"Salvador Allende" ist weniger eine sachliche Präsentation vom Wirken und Ende des ersten demokratischen Staatsoberhaupts Chiles als eine Liebeserklärung. Weniger jedoch an die Titelfigur als an die Utopie schlechthin: die goldene Vergangenheit und die goldene Zukunft, die nur im Traum des heutigen Betrachters existieren.Ich bezweifle stark, daß es auch so beabsichtigt war, aber passenderweise klingt der Film mit dem Gedichtvortrag von "Vinceremos!" aus, in dessen Text sich die symbolischen und realen Wunden Chiles schließen, weil die Zeit rückwärtsläuft.
Allzu ergiebige Interviews vermißt man, dafür stießen die Macher - buchstäblich - zu oft auf verschlossene Türen. Material von Allendes Witwe fehlt erstaunlicherweise komplett. Dominierend sind nicht historische Fakten sondern das Gefühl des Verlusts, zumindest für europäische Ohren mit etwas arg verkitschter Folkloremusik untermalt. Allende wird weitgehend entpolitisiert und als potentieller Heilsbringer Chiles präsentiert, der das Land auf demokratischem Wege zum Sozialismus führen wollte und sich damit zwischen alle in- und ausländischen Lager begab. Er erscheint, vermutlich zurecht, als integrer Mensch, der dem einfachen Volk dienen wollte. Problematische Aspekte wie seine Haltung gegenüber kommunistischen Diktatoren wie Mao werden nur flüchtig gestreift, so daß ein aus dem Zusammenhang gerissener einzelner Satz - "Ich bin ein militanter Sozialist" Erstaunen hervorruft. Romantisch verklärt werden Allendes Kindheit, seine - heute würde man sagen "Ochsentouren" - um das Volk für seine Interessen zu mobiliseren und seine Geselligkeit. Die Frage, wie Allende gedachte, seine Pläne gegen das bürgerliche Lager Chiles durchzusetzen, wird nie gestellt, der Fokus liegt allein auf der Arbeiterklasse.
Am informativsten scheinen die Äußerungen des damaligen US-Botschafters, der unumwunden darlegt, daß Allende aufgrund seiner antikapitalistischen Vorhaben von der USA zum Abschuß freigegeben wurde. Die (Mit-)Schuld der USA am Tod Allendes ist übrigens durch US-Dokumente inzwischen wasserdicht belegt. Laut einer geheimen Anweisung Kissingers war es jedoch nicht rein ideologischer / verteidigungspolitischer Natur sondern der Umstand, daß Allendes Wirtschaftspolitk die USA Millionen kostete.Aber die Dokumentation als ganzes ist keine Anklage, viel mehr Überwiegen, besonders bei den aktuellen chilenischen Stimmen, Trauer, Scham, Verdrängung und Bedauern. Etwas verblüfft war ich, in einer Szene auf der Tonebene zu flimmerndem 16 mm Material in Schwarzweiß offensichtlich nachträglich zumgemischte Schüsse in Stereo zu hören. Aber das scheint mir eher eine Detailverliebtheit eines Toningenieurs gewesen zu sein, als eine generelle Neigung zur Manipulation, denn der Rest der Dokumentation ist eher bedächtig und leise.