Review

Zur Story:
Der junge Fenix wächst in der Zirkuswelt auf. Seine Mutter ist Artistin und Anführerin einer Sekte, sein Vater ist Zirkusdirektor, der sich nebenbei auch gern mal an andere Frauen ranmacht. Als Fenixes Mutter diesen dann beim Fremdgehen erwischt, knallen bei ihr alle Sicherungen durch und es kommt zum wilden Streit, bei dem der Vater der Mutter beide Arme abschneidet und danach Selbstmord begeht.
Fenix verbringt viele Jahre in der Klappsmühle, schafft es aber schließlich auszubrechen und läuft prompt seiner Mutter über den Weg. Fortan ist er ihr hörig, handelt nur nach ihrem Willen und, jetzt aufgepasst, dient als Protese ihrer Arme, indem er sich hinter sie stellt und seine Arme zu ihren werden lässt.
Die Mutter hegt natürlich Rachegedanken und will das Flittchen umbringen, das ihr vor Jahren ihren Mann ausgespannt hat. Da sie aber keine Arme hat, bleibt die Drecksarbeit bei Fenix hängen.
Zunehmend sind der irren Mutter aber auch die Mädchen ein Dorn im Auge, für welche ihr Sohn beginnt Gefühle zu haben. Muss er auch diese für sie beseitigen ?

Alle Filme des Regisseurs Jodorowsky sind bekannt dafür absolute Augenweiden, bizarre Bilderfluten, wirre Sinnkombinationen und gleichzeitig packende Horror-Trips mit grotesk-perversen Bilderorgien am Rande des Wahnsinns zu sein. Bisweilen hab' ich leider nur einige Passagen aus "Montana Sacra" aka "Holy Mountain" zu Gesicht bekommen, allerdings reicht dieser kurze Einblick um sagen zu können, dass alle oben aufgeführten Attribute auf "Montana Sacra" voll und ganz zutreffen.

So auch "Santa Sangre", der aber im Gegensatz zu dem gänzlich handlungsfreien "Montana Sacra" über eine Story verfügt. Diese ist jedoch wahrhaftig in bizarre Szenarien und vielen Bilderspielen eingebettet und kann mit einigen geisteskranken Ideen punkten. Beispielsweise wird ein obskures Elefantenbegräbnis geschildert: der tote Elefant wird in einem überdimensionalen Sarg durch die Stadt kutschiert und wird dann in eine Grube geworfen, wo ihn viele hungrige Bettler in Stücke reißen.
Noch ein Beispiel: Fenixes Mutter führt eine Sekte an, die eine selbsternannte, fiktive Heilige verehrt, welcher bei einer Vergewaltigung beide Arme abgehackt wurden. Die Sektenanhänger baden in einem Becken voller Blut, welches noch von jener Vergewaltigung stammen soll, da es auf wundersame Weise nicht trocknet.
Am ehesten sind viele Szenen in "Santa Sangre" mit einem opulenten Bilderrätsel zu vergleichen, in dem der Zuschauer vieles selbst deuten oder einen Zusammenhang erstellen muss.
Optisch ist der Film also ganz ordentlich geraten, wobei er aber definitiv nicht den Geschmack der "Masse" trifft und zarten Gemütern wegen seinen vielen grotesken und perversen Einfällen besser vorenthalten bleiben sollte.


ABER: zwar ist alles ganz bunt, vieles ist auch echt krank, schocken tut einen hier aber nichts! Auch wenn der Film viele echt gute Ideen verarbeiten, zünden leider nur sehr wenige. Dass man vor'm Fernseher mit offenem Mund hockt und die ganze Zeit "Booo... sau krass, ey!!" wegen den unvorstellbaren Widerlichkeiten sagen muss, wird eingesessenen Filmhasen wohl kaum passieren. Dem Zuschauer wird hier durchaus viel Vorher-noch-nicht-dagewesenes präsentiert, aber das wenigste beeindruckt und haut vom Hocker.


In "Santa Sangre" werden aber auch viele bekannte Themen verarbeitet, die man woanders schon mal besser umgesetzt geseh'n hat. Der Ödipus-Komplex von Fenix und dessen zunehmender Realitätsverlust (er hat Halluzinationen von Hühnern) überzeugen nur mittelmäßig. Außerdem schafft es der dargestellte "Wahnsinn" nicht den Zuschauer zu befallen, da dieser einfach nicht verstörend genug ist und ihm der nötige Biss fehlt. Wahnsinnige Muttersöhnchen hat die Filmwelt schon beachtlich überzeugendere hervorgebracht (siehe Norman Bates, Jason Vorheese ;-)

----- Achtung: SPOILER! -----
Am Schluss kommt "Santa Sangre" einem billigen "Psycho"-Abklatsch gleich: Gegen Ende stellt sich heraus, dass Fenix sich die Befehle seiner Mutter die ganze Zeit über nur eingebildet hat. Seine Mutter verstarb nämlich als ihr Mann ihr beide Arme abgeschnitten hat. Folglich kam er seelisch nicht von ihr los oder konnte ihren Tod nicht überwinden.
-----Spoiler Ende-----

Obwohl der Schluss überrascht, fehlt einfach der nötige Pepp, um zu schocken.
ABER zum zweiten: Gegen Ende ist bei dem Film einfach die Luft raus, weil er seit 'ner dreiviertel Stunde einfach SAU-LANGWEILIG IS'! TODSÜNDE NR. 1 im Filmgeschäft!!!
Die Zeit nachdem Fenix ausgebrochen ist und ihn seine Mutter mit einigen (aber wenigen) Morden beauftragt, zieht sich dahin wie 5-jahre alter Kaugummi. Dazu trägt gewiss auch bei, dass die wenigen Morde allesamt sehr unblutig ausfallen. Die blutigste Szene ist die, in der dem sterbenden Elefant eimerweise Blut aus dem Rüssel läuft (Ottifanten-Fans also Obacht).

Als Splatterfan muss ich das einfach erwähnen und somit allen, die auf Gore aus sind, definitiv von diesem Film abraten.

Was bleibt also übrig, lass' mich mal zusammenfassen:
viele grotesk-schöne Szenarien, die aber leider völlig ohne Horror und Thrill (und Blut) auskommen müssen, wodurch ihre Wirkung fast vollständig verpufft. Dennoch ist "Santa Sangre" durchaus erträglich, auch wenn die Handlung nur mäßig mitreisst.
Ekelgrenzen oder die Barriere zum Wahnsinn überschreitet der Film aber definitiv nicht.

Fazit: Muss man nicht unbedingt gesehen haben. Als modernes, abstraktes "Psycho"-Remake aber durchaus brauchbar.

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