Review

„Je größer die Erfolge, umso mehr fürchtet man den Misserfolg!“

Auch außerhalb der „Hammer“- oder „Amicus“-Produktionsstätten entstanden im Großbritannien der 1960er Jahre beachtliche Horrorproduktionen, wie der 1968 unter der Regie Robert Hartford-Davis’ („Das Grauen auf Black Torment“) entstandene und von Peter Newbrook produzierte Mad-Scientist-Genrefilm „Die Beste mit dem Skalpell“ beweist.

Der angesehene Chirurg John Rowan (Peter Cushing, „Frankensteins Fluch”) ist mit dem jüngeren, attraktiven Fotomodell Lynn (Sue Lloyd, „Eat the Rich“) glücklich liiert. Auf einer Party jedoch ist es John nicht geheuer, dass sich Lynn zu spontanen, freizügigen Fotoaufnahmen überreden lässt. Er echauffiert sich und gerät mit dem Fotografen (Anthony Booth, „Brannigan - Ein Mann aus Stahl“) aneinander, dem er die Kamera zu entreißen versucht. Beim daraus resultierenden Handgemenge stoßen die Kontrahenten einen Beleuchtungsstrahler um, der auf Lynn fällt und ihre rechte Gesichtshälfte verbrennt. Um die Schönheit seiner entstellten Freundin wiederherzustellen, entwickelt er mit der Hypophyse einer Toten vom Obduktionstisch eine Methode, um das Gewebe zu regenerieren. Das scheint zunächst von Erfolg gekrönt, doch leider ist das Ergebnis nicht von Dauer – und Nachschub nicht in Sicht. Also beginnt er unter dem Druck seiner Freundin, sich durch grausames Morden neues Material zu beschaffen...

Bilder einer Operation, dazu anheimelnde Jazz-Klänge – so startet Hartford-Davis in seinen Film, bevor es auf eine waschechte Swingin’-Sixties-Party geht, auf der das beschriebene Unheil seinen Lauf nimmt. Nervenkitzel pur bereitet die Operation, die er an Lynn vornimmt: Die Kamera ist so nah am Geschehen, dass sie die Schweißperlen einfängt, expressionistische Schattenbilder werden zwischengeschnitten und das pumpende Herz dient als Geräuschkulisse, bis der unangenehme Klang des Lasergeräts ertönt. Nachdem sich herausgestellt hat, dass das Ergebnis nur kurze Zeit anhält, entwickelt sich der Film zunehmend in Richtung eines „Augen ohne Gesicht“ alias „Das Schreckenshaus des Dr. Rasanoff“, mit dem Unterschied, dass hier – wie beispielsweise auch im späteren Subgenre-Beitrag „Rejuvenator“ aus dem Jahre 1988 – die entstellte Dame vom Opfer zur Mittäterin wird, indem sie ihren Mann antreibt, für ihre Schönheit zu morden. Dass diese ihr wichtiger ist als ein (oder mehrere) Menschenleben, verlagert den tragischen Aspekt zugunsten eines etwas eindimensionaleren Horror-Thrillers, der die Opferrolle Lynns zu ungleichen Teilen auf John und wiederum dessen Opfer aufteilt.

Und wenngleich es sich natürlich um keinen Splatter- bzw. Körper-/Mutationshorror-Film à la „Rejuvenator“ handelt, ist „Die Bestie mit dem Skalpell“ recht grafisch: In der vollständigen Fassung (offizielle deutsche Fassungen sind anscheinend entschärft) sucht John eine Prostituierte auf und ringt mit der nackten Frau, während ihm der Wahnsinn ins Gesicht geschrieben steht, was schließlich in eine blutige Enthauptungsszene mündet. Der entfesselte Soundtrack bietet dazu interessanterweise swingenden Jazz o.ä. an. Aber auch abseits der Gewaltausbrüche sieht man es dem Film an, wie gern Regisseur und Kameramann das Visuelle auszureizen versuchten, sei es durch ungewöhnliche Perspektiven wie durch eine Stuhllehne oder durch ein Fenster hindurch, sei es durch knallbuntes, kitschiges Interieur wie dem des Fotografen Mike, der nicht mehr mit Lynn zusammenarbeiten möchte und damit die Oberflächlich- und Schnelllebigkeit des Modellgeschäfts auf den Punkt bringt. Die Kameraarbeit ist exzellent und setzt einen expressionistisch wie selten agierenden, beängstigenden Peter Cushing perfekt in Szene. In Kombination mit dem Gespür für Timing und Atmosphäre entstehen solch wunderbare Szenen wie die im Zug, die sich zu einem großen Suspense-Moment mit einem herrlich fies dreinblickenden John entwickelt.

Als sich die Handlung verstärkt in Private verlagert, lernen Lynn und John am Strand ein junges Mädchen (Kate O’Mara, „Frankensteins Schrecken“) kennen, das sie John direkt als nächstes Opfer empfiehlt und ihn erpresst, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen. Die Jugendliche zieht zunächst ins Strandhaus mit ein, holt jedoch heimlich ihren Freund dazu – gemeinsam will man das vermögende Paar nämlich bestehlen. Diese Konstellation, in der sich zwei Parteien mit jeweils kriminellen Absichtet gebildet haben, bestimmt das letzte Drittel des Films und führt folgerichtig zum Finale. John ist zunehmend geplagt von Gewissensbissen, sieht in seiner Verzweiflung jedoch keinen Ausweg, während Lynn immer forscher in ihren Forderungen wird. Es kommt zu einer Verfolgungsjagd im Sandsteingebirge und zu einer Home Invasion durch die Diebesbande des Mädchens, bis die Ereignisse endgültig eskalieren und sich überschlagen – und auch der Laser noch mal so richtig zur Geltung kommt. Die aufregenden Szenen bieten dem Soundtrack Gelegenheit, ebenfalls voll aufzudrehen.

Über den seltsamen Epilog, ohne den der Film auch sehr gut, vermutlich sogar besser funktioniert hätte, hülle ich besser den Chirurgenkittel des Schweigens; ungeachtet dessen ist „Die Bestie mit dem Skalpell“, im Original übrigens schlicht „Corruption“ betitelt, eine überaus gelungene, damals modernistische Variation des beliebten Motivs aus Filmen wie „Augen ohne Gesicht“ mit einer grandiosen Genre-Ikone Peter Cushing, der es hier im Übrigen nicht nur mit seiner Lynn nicht leicht hat: Mit seinen Mordopfern muss er sich jeweils regelrechte körperliche Kämpfe liefern, von „Stalk’n’Slash“ kann keine Rede sein. Dies wiederum verstärkt die Brutalität und damit die zeitweise durchaus unangenehme Wirkung des Films, der Englands Swingin’ Sixties aufgreift und ihre eitlen oberflächlichen Protagonisten kräftig mit Blut besudelt. Tipp!

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