Review

Trotz des Wissens darum, dass “Be Cool” eine Fortsetzung des Grauens (das Wort “Grauen” hier als Synonym für “Kommerz”) hatte sein müssen, schlug mein “Get Shorty”-Fanherz im Dreivierteltakt, als angekündigt wurde, dass der Weg des unerschütterlich coolen Chili Palmer noch fortgeführt werden würde. Ob ein F. Gary Gray die Franchise gut in die zweite Runde leiten würde, war zunächst mal zweitrangig, da schon das Prequel mit Barry Sonnenfeld einen ähnlich gepolten Regisseur vorzuweisen hatte, der es schwer zu glauben machte, dass dabei so eine gewitzte Gangsterkomödie hatte rauskommen können. Sonnenfeld und Gray sind eher unscheinbare, profillose Regisseure, die es zwar verstehen, fein staffierte Hochglanzfilme mit Starappeal zu fabrizieren, die aber kaum eigene Duftmarken setzen. Eine Kunst, die im Hollywood von heute hoch geschätzt ist, wie der bemerkenswerte Aufstieg des Genresöldners Brett Ratner beweist - ein Mann, der bezeichnenderweise auch für “Be Cool” im Gespräch war.

Die Reihe lebt nicht von den Visionen ihrer Regisseure, sondern von der Vorlage Elmore Leonards, der schon für allerhand Trubel in Hollywood gesorgt hat - vom eher enttäuscht aufgenommenen, aber weit unter Wert verkauften “Jackie Brown” bis zum Totalflop “Hawaii Crime Story”, den der Normalkinogänger trotz des enormen Staraufgebots wohl erstmal nachschlagen muss. “Get Shorty” wird wohl als eine der gelungeneren Leonard-Verfilmungen in die Filmgeschichte eingehen, doch selbst hier erfreuen sich unzufriedene Filmkritiker noch an einer fröhlichen Rupforgie.

Cool und stylish genug, um sich in die Garde der gesequelten Filme einzureihen, war die Satire auf das korrupte Filmbusiness dem Publikum dennoch. Zwar spät, aber besser als nie: Ein Jahrzehnt, nachdem Charakterkopf Chili Palmer (John Travolta) sich das Filmgewerbe vorgenommen hat, gibt es ein Wiedersehen im Musicbusiness.

Ein eigentlich logischer Schluss, denn das Musikgewerbe feierte schon vor Jahrzehnten Skandale, von denen Hollywood lange Zeit nicht zu träumen wagte. Mit Milli Vanillis empörendem Playback-Geständnis von 1990 war die Initialzündung gestartet hinein in die düstere Seite von MTV und seiner Verbreitung einer Popmusik-Kultur über die 90er Jahre, in denen jedoch zunächst eben eine Satire auf das Filmgeschäft gedreht wurde.
Und im Gewerbe hat sich seitdem viel getan. Das Geschäft mit Rohlingen, Internetpiraterie, Lars Ulrichs Napster-Kampf, Raub geistigen Eigentums - Schlagworte, die eine gebeutelte Musikindustrie aufzucken lassen, welche ihre Lage zu gewissen Anteilen gewiss auch noch selbst zu verantworten hatte. Das sollte eigentlich Areal genug sein, um einem Chili Palmer zu dienen und eine hochaktuelle Satire auf die Beine zu stellen - oder?

Um das Problem mit “Be Cool” gleich vom Fleck weg auf den Punkt zu bringen: Es ist das totale Fehlen einer Pointe, das dem Projekt zum Verhängnis wird. Es gibt massig Stars, Cameos, diverse Reminiszenzen an das Original, eine sich wie ein roter Faden durch das Geschehen ziehende Reunion der “Pulp Fiction”-Darsteller Uma Thurman und John Travolta, aber irgendwie wirkt das Ganze merkwürdig ungeplottet, ziellos und unvorstellbar überflüssig. Über allem hängt der sehnsüchtige, melancholische Hauch einer Abschiedsveranstaltung, einer letzten Vereinigung alter Freunde auf der Bühne, die jahrelang miteinander getourt haben und dies hiernach nie wieder tun würden. Das wäre zu verzeihen, wenn dem so wäre, doch stellt sich da eine hartnäckige Frage:
Feiert hier überhaupt jemand Abschied?

Abgesehen davon, dass Robert Pastorelli (“Striking Distance”, “Eraser”) vor seinem tragischen Tod aufgrund einer Überdosis hiermit seine letzte Vorstellung lieferte, gibt es überhaupt keinen Abschied und damit auch keinen Grund für das endgültige Getue. F. Gary Gray widersteht viel zu selten der Versuchung, den auftretenden Stars um Steven Tyler seine Ehrdarbietung zu schenken, wodurch er sich immer wieder in sinnlose Ellipsen manövriert. Man wohnt einer Unterhaltung mit dem Aerosmith-Frontmann bei und ergründet den Sinn von einem seiner Songtexte - es führt zu nichts, von ein wenig Musikphilosophie abgesehen. Linda Moon (Sängerin Christina Milian), das erregende Moment der Story, findet man immer wieder in Momenten, wo sie ihre Sangeskünste vorführt und alle Beteiligten im Takt schunkeln - es hört sich nett an, bringt uns im Plot aber nicht weiter. Über John Travolta und Uma Thurman, die wieder recht gut miteinander harmonieren, werden allerlei schicke Verweise auf “Pulp Fiction” gezogen. So stirbt James Woods im Intro, während Travolta auf dem Klo sitzt (wann immer sich Vincent Vega in “Pulp Fiction” dort aufhielt, passierte etwas Schlimmes) und das Highlight ist freilich die Wiedervereinigung auf der Tanzfläche zur Musik der Black Eyed Peas. Cineasten können sich daran erfreuen, bekannte Dinge wiederzuentdecken, doch sind die Reminiszenzen vollkommen aus der Luft gegriffen.

Ein gewaltiges Problem ist auch dasjenige, welches im durchaus großartigen Opening Dialogue zwischen Travolta und Woods sogar noch angesprochen wird: Protagonist Chili Palmer ist einfach zu ehrlich, zu echt, um durch ein Sequel zu führen. Da ist dieser Gedanke, der sich einfach nicht aus dem Kopf vertreiben lässt, wenn man das Popsternchen-Gesinge und das Rap-Gepose über sich ergehen lässt: Chili, wie bist du in diese Produktion hineingeraten? Da ist diese alles durchblickende Figur, die sich nie aus der Ruhe bringen lässt, zu cool für die Welt ist, sich aber mit allerhand Dumpfbacken herumprügeln muss, sich mit Kindergeburtstagen herumplagt und stets mit ganzer Aufmerksamkeit dabei ist. Im Drehbuch wird zwar versucht, ihm die Aversion gegen das Musikgeschäft auf den Leib zu schreiben, was aber unglaubwürdig wird, sobald er sich voll und ganz für Linda Moon einsetzt und den Kampf gegen Russen, Rapper, Killer und den größten Feind, das System, antritt.

Als Satire ist “Be Cool” ohnehin unterentwickelt, weil der Fokus eben viel mehr darauf liegt, die lebenden Legenden ins rechte Licht zu stellen, anstatt die fehlkonzipierten Strukturen der verdorbenen Musikszene aufzudecken. Die Interessengruppen sind ganz einfach viel zu extrem überzeichnet, um als Satire zu funktionieren. Cedric the Entertainer und seine Rapper-Gang (mit “Outkast”-Gründer André Benjamin in einem etwas missglückten Auftritt als manisch-gereiztes Gangsta-Männchen mit dem Finger am Abzug) sind nichts anderes als Comicfiguren. Das mag als Verarschung der Hip Hop-Kultur noch durchgehen (wobei da selbst “Clueless” zehn Jahre vorher schon bessere Momente zu bieten hatte), den Mechanismen des Gewerbes wird damit aber wohl kaum auf die Finger geschaut. Zumal die meisten Figuren nicht einmal witzig genug sind, um sinnfreie Unterhaltung zu bieten, ist es eine wahre Schande, dass die einmalige Chance vertan wurde, einen enthüllenden Blick auf das Monster “Music-Business” zu werfen, der Talente verbraucht wie dreilagiges Klopapier.

Jede Regel hat glücklicherweise ihre Ausnahme, und die hört im Falle der unwitzigen Figuren vor allem auf einen Namen: “The Rock”. Ex-Wrestler Dwayne Johnson ist seit einigen Jahren auf dem besten Wege, dem leidgeprüften Action-Genre neue Hoffnungen auf ein Erbe von Schwarzenegger und Stallone zu geben. Vin Diesel hat er durch seine einnehmende Ausstrahlung und seine Fähigkeit zur Selbstironie längst hinter sich gelassen, und mit seiner Nebenrolle in “Be Cool” beweist er all seine Qualitäten abseits der Action auf beeindruckende Weise nochmal neu. Dieser Blick, den alle Figuren im Film mitleidig belächeln, dieses Hochziehen der rechten Augenbraue... es ist in Wirklichkeit Zeugnis des Umstandes, dass sich Johnson einfach verdammt gut selbst auf den Arm nehmen kann. Die Rolle - ein schwuler Bodyguard mit Countrysänger-Ambitionen - ist schon für sich ein Clou, und was der Mann daraus macht, ist göttlich. Er schafft es wirklich, eine hinreißend komische Naivität an den Tag zu legen und damit so dumm auszusehen, dass es fast als Kritik an der Musikindustrie durchgeht, die die Naivität von Newcomern für ihre Zwecke ausnutzt. Ein wenig führt Johnson damit die Tradition des überzeugend agierenden James Gandolfini fort, der in “Get Shorty” den Bodyguard Bear verkörperte und dessen Gag darin lag, dass Chili Palmer die Menschen selbst in den Gebieten mit Leichtigkeit zu übertrumpfen imstande ist, in denen sie eigentlich ausgebildet wurden. Doch The Rock geht noch viel weiter, hätte für den Mut zur Hässlichkeit - mit Afro, weißem Hemd, hautenger hellblauer Hose und roten Stiefeln - eigentlich jede Menge Preise verdient.
Auch sein Partner Vince Vaughn weiß als weißer Möchtegern-Schwarzer für sich zu begeistern und hat durchaus so manchen Lacher auf seiner Seite, ganz besonders im Umgang mit seinem schwulen Bodyguard. Und mit Robert Pastorelli als Italo-Killer im Anschlag entwickelt sich ein prächtiger Gangstermovie-Subplot im besten Sinne, der nur eben leider die Minderheit darstellt. Denn die Russen, die Gang vom Gangsta-Label und nicht zuletzt Harvey Keitel als eine Art repräsentativer Kopf für das komplette Gewerbe haben nichts von Belang zu melden. Es ist schlicht uninteressant.

Die Ziellosigkeit färbt sich leider auch ein wenig auf den Protagonisten ab und Chili Palmer ist nicht mehr ganz der abgeklärte Mistkerl, der er war. Zwar ließ sich Peter Steinfeld im Drehbuch ein paar gute Sachen einfallen, um die Coolness des Chili herauszustellen - etwa wenn der Russe sein Magazin leerballert und Chili sich ihm vors Rohr stellt wohl wissend, dass keine Patrone mehr im Lauf ist - doch Manierismen wie das ständige “Sieh mir in die Augen” nutzen sich auf Dauer ab und der Druck, den der Ex-Kredithai einst auf Filmproduzenten ausübte, er ist inzwischen nicht mehr ganz so zwingend. Es ist, als wäre Chili weicher geworden. Vielleicht auch, weil viele dieser Szenen mit Absicht beinahe 1:1 aus dem Original kopiert wurden, um auf dieses zu verweisen - stellvertretend die Szene mit Uma Thurman im Chefsessel, während Travolta als Mr. Nobody im Hintergrund sitzt und mit ansehen muss, wie seine Partnerin alles vergeigt. Schade nur, dass der Thurman die Nervosität und Pseudocoolness abgeht, die ihr Pendant Gene Hackman als Harry Zimm in “Get Shorty” ausgestrahlt hatte.

Nun, alles läuft darauf hinaus, dass “Be Cool” lieber seine Gaststars aus dem Musikgeschäft abfeiert, anstatt die Steilvorlage zur Satire auszubauen, die das Musikgewerbe dem Film in der Realität geliefert hat. Der Plot wird mit ausgehöhlten Comicfiguren ausgefüllt, aus denen nur ein schräg-genial aufgelegter Dwayne Johnson und mit Abstrichen noch Vince Vaughn herausragt. Der zentrale Handlungsstrang um die aufstrebende Sängerin Linda Moon verfällt ständig in Demonstrationen der Skills von Moon-Darstellerin Christina Milian und zwischen Uma Thurman und John Travolta funkt zwar ein wenig die Nostalgie, dies aber völlig neben der Spur. Ein Sequel, dem Chili Palmer im Startdialog aus gutem Grund skeptisch entgegensieht.

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