Review

„Einfach zu sein ist das größte Glück auf Erden."

Mit Kung Fu Hustle erzählt uns der Hongkong-Regisseur Stephen Chow eine Geschichte um den Möchtegern-Gangster Sing und seinen dicken Freund Gu, die im Shanghai der 50er Jahre auf Biegen und Brechen echte Gangster werden wollen und zu diesem Zweck bei der hiesigen Gangster-Truppe anheuern, die gerade gewaltig mit einigen Kung-Fu-Meistern zu schaffen hat, die ihrerseits ein friedliches Leben in einem heruntergekommenen Mietshaus führen wollen und reihenweise die Handlanger der Gang auseinander nehmen. Kung Fu Hustle steht ein wenig zwischen den Extremen und ist trotzdem für sich wieder ein eigenes. Vorab: wer einen Film im Stile von von Jackie Chan- oder Jet Li-Movies erwartet, ist leicht falsch gewickelt. Mal wieder ist die Geschichte, wie bei Chow üblich, äußerst durchgedreht, allerdings nicht annähernd so herrlich albern und teilweise befremdlich wie bei den kickenden Mönchen von „Shaolin Kickers", dem Vorgängerfilm des Regisseurs.

„Ein Lied, das dir durch den Körper fegt - und dir deine Kniescheibe zerlegt."

Unsere Bösewichte, die mit dem bedeutungsschwangeren und recht bekloppten Namen „Axt-Gang" betitelte Truppe aus hirnverbrannten, chaotisch-witzigen Gangstern, die stets Zylinder auf dem Kopf und eine kleine Handaxt bei sich tragen und bei ihren Morden immer ein kleines Siegestänzchen aufführen, machen wirklich Laune und basieren wohl auf einem legendären Kombinat, das wirklich in China existiert haben soll. Die mittelmäßig erfolgreichen „Musiker" als Doppel-Attentäter, die der Chef der Axt-Gang später auf die Kung Fu-Helden des Mietshauses ansetzt, sowie der „Endboss", der schlicht „das Biest" genannt wird, machen den Film zu einem niemals pausierenden, extrem kurzweiligen Erlebnis, der keinen Moment zum Atem holen Zeit lässt. Die beiden Volltrottel Sing (der übrigens von Chow selbst verkörpert wird) und Gu auf der anderen Seite, die gerne in die Axt-Gang aufgenommen werden wollen, haben eine tragische Vergangenheit hinter sich: Sing hat erkannt, dass man als Guter auf der Welt keinen Erfolg hat, weil er als Kind einmal ein taubstummes Mädchen gegen ein paar Schläger verteidigen wollte, nachdem ihm ein Fremder ein Handbuch für Kung Fu-Kampfkunst angedreht hatte und er -vorprogrammierterweise- kläglich versagt hat.

„So viele Gangster - so wenig Zeit."

Dürfen wir mit Sicherheit aberwitzige Martial Arts-Spezialfähigkeiten erwarten, hält Kung Fu Hustle dennoch in jeder Sekunde unerwartete, weitere Überraschungen parat und hält den Trash-Faktor durchweg hoch - wobei wir eigentlich nicht von richtigem Trash sprechen dürfen, da die Effektkulisse und das Spiel mit Farben wirklich erste Sahne sind. Die kultige Anfangsszene in rosarotem Licht zum ersten Auftreten der Axt-Gang ist wirklich sehenswert. Überhaupt ist der ganze Film die Gags und die Sounds betreffend in einem Slapstick- und Zeichentrick/Comic-Stil gehalten, wenn zum Beispiel Möchtegern-Gangster Sing sich einen Gegner aus den Reihen der Mietshausbewohner suchen will und die stets zu viel auf dem Kasten für sein Kaliber haben oder er und die Vermieterin sich ein Roadrunner-mäßiges Verfolgungsduell liefern. Man fühlt sich ständig und von allen Seiten an Filme mit Bruce Lee erinnert und ob der Humorart wegen an Animes wie Dragonball oder Ranma ½, was für Genre-Fans sowieso ein riesiges Fest ist. Außerdem hat der Score teilweise echten Kill Bill-Charakter. Die Atmosphäre des Films wechselt auch stets hin und her, finden wir uns erst in einer Großstadt-Gangsterschlacht wieder, geht der Film nahtlos in eine Asia-Western-Kulisse in sengender Hitze über.

Am Anfang fühlt man sich tatsächlich ein wenig an das Asterix-Prinzip erinnert - ein altes Mietgebäude mit seinen Kung Fu-Kämpfer-Heroen bildet den Wall gegen die bösen Feinde, die alle unterjochen wollen. Dazu kommen mehrere skurrile, immer wiederkehrende Running Gags, wie zum Beispiel, dass wir in nahezu jeder Szene beim Mietshaus den nackten Po des Paradiesvogel-Friseurs zu Gesicht bekommen. Hin und wieder finden wir auch Anspielungen auf diverse Hollywood-Filme. Als zum Beispiel Sing seine taubstumme Freundin wiedertrifft, stehen sie vor einem großen Filmplakat von „Die Tänzer vom Broadway" (Broadway-Tanzeinlagen gibt es übrigens auch von der Axt-Gang selbst zu sehen) oder während er in das Hochsicherheitsgefängnis einbricht, um „das Biest" zu befreien, betritt er einen Korridor, aus dem in bester „Shining"-Manier ein Strom von Blut auf ihn hereinbricht.

Trotzdem hier ein Manko - teilweise ist dieser Absurditätsfaktor nicht durchgehend und der Film bremst sich ein wenig aus, da es dann doch hin und wieder etwas brutalere und fast schon ernste Bilder zu sehen gibt. Sehr gestört hat in diesem Film, der ja eigentlich völlig überladen mit Witz sein sollte, dieses tragische Element um die Hintergrundgeschichte Sings. Außerdem nervte mal wieder ohne Ende die deutsche Synchronisation, die -ausgehend von diversen, noch wesentlich weniger beachteten Asia-Movies- zwar akzeptabel ist, aber stellenweise dennoch sehr aufgesetzt rüberkommt. Vor allem, wenn man selbst im Wikipedia-Artikel oder auf diversen Seiten im WWW zu Kung Fu Hustle nette Trivia-Facts nachlesen kann unter dem Vermerk „kommt in der deutschen Fassung nicht vor" oder „ist getilgt worden." Das Ganze ist dann manchmal bei asiatischen Filmsynchros so zum Haare Ausrupfen ärgerlich, dass man am Liebsten so schnell wie möglich noch einmal Sinologie/Koreanistik oder Japanologie studieren möchte.

Das Bild der Bluray ist übrigens exzellent, genau wie der Sound auch. Gerade, wenn einem ganze Häuserblöcke und tausend Gangster um die Ohren fliegen oder die Vermieterin (die übrigens als Charakter im Film von der ersten Sekunde an total nervt) ihre markerschütternde Schreistimme auspackt, lohnt sich eine qualitativ gute Anlage sehr. Mit gerade einmal 95 Minuten ist der Film auch schon wieder sehr schnell vorbei - aber es brennen sich doch einige Charaktere und Szenen so tief beim Zuschauer ein, dass Chows Werk zurecht ein kommerziell sehr erfolgreicher Film geworden ist, und das weltweit. Ebenfalls ganz nett: das Bonusmaterial, bestehend aus Deleted Scenes, einem Behind the Scenes-Beitrag (sehr empfehlenswert!), einem Stephen Chow-Interview (ebenfalls ganz nett, vor allem, wenn man ein paar Infos zu anderen Filmen des Regisseurs erhalten möchte) und natürlich Trailern Outtakes (letztere sind sehr geil!).

Zuschauern, denen dieser Grad an Unrealismus und Skurrilität gar nicht liegt und die auch ungerne mal vor Schadenfreude am Boden liegen und lachen, wird auch Kung Fu Hustle, der ohnehin das ganze Genre und so auch die pathos-lastigen Klassiker wie Drunken Master und überhaupt alle Bruce Lee-Filme ein wenig satirisch parodiert, ebenfalls wohl eher nicht gefallen - dennoch ist er wegen des hohen Spaßfaktors beim Schauen, der Anspielungen und der Stilmischungen, die Chow begeht, meiner Meinung nach durchaus sehenswert, auch für weniger große Fans von Martial Arts und Kampfkunst. Für eingefleischte Anhänger muss ich hier ein ganz klares „Must see" aussprechen.

Fazit: Das sind die Fakten - an Kung Fu Hustle scheiden sich die Geister. Regisseur Chow sprengt alle Ketten, die uns an Naturgesetze binden und spuckt den Vorgaben der Physik und der Logik ins Gesicht, wie auch viele andere Martial Arts-Filme aus Asien - und genau das ist das herrliche an diesem Genre. Das wissen die Kenner und bekennenden Fans. Hier ist alles in Superlative übertrieben und genau davon lebt Kung Fu Hustle. Das Ganze ist sogar so skurril, dass man sich irgendwann gar nicht mehr wundert, wenn einer der Widersacher sich auf den Boden legt und sein Mund und sein Kinn sich wie ein Krötenmaul aufblähen oder die Vermieterin eine gigantische Glocke als Megaphon für ihren ohrenbetäubenden Schrei benutzt. Das Abgedrehte und Absurde kommt dem Zuschauer einfach irgendwann vollkommen normal vor - und genau deswegen hat Kung Fu Hustle doch sein Ziel erreicht. Verrückte und teils gewollt dämliche Dialoge, viele neue Ideen und bekloppte, überzeichnete Charaktere sind gute Faktoren, um einen schrägen Unterhaltungsfilm der Extraklasse zu kochen - und das ist Chow mit ein paar Kritikpunkten auf jeden Fall gelungen.

Ich gebe 8/10 Punkten.

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