„Das ultimative Rollstuhlfahrer-Roadmovie“ (Times)
Nun, das ist „Aaltra“ nicht ganz denn auch wenn er letzten Endes doch am ehesten diesem Genre zuzuordnen ist begnügten sich die beiden Regisseure nicht damit, einen Unterhaltungsfilm zu präsentieren sondern wollten zusätzlich noch beweisen, das sie eben durchaus ihre Auteur-Qualitäten haben. Das funktioniert aber in diesem Fall auch und es gibt an „Aaltra“ nicht allzu viel zu interpretieren, die Botschaft spielt sich auf menschlicher, nicht intellektueller Ebene ab.
„Nach so vielen politisch korrekten Filmen ist es einmal befreiend, einen Film über zwei Rollstuhlfahrer zu sehen, die jeglicher Form von Mitleid nur so strotzen.“ (Variety)
Ja, in der Tat. Und das beste daran ist das der Humor in „Aaltra“ kein plumper Holzhammer-, Slapstick oder Fäckalhumor ist wie man ihn von dem „komödiantischen“ Müll gewohnt ist wie derjenige, der aus der katastrophalsten aller Kinoschmieden, Hollywood auf uns herniederregnet sondern ein sowohl pointierter und hintersinniger als auch- und das in weitaus höherem Ausmaß- boshafter und ironischer. Tatsächlich scheint sich der Film gar nicht zu wünschen, das man sich mit den beiden kauzigen und durchtriebenen Drecksäcken identifiziert, die sich da per Diebstahl und Mogelei in ihren Rollstühlen von Frankreich nach Finnland schleppen, um den Traktorenhersteller „Aaltra“, dessen mangelhafte Ware ihrer Meinung nach an ihrer Querschnittslähmung schuld hat, zur Rede zu stellen und ihm eine Entschädigung abzuluchsen. Man muss sie offenbar nicht einmal mögen. Doch das stört in keiner Minute denn- „Aaltra“ ist kein Gag-Feuerwerk, vielmehr soll offenbar der Effekt erreicht werden, der dann den Lachmuskel reizt wenn man irgendwo zufällig auf der Straße Zeuge einer vollkommen paradoxen Situation wird, zum amüsierten Beobachter. Und deswegen macht „Aaltra“ auch einen Riesenspaß und die „witzigen“ Momente wirken nicht verkrampft oder erzwungen sondern stets natürlich und spontan. Und albern ist der Film schon gleich gar nicht. Er beginnt eigentlich schon fast wie ein Drama des italienischen Neorealismus doch mit dem unglückseligen Unfall, bei dem die beiden Zankäpfel unter dem Traktor begraben werden hält auch die Komik Einzug in den Film. Man sitzt zwei Männern in einer Bar gegenüber die einen angeregten Dialog führen. Abwechselnd fährt zwischen den beiden sowohl zur linken als auch zur rechten eine Hand zum Tresen hinauf um aus einem Glas zu trinken... Einer der beiden Rollstuhlfahrer (ihre Namen wurden so selten ausgesprochen dass ich sie versäumt habe) sitzt minutenlang unbeweglich einem trainierenden Motocross-Fahrer (Jason Flemyng, wie ist der bloss in diesen Film geraten?) gegenüber. Streit der beiden „Helden“: „Willst du etwa einen Behinderten schlagen?“ Komik entsteht aus der Tragik- das trifft auf „Aaltra“ von vorne bis hinten zu.
Nicht einmal einen Soundtrack gönnen sich die Filmemacher- bis auf zwei Songs bekommt man keine Musik zu hören, der Film ist wortkarg (etwas, das man in Hollywood nie begreifen wird- ein witziger Film braucht nicht viele Worte) und vor allem still- das ist selbst mir, der ich ihm leider nur als Vorführer neben einem ratternden Projektor beiwohnte, aufgefallen, die Stille drückt sich nicht nur auf der Tonspur, sondern auch durch die monochromen Bilder aus. Doch langweilig ist das nicht- es ist einfach unendlich lässig und entspannt und das um ein zehnfaches mehr als das für seine „Lockerheit“ bekannte, affektierte Dumpfbacken-Plagiat-Kino des unvermögenden Quentin Tarantino.
„Aaltra“ ist ironisch, geistreich und erzielt mit geringsten Mitteln und trotz seines gemütlichen Tempos ein beachtliches Maß an Belustigung beim zunächst misstrauischen aber dann zunehmend mehr begeisterten Zuschauer. Zwei leicht asoziale Giftzwerge aus der Provinz in Rollstühlen, die sich abgrundtief hassen und kaum miteinander kommunizierend durch die sehr schön in schwarzweiß fotographierten Landschaften Nordeuropas fahren- was man aus dieser einfachen Grundidee herausdestillieren kann ist ebenso bizarr wie großartig. Wer hintersinnigen Witz und bizarre Situationskomik mag, kommt an „Aaltra“ nicht vorbei.