In this world, you're either the hunted, or the hunter.”

Auch der britische TV-Serien-Regisseur Paul Annett wurde einst mit einer Amicus-Kinoproduktion betraut: „Mondblut“ erschien im Jahre 1974 in britisch-US-amerikanischer Koproduktion und versuchte sich an einem Genremix aus Werwolf-Horror, Menschenjagd und klassischem Kriminalfilm sowie etwas Blaxploitation.

„She looks like butter wouldn't melt in her mouth!“ – „Maybe... she prefers meat!“

Tom Newcliffe (Calvin Lockhart, „Melinda“) ist ein überaus vermögender Großwildjäger. Das einzige, was ihm in seinem Ehrgeiz zu seinem Glück noch fehlt, ist das Erlegen eines echten Werwolfs. Aus diesem Grunde lädt er eine Gruppe bizarrer Gäste auf sein einer Hochsicherheitsfestung gleichendes Anwesen, das über und über mit Kameras und Mikrofonen ausgestattet ist: Neben seiner Frau Caroline (Marlene Clark, „Der Mann mit der Todeskralle“) versammeln sich mutmaßliche Serienkiller, ein Kannibale sowie der schwedischstämmige Lykanthropie-Experte Dr. Lundgren (Peter Cushing, „Frankensteins Fluch“). Tom glaubt zu wissen, dass einer von ihnen ein Werwolf ist, und gibt sich drei Vollmondtage und -nächte Zeit, den Beweis anzutreten sowie den Werwolf zu töten. Die Gäste erklären Tom zunächst für verrückt, doch bereits in der ersten Nacht muss der erste Tote beklagt werden – fiel es dem Werwolf zum Opfer? Tom wird vom Jäger zum Gejagten…

„Made up your mind? Let's see if you're right!“

„Mondblut“ beginnt als Mitmachkino: Aus dem Off fordert ein Sprecher zum Mitraten auf. Die seltsam entrückte Werwolf-Film-Variation zeigt daraufhin eine Menschenhatz, in der ein Dunkelhäutiger durch ein mit allerlei Überwachungstechnik ausgestattetes Waldstück gejagt wird. Ein unvorbereitetes Publikum dürfte sich nun mangels Hintergrundinformationen fragen, ob es sich in einem Rassismusdrama oder einem Actionkracher befindet. Doch weit gefehlt: Der Gejagte entpuppt sich als der passionierte Jäger Tom, der seine Gästeschar zu seinen Gefangenen machen und jeden ihrer Schritte technisch überwachen wird.

Der Hauptteil der dialogreichen Handlung ist fortan geprägt von Dr. Lundgrens herrlich pseudowissenschaftlichem Geschwafel sowie seltsamen Verwirrspielchen, Überführungsversuchen und Erklärungen mit Kerzenständern und Eisenhutkraut. Kurios mutet es da an, dass der Film sich stets bierernst gibt, dies aber mit Swingin‘-Sixties-Musik, abgefahrenen Kostümen – insbesondere Tom sticht als regelrechte Stilikone hervor – und viel Pulp konterkariert und offenbar gar nicht erst versucht, eine etwaige schaurige Stimmung heraufzubeschwören. Auch auf Spezialeffekte verzichtet man weitestgehend, sogar – eigentlich der Todesstoß für jeden Werwolf-Film – auf eine Verwandlungsszene: Der Werwolf ist ein stinknormaler Straßenköter. Damit wirkt „Mondblut“ unfreiwillig komisch und trashig, zumal das Handlungskonstrukt kaum einen Sinn ergibt. Auf die naheliegendsten Werwolf-Enttarnungsmöglichkeiten kommt man als Letztes oder auch gar nicht, das muntere Treiben mutet delirierend und wenig plausibel an. Das Finale wurde schließlich gar derart behäbig inszeniert, dass ich zweimal (!) währenddessen eingeschlafen bin.

Kurz vor der großangelegten Enthüllung des Werwolfs wird der Film unterbrochen und man bekommt vom Off-Sprecher eine halbe Minute Zeit, seine Entscheidung zu fällen, während eine Uhr tickt und die einzelnen Figuren noch einmal ins Gedächtnis gerufen werden. Zumindest auf diesen Teil des Films wäre good old William Castle stolz gewesen. Es liegt auf der Hand, dass eine bizarre Mischung aus Werwolf-Thematik, fragwürdigem Blaxploitation-Held, „Graf Zaroff“-Motiven und an Agatha Christie gemahnenden Detektivspielchen zumindest nach einer einmaligen Sichtung schreibt. Ob diese Melange tatsächlich gelungen ist, steht jedoch auf einem anderen Blatt. Als Kuriosum des britischen phantastischen Films ist „Mondblut“ in jedem Falle auf der Metaebene interessant, Regisseur Annett scheint mir mit diesem Stoff aber überfordert gewesen zu sein.

Unklarheit besteht übrigens hinsichtlich des Bildformats: Die britische Anchor-Bay-DVD sowie die deutsche Bootleg-Variante offerieren ein 4:3-Vollbild, die US-DVD von Dark Sky Films hingegen kommt in 16:9 daher. Welches Format ist das ursprünglich intendierte?

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