Die Geschichte ist inzwischen bekannt. Als Heinz Rühmann erfuhr, das „Die Feuerzangenbowle“ nicht aufgeführt werden durfte, ging er persönlich zu Adolf Hitler, führte ihm den Film vor und erhielt so die Erlaubnis, den Film doch in die Kinos bringen zu können. Vom Propagandaministerium war kritisiert worden, dass der Film die Autorität des Lehrpersonals untergraben hätte, obwohl Heinz Rühmann die Rolle des Oberlehrers Brett (Lutz Götz) im Gegensatz zum Roman Heinrich Spoerls extra im nationalsozialistischen Sinne hatte umschreiben lassen. Dessen Schluss-Dialog mit dem Sympathieträger Bömmel (Paul Henckels) verwies auf „eine neue Zeit“, die zu diesem Zeitpunkt schon längst vergangen war, und hatte mit Spoerls idealisierten Erinnerungen einer Schulzeit nichts zu tun.
Sein erster 1933 erschienener Roman, der die Grundlage für den bekanntesten Rühmann-Film bilden sollte, war ähnlich wie seine späteren Werke „Der Maulkorb“ oder „Wenn wir alle Engel wären“ eine Geschichte vom Niederrhein, die humoristisch und liebevoll einen durchaus kritischen Blick auf den Charakter der hier lebenden Menschen warf und ein stimmiges Zeitbild des frühen 20. Jahrhunderts nachzeichnete. Heinz Rühmann, der noch mit Vierzig wie ein Pennäler aussehen konnte, hatte sich als ideale Verkörperung der Spoerlschen Hauptfiguren erwiesen, weshalb er schon in „Wenn wir alle Engel wären“ (1936) und in „Der Gasmann“ (1941), der im Gegensatz zu Spoerls früheren Romanen in Berlin angesiedelt war, die tragende Rolle übernommen hatte. Beinahe vergessen ist dagegen, dass Rühmann die Rolle des Hans Pfeiffer schon früh in seiner Karriere spielte, in der ersten Adaption der „Feuerzangenbowle“, die unter dem Titel „So ein Flegel“ 1934 in die Kinos kam.
Heinz Rühmanns großer Einsatz für die zweite Fassung der „Feuerzangenbowle“ lässt sich aus der Entwicklung seit dieser Zeit erklären. Sowohl der Schauspieler, als auch der Autor Heinrich Spoerl hatten seit Mitte der 30er Jahre eine erfolgreiche Karriere hingelegt und mehrfach zusammen gearbeitet. Zum Entstehungszeitpunkt von „So ein Flegel“ hatte Heinrich Spoerl noch kein Mitspracherecht bei einem Drehbuch, dass die Originalstory stark veränderte. Gemeinsam mit Helmut Weiss, der hier erstmals die Regie übernahm, aber schon lange zu Rühmanns Vertrauten gehörte, wollten sie die Buchvorlage endlich kongenial umsetzen, was ihnen in einer fast penibel zu nennenden Art und Weise gelang. Bis auf die oben genannte Änderung in der Figur des Dr.Brett sind die Dialoge teilweise wörtlich aus dem Roman übernommen.
Da 1944 nur noch unproblematische, der Ablenkung von den Kriegswirren dienende Stoffe gedreht werden durften, schien die zu Beginn des Jahrhunderts spielende Geschichte geeignet, aber Heinrich Spoerls Romane waren trotz ihres hohen Unterhaltungswertes immer auch eine Spur anarchistisch und entlarvend. Schon der Genuss der Titel gebenden „Feuerzangenbowle“ erzeugt bei der Herrenrunde die wildesten Fantasien, die schließlich dazu führt, den von einem Privatlehrer unterrichteten Dr.Hans Pfeiffer als Pennäler wieder auf ein kleinstädtisches Gymnasium zu schicken, wo er für ein paar Wochen in den Genuss seliger Oberprimanerzeiten kommen soll – eine im bürokratischen Deutschland schwer vorstellbare Umsetzung.
Aber davon ließ sich Spoerl nicht abhalten, sondern entwickelte ein Panoptikum, das zur Grundlage aller Filme über die Schulzeit werden sollte. Skurrile Lehrer, aufmüpfige Klassenkameraden, verschworene Gemeinschaften, Schulstreiche und nicht zuletzt die süßen Mädchen vom Lizeum gegenüber, erzeugten eine Atmosphäre, die jeden Betrachter unmittelbar zu seinen eigenen Schulerinnerungen zurückzuführen vermag, auch wenn diese nur noch wenig konkrete Parallelen mit dem hier gezeigten Geschehen aufweisen – einfach deshalb, weil diese Geschichten ihren Träumen nachgehen und gar nicht erst versuchen, realistisch zu sein. Für die späte Phase des Nationalsozialismus war dieser idealisierte Gegenentwurf zum autoritären Schulbetrieb zu individuell, zu gleichberechtigt im Umgang zwischen Schülern und Lehrpersonal, weshalb „Die Feuerzangenbowle“ noch heute, sieht man von dem genannten Dialog einmal ab, uneingeschränkt empfohlen werden kann. Allein die Szene, in der Marion (Hilde Sessak) ihrem in die Kleinstadt entlaufenen Dr.Hans Pfeiffer zeigt, warum er wieder mit ihr nach Berlin zurückgehen soll, entsprach keineswegs den damaligen Vorstellungen von Moral, sondern könnte heute noch genauso stattfinden.
Trotz dieser zeitlosen Qualitäten, sollten die Umstände der Entstehung nicht vergessen werden. Während im Film eine heile Welt gezeigt wird, mit einer Hauptfigur, die sich die Freiheit erlauben kann, für ein paar Wochen eine Auszeit vom Erwachsensein zu nehmen, waren einige der jungen Darsteller schon als Soldaten gefallen, bevor „Die Feuerzangenbowle“ uraufgeführt wurde. Auch für Heinz Rühmann blieb er nicht nur sein letzter vor dem Ende des Krieges gezeigter Film, sondern auch sein letzter großer Erfolg für mehr als 10 Jahre. Der letzten Szene des Films kommt eine entsprechende Bedeutung zu. Nicht nur die Geschichte von Hans Pfeiffer war erfunden, entstanden in von der Feuerzangenbowle benebelten Gehirnen, die in alten Erinnerungen schwelgten, sondern dem gesamten Film haftet etwas Unwirkliches an (9/10).