Kim Ki-duk ist nicht nur im Ausland ein mittlerweile kontrovers diskutierter Regisseur, auch in seiner Heimat Südkorea war er niemals unumstritten. So waren seine Filme am heimischen Box-Office immer recht erfolglos und sein Geld verdiente Kim Ki-duk durch lukrative Verkäufe seiner Filme ins Ausland und durch Erfolge auf diversen Filmfestspielen. Seine gerade aktuelle Situation ist allerdings ein kleines Trauerspiel ; sein neuester Film "Time" wird in Südkorea wohl nicht in die Kinos kommen, wenn auch eine Internet-Petition das zu verhindern versucht.
Kim Ki-duk ist ein hochqualitativer Vieldreher, auch im Jahre 2004 kam nach "Samaria" noch "3-Iron" in die Kinos. Was auffällt ist dass Kim ruhiger geworden ist. Waren seine frühen Filme von roher und ungestümer Gewalt gekennzeichnet, so wird diese immer noch präsente Gewalt in seinen aktuellen Werken eher hintergründiger vermittelt. Geblieben ist die fast sprachlose Bildgewalt seiner Filme ; die Protagonisten haben kaum Dialoge und der Film macht das, was er in seinen Geburtsstunden auch schon musste, er erzählt durch Bilder und alles andere bleibt stumm. Diese Kunst treibt Kim Ki-duk mittlerweile in die Perfektion, sprich man vermisst die gesprochene Sprache überhaupt nicht und taucht ganz in die Bilder- und Symbolwelt des Kim Ki-duk ab und geniesst die meist trügerische Ruhe seiner atmosphärisch dichten Filme. Auch in "3-Iron" schafft Kim Ki-duk wieder diese für ihn so spezielle Atmosphäre, hier von einer melancholisch und orientalisch anmutenden Sounduntermalung unterstützt. Wer in Bildern erzählen kann und wer Symbolik so schmerzhaft treffsicher zu verwenden mag, der hat die profane Sprache überwunden und dringt in einen Bereich vor, zu dem nur wenige Filmemacher jemals Zugang bekommen.
Der Film heisst ja auch "Leere Häuser" und genau darum geht es auch zu Beginn. Der undurchsichtige aber charismatische Tae-suk ( gespielt von Hee Jae ) führt ein absolut ungewöhnliches Leben. Er dringt in kurzzeitig von seinen Bewohnern verlassene Wohnungen bzw. Häuser ein und nimmt dort für deren Abwesenheit ihre Stelle ein. Er klaut nichts und er verwüstet auch nichts, vielmehr verbessert er durch kleine Reperaturen bzw. Aufräumarbeiten den von den eigentlichen Bewohnern verlassenen Lebensraum. Durch Anbringen von Werbeflyern klärt er vorab, ob die Wohnungen unbewohnt sind. Hängen seine Flyer einen Tag nach Anbringen immer noch unberührt über dem Wohnungsschloss, kann er sich sicher sein, eine unbewohnte Wohnung zu betreten.
Dieser ungwöhnliche Lebensstil geht eine ganze zeitlang auch gut. Dann jedoch betritt er das Haus eines reichen Ehepaars. Der Mann Min-gyu ( gespielt von Kwon Hyuk-ho ) ist auch tatsächlich verreist, doch seine Ehefrau Sun-hwa ( gespielt von Lee Seung-yeon ) verweilt immer noch im Haus. Zuerst beobachtet sie den ungewöhnlichen Besucher aus sicherer Entfernung nur, er repariert wieder etwas und macht die Wäsche, er kümmert sich um die Blumen und übt wie ihr Mann im Garten Golf. Sie empfindet ihn als ungefährlich und gibt sich schliesslich zu erkennen.
Sun-hwa wird von ihrem Mann misshandelt und sieht fürchterlich aus, die Bilder in der Wohnung zeugen von ihrer Schönheit, doch diese ist hinter blauen Flecken und blutigen Krusten verborgen. Der entdeckte Tae-suk verlässt aufgeschreckt während eines Telefonats von Sun-hwa mit ihrem Mann das Haus. Alles was sie bei diesem Telefonat von sich gibt ist ein spitzer Schrei.
Nach einer kurzen Zeit der Besinnung kehrt er jedoch noch in der gleichen Nacht zurück und findet Sun-hwa bitterlich weinend bei einem Bad vor. Es scheint so als ob er auch die kaputte Seele von Sun-hwa reparieren wolle, er bleibt und es entwickelt sich mal wieder eine typische Kim Ki-duk Romanze.
Natürlich taucht der Ehemann auf, er beginnt wieder seine Frau zu misshandeln doch mit Tae-suk hat er nicht gerechnet. In seinem eigenen Haus wird der Ehemann gedemütigt und Tae-suk brennt mit Sun-hwa praktisch auf seinem Motorrad durch. Von nun an lebt sie an seiner Seite und sie dringen gemeinsam in "Leere Häuser" ein, füllen sie mit Leben und reparieren sowohl Dinge als auch die Menschen die eigentlich in ihnen wohnen. Die dabei entstehende Liebe wird jäh beendet. Die beiden werden erwischt und landen bei der Polizei. Sun-hwa wird ihrem Ehemann zugeführt und Tae-suk landet im Knast. Doch wer Kim Ki-duk kennt, der weiss, dass seine Romanzen niemals enden und dass die Liebe bei ihm die ungewöhnlichsten Wege nimmt.
"3-Iron" ist ein faszinierender Film. Das beginnt schon mit der ersten Einstellung ; ein Mann schlägt einen Golfball in Richtung einer wunderschönen Frauenstatue und nur ein Gitter scheint die Gewalt des Schlages abzudämpfen und die Statue vor der Zerstörung zu schützen. Damit hätten wir die Symbolik der Gewalt schon einmal festgelegt. Der golfende Ehemann und der Golfschläger ( das 3er Eisen halt ) dienen als Symbol für die Gewalt in unserer Welt. Dies wird im Film immer wieder benutzt ; auch Tae-suk wird golfen und Sun-hwa wird ihn versuchen daran zu hindern. Er wird den Ball mit einem Draht um einen Baum binden und ihr so versichern, die Gewalt kontrollieren zu können. Letztendlich wird er merken dass diese Kontrolle trügerisch ist und wird einen ungewollten Unfall auslösen.
Das alles wird uns ohne Worte vermittelt, nur die Bilder und die Schauspieler agieren in Kim Ki-duk´s kleiner wundersamen Welt.
Die "Leeren Häuser" sollen wohl die Hüllen unserer gesellschaftlichen Existens darstellen. Die Insassen sind beliebig austauschbar und es kommt auch nicht auf die materiellen Hüllen an, sondern auf das Leben in ihnen. Tae-suk lebt sowohl in Villen als auch in kleinen Appartements, die Probleme der Insassen sind identisch. Geld und Reichtum alleine sind kein Garant das Glück zu finden. So beherbergt die grösste und schönste Villa den übelsten Typen des Filmes überhaupt, den Ehemann Sun-hwa´s. Hier wird repariert und hier wird Tae-suk ebenso zum Schraubendreher wie bei Uhren oder Waagen. Er gibt Sun-hwa die verlorene Würde zurück, er beachtet ihre Wünsche und er zeigt ihr wieviel mehr Inhalt in kleinen Wohnungen sein kann, wenn die richtigen Menschen drin wohnen. Die glücklichsten Momente der beiden finden wir bezeichenderweise nicht in ihrer Luxusvilla.
Kim Ki-duk hat offenkundig Probleme mit der Upperclass seines Landes ; die Gesellschaftskritik ist offensichtlich und auch aus seiner persönlichen Vergangenheit nachzuvollziehen. Er beklagt Lieblosigkeit, Kälte und Leere im Leben der Menschen und wo er früher geschlagen und geprügelt hätte, lässt er heute das 3er Eisen schwingen. Golfbälle dienen als Faustschläge und sie schmerzen, Kim Ki-duk verteilt immer noch Gewalt wenn auch subtiler als früher. Aber er räumt der Liebe eine viel grössere Kraft und auch eine viel grössere Zukunft ein.
Am Ende wird der Film zwar mysteriös und gar surreal, doch die Existenzen hinter vielen Mauern dieser Welt sind ebenso mysteriös und surreal. Frauen die verdrängen und Männer die sich ständig ändern und es niemals tun. Woher kommt die Erlösung in diesen Fällen? Wenn die Frau zu schwach zur endgültigen Trennung ist und sich in Wunschträume flüchtet, um die Realität ertragen zu können. Wissen wir wirklich was sich in den Köpfen dieser Menschen abspielt?
Kim Ki-duk lässt seinen Tae-suk zum Geist werden ; er repariert aber er zerstört nichts. Er gibt vielmehr ohne jemals etwas entwendet zu haben. Tae-suk wird zum Symbol für die Traumwelten vieler verzweifelten und ständig gedemütigten Individuen unserer ach so reichen Wohlstandsgesellschaft und nur er wird Sun-hwa zwar nicht die einzigen, aber die wichtigsten Worte auf die Lippen zaubern.
"3-Iron" ist ein Film der Kim Ki-duk wohl auf seinem Höhepunkt zeigt ; filmtechnisch und symbolisch ist der Film perfekt. Seine Atmosphäre nimmt einen sofort gefangen und die Bildersprache ist gewaltig. Natürlich muss ich zugeben, mittlerweile ein grosser Fan zu sein, doch auch nüchtern betrachtet sind das hier klare 10 Punkte.