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Mit "Cube Zero", einem Prequel, geht es zurück in den Würfel. Damit ist der dritte Ausflug in den Kubus eigentlich der erste. Nichts deutet hier auf den klinischen Futurismus des zweiten Teiles hin, die Innenausstattung der Konstruktion wirkt vertraut. Robuster Stahl, verschiedenfarbige Kammern und nicht zuletzt einige heimtückische Fallen - so kennt man es bereits aus dem originellen Erstling. Ein weiteres Mal die selbe Leier des üblichen Dezimierungsprinzips abzuspielen, hat sich Ernie Barbarash aber erspart, glücklicherweise muss man sagen. Stattdessen wird wieder ein Stück des Rätsels entmystifiziert, indem eine Kontrollstation des Komplexes in Augenschein genommen wird.

Dort arbeiten Eric Wynn und sein alteingesessener Kollege Dodd. Sie drücken die Knöpfe, führen bürokratisch Anweisungen von oben aus, sind die untersten Glieder einer unbekannten Hierarchie. Auf ihren Monitoren sehen sie Menschen, zum Tode verurteilte Delinquenten, wie ihnen gesagt wurde, gefangen wie Ratten im Käfig, ausgesetzt in einer systematisierten Todesmaschinerie; durch ihre Unterschrift auf einem Formular hätten die Straftäter eingewilligt, heißt es. Wenn Wynn und Dodd die Zeit nicht gerade mit Schach oder Zeichnen totschlagen, kontrollieren sie die Träume der schlafenden Insassen und archivieren sie. Oder sie beobachten einfach nur: Wie sich die angeblichen Delinquenten von Raum zu Raum tasten und schließlich doch grausam zu Tode kommen. Es berührt beide nicht, gehört zu ihrem zynischen Alltag. Ihr technisch veralteter Arbeitsplatz ist gleichzeitig ihr Heim. Nahrung wird in kleinen Kapseln geliefert, der Kontakt zur Außenwelt fehlt. Da gibt es nur ein internes Telefon und einen edlen Fahrstuhl.

Barbarash gewährt einen kleinen Einblick hinter den mysteriösen Vorhang, ohne das Prinzip der unsichtbaren Macht aufzugeben. Bereits die erste Fortsetzung lüftete, dass der Kubus eine irdische Konstruktion und Gegenstand eines geheimen Regierungsprojektes ist. Wie viele Hierarchieebenen existieren, wer tatsächlich die Fäden zieht und vor allem welchem Zwecke die Tötungsapparatur überhaupt dient, bleibt jedoch weiterhin ungewiss. Von den Kontrollbeamten wird eine bedingungslose Untertänigkeit gefordert. Wer zu viele Fragen stellt, landet irgendwann zwangsläufig selbst im Cube.

Für den Blick hinter die Kulissen, die zaghafte Einweisung in die Esoterik des Würfels, opfert Barbarash die tiefgründige Charakterzeichnung der Insassen. Hierin liegt der signifikante Unterschied zu den Vorgängern, in deren Brennpunkt stets die in den klaustrophobischen Räumen gefangenen Persönlichkeiten standen. Nur der Kontrollbeamte Wynn verfügt über ein aussagekräftiges Profil. Abgestumpft ist zwar seine gegenüber den vermeintlichen Straftätern aufgebrachte Empathie, Todesängste nachzuempfinden, doch die innere moralische Instanz scheint noch intakt, als er mit Cassandra Rains eine Politikerin in einer der kubischen Kammern zu erkennen glaubt und beginnt, angetrieben von seinen persönlichen Empfindungen für Reins, Zweifel am System zu hegen, das vorgibt, Todeskandidaten auf diese Weise zu exekutieren. Dieses Misstrauen treibt Wynn, das mathematische Genie, schließlich in den Würfel, mit seinem Hintergrundwissen rechnet er sich realistische Überlebenschancen aus.

Das Gewissen schreitet ein bei der Vorstellung, es könnte nicht nur die Schuld, sondern auch die Unschuld hingerichtet werden. Doch allein der Gedanke an den Kubus als eine Art der experimentellen Menschenentsorgung ist ein schauriger. Das Sterben im Würfel ist grausam: Feuersbrünste und Schallwellen sind nur zwei Methoden der Vernichtung. Schon zu Beginn zeigt Barbarash die brutalste Tötung an einem Identitätslosen, der von einer Flüssigkeit bespritzt wurde. Es war kein Wasser, wie im ersten Moment angenommen, es war eine Säure, die den Körper des Unbekannten einfach in sich zerfallen lässt, nachdem sich zuvor grauenvoll die Haut von seinem Leibe abgestreift hat - eine sadistische Abartigkeit, die von Wynn toleriert wird, solange er im Glauben lebt, es handele sich bei den im Würfel Inhaftierten um Todeskandidaten. Eine Philosophie, die die Tötung eines Menschen nicht zum Frevel erklärt, wenn sie im Namen der Todesstrafe geschieht. Vieles in "Cube Zero" ist Science-Fiction, doch diese Maxime nicht. Hierzulande ist sie Widersinn, in manch anderem sich für zivilisiert haltenden Staate bekanntlich fester Bestandteil der Justizdoktrin.

Dass Anschneiden einer solchen Problematik bleibt aber zugegeben mehr ein Zufallsprodukt. Der Entschluss Wynns, in den Würfel zu steigen, um Reins zu retten, wird zur Zäsur, zum ersten Schritt der Selbstentlarvung des eigenen geringen Anspruchs. Dann beginnt der Film sich regelrecht zum No-Brainer mit Trash-Attitüde zu degenerieren. Das Kommando der Kontrollstation wird von einem Vorgesetzten, einer Karikatur mit Diamantauge, und seinen zwei Handlagern übernommen, mit dem Ziel, Wynn aufzuspüren und auszuschalten. Die unangemessene Komik dieser Gestalten zerschlägt schonungslos die Ernsthaftigkeit des Sujets. Mit dem Ergebnis, noch weiter Salz in diese Wunde gestreut zu haben, wandelt sich zu allem Überfluss ein ehemaliger, ebenfalls im Kubus gefangener Soldat durch das Aktivieren eines ihm einst in den Kopf gepflanzten Chips auch noch zum ferngesteuerten Supermenschen.

Trotz einer zündenden, perfiden und den Bogen zum Erstling schlagenden Pointe am Ende ist das Ergebnis ein Torso: ein Werk, das sich seines inhaltlich reizvollen Hauptes überhaupt nicht bewusst zu sein scheint und sich durch triviale Unterhaltung eigenhändig zum bedeutungslosen B-Film guillotiniert.

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