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Alter Cop, junger Cop. Eine bekannte Kombination, die in vielen Filmen für Reibereien und spannende Plots sorgt. In COLORS haben wir einmal den erfahrenen Officer Hodges (Robert Duvall), der ein Jahr vor der Pensionierung wieder zum Streifendienst für Straßengangs abkommandiert wird. Er ist ein alter Hase, der seine Erfahrungen mit den Gangs gemacht hat, dort viele kennt, und die Hoodies im Zweifelsfall lieber mal laufen lässt, damit sie ihm einen Gefallen schulden. Sein neuer Partner ist der junge und aufbrausende McGavin (Sean Penn), der voller Idealismus und Wut steckt, und das ganze Ghetto am liebsten auf einmal verhaften möchte. Hodges versucht, McGavin die Feinheiten eines abgewogenen Polizeieinsatzes nahezubringen. Warum man die frisch Verhafteten lieber einmal öfters laufen lässt, und wann das Ausführen der Gerechtigkeit lieber den Anführern der Gangs überlassen werden sollte. Aber McGavin ist bis obenhin voll mit Adrenalin, und sein rücksichtsloses Auftreten schafft ihm eine Menge Feinde. Er gerät in die Schusslinie zweier rivalisierender Gangs, denen nichts lieber wäre, als beim Abknallen der Gegner den blöden Macho-Cop gleich mit kaltzumachen …

Was ich an Filmen so mag ist die Möglichkeit, in eine Welt einzutauchen, die man im echten Leben niemals kennenlernen würde. Und auch gar nicht wollte, denn mal ehrlich: Wer von uns weißen, mittelständischen Wohlstands-Filmfreaks würde jemals freiwillig einen Fuß in ein Latino- oder Schwarzenghetto in Süd-LA setzen wollen? Aber mit einem Film geht das. Man lernt die Gesetze dieser Welt kennen, die angenehmeren und die unangenehmeren Zeitgenossen, und kommt ohne einen Kratzer an Leib und Seele wieder aus der Sache raus. Zumindest am Leib - Was die Seele angeht, da kann es schon mal zu Beschädigungen kommen, je nach Film …

COLORS zum Beispiel. Wir folgen zwei Cops in die Hölle der Ghettos von Los Angeles, sehen einem eskalierenden Bandenkrieg zu, und müssen uns gemeinsam mit den beiden Polizisten mit Fragen beschäftigen wie: Wer hat Steine auf unser Auto geworfen? Warum sollte ich jetzt auf einer Strafe oder Verfolgung beharren? Was passiert, wenn ich Gnade vor Recht walten lasse? Und warum sollte ich das überhaupt tun?

Spannende Fragen, die mit Sicherheit auf einer Polizeischule anders behandelt werden als im wirklichen Leben. Die noch viel spannendere Frage ist aber: Wie behandelt Regisseur Dennis Hopper wohl diese Fragen? Mit einer gewissen Street Credibility, die man vom Großmeister des Drogenwahns und des Freiheitsrauschs irgendwo fast erwarten kann? Oder eher auf die Akademische? Denn vor genau solche Probleme wie den Erwähnten stellt er die Protagonisten: Mit sanftem Druck und etwas Entgegenkommen kann Hodges viele Konfliktsituationen lösen, kann auf Verständnis von älteren Gangmitgliedern bauen, und bekommt auch immer wieder mal Informationen über geplante oder durchgeführte Straftaten.

Dagegen stellt Hopper dann einerseits den jungen und aufbrausenden McGavin, der sich in eine Ghettobewohnerin verliebt, es aber nicht versteht, dass sie heute in diesem Viertel lebt, und auch morgen dort noch leben muss, somit also an bestimmte Verhaltensregeln gebunden ist. Als McGavin seine Freundin besuchen will und dabei mit Gangmitgliedern aneinandergerät, kann er partout nicht nachvollziehen, warum Louisa beginnt sich von ihm abzuwenden. Auf der anderen Seite sehen wir dann aber auch irrationales Verhalten der Gang-ster, die in einer völlig losgelösten Szene einen Touristen(?) erstechen, weil er in ihrer Gegend halt nichts zu suchen hat. Unverständnis und aggressives Verhalten der Polizei versus Aggressionen der Gang-ster, und zu was das führen kann hat man vor ein paar Jahren in den französischen Vorstädten  gesehen. Der Film DIE WÜTENDEN – LES MISÉRABLES legt davon ein eindrucksvolles Zeugnis ab.

Dennis Hopper aber, und da kommen wir zu wesentlich interessanteren Problemen, nämlich den filmischen Implikationen, Dennis Hopper also packt diese Konfrontation in einen … Ja was eigentlich? Ein Polizeifilm wie DIE BRONX oder DARK BLUE ist COLORS noch am ehesten, ohne aber jemals deren hautnahe Sprengkraft erlebbar zu machen. Wenn in DARK BLUE der Krieg im Ghetto losbricht, dann rutscht der Zuschauer sehr heftig auf dem Sofa hin und her, denn Kamera und Schnitt hetzen uns mitten hinein in ein bürgerkriegsartiges Geschehen und sorgen für viel Adrenalin und Emotion.
COLORS zeigt nun allerdings keinen Krieg des Ghettos mit der Außenwelt, sondern einen Krieg zweier verfeindeter Banden, der dadurch am Laufen gehalten wird, dass Die Anderen andere Farben tragen. Dieser Krieg wird dargestellt in Form von zwei(!) Shootouts, der eine ein extrem kurz gehaltener Beschuss einer Villa, der andere ein kriegsartiger Überfall eines Platoons auf eine Baracke, die mit dem vollkommen sinnlosen Tod zweier Personen endet, zu denen der Zuschauer allerdings keinerlei Bindung aufbauen konnte, und die ihm, ehrlich gesagt, ziemlich am Arsch vorbeigehen. Der Beschuss der Villa hingegen hat zwar ein fatales Ergebnis, aber dieses Ergebnis wird nur so im Vorbeigehen abgehandelt, die Regie interessiert sich in diesem Augenblick viel mehr für das Liebesleben McGavins als für die tote, unbeteiligte Frau, die das eigentliche Drama gewesen wäre.

Was nichts anderes heißen soll, als dass ich die Schwerpunkte von COLORS nicht so recht verstehen kann. Auf der einen Seite der Versuch, das knüppelharte und von Gewalt und Drogen geprägte Leben im Ghetto darzustellen (man beachte die authentischen und düsteren Bilder während des Abspanns), auf der anderen Seite eine schmackige Verfolgungsjagd und eine Prügelei in einer Restaurantküche – Beides würde einem Actionfilm gut zu Gesicht stehen, aber COLORS erweckt eigentlich nicht den Eindruck, ein Actionfilm sein zu wollen. Dafür hat es zu viele Szenen, die durch ihre finstere und zugleich niederdrückende Stimmung wirken wollen.

Action mit Anspruch also? Da drängt sich wieder Kathryn Bigelows DARK BLUE auf, der genau diesen Spagat hinbekommt: Korrupte Bullen, im Kampf mit sich selbst, der internen Ermittlung und dem Krieg im Ghetto. Actionlastige Szenen als perfekte Unterhaltung, in Kombination mit einem schmerzhaft erhobenen Zeige- (oder Mittel-) -finger in bezug auf Polizisten, die sich als weiße Herrenmenschen gerieren.

COLORS hingegen scheitert an diesem Spagat. Und das liegt beileibe nicht an den (Haupt-) Figuren, die bei aller Klischeehaftigkeit von Robert Duvall und Sean Penn hervorragend mit Leben gefüllt werden. Hodges, der sein Leben mit den Gang-stern verbracht hat, und  allmählich sogar die gleiche Gestik drauf hat wie sie, ist der müde Bulle, der trotz bevorstehendem Rentenanspruch  immer noch genug Feuer im Arsch hat um LA alleine befrieden zu wollen. Und Sean Penn gibt den überambitionierten Jungspund mit Allüren so unglaublich echt, dass am Ende, wenn er seinem neuen Partner den gleichen Witz erzählt den Hodges immer erzählt hatte, dass dann bei seiner unbeholfenen Art sogar Fremdschämen angesagt ist. Was für ein Schauspieler!

Nein, die Schuld muss einzig und allein bei der Regie gesucht werden, die es nicht schafft, eine stringente Story abwechslungsreich und trotzdem zielgerichtet zu erzählen, und sich stattdessen in Nebenschauplätzen verzettelt, die den Film zerfahren wirken lassen. Der gesehene Unrated-Cut, etwa 9 Minuten länger als die „Normal“-Version, enthält Szenen, die den Drive aus der Erzählung rausnehmen, ohne einen Gegenwert zu liefern. Die viel zu lang gezogene Liebesszene zwischen McGavin und Louisa zeigt ein fehlendes Gespür für das richtige Timing, die Sequenz mit dem Touristen(?) ist bitter, aber zusammenhanglos, und die Diskussion unter den Hoodies erläutert zwar den ein oder anderen Charakter, der Film würde aber auch ohne funktionieren. Ich bin der Überzeugung, dass die kürzere Fassung in den entscheidenden Momenten knackiger rüberkommt, allerdings wirft die längere Version ein Schlaglicht darauf, dass Dennis Hopper, bei aller Genialität die er als Schauspieler hatte, als Regisseur zumindest hier doch etwas überfordert schien. COLORS wirkt in seiner teilweise Episodenhaftigkeit manchmal wie ein Versuch DIE CHORKNABEN zu erneuern, aber ohne deren bösen Witz, dafür mit den Ghettobewohnern als Antagonisten.

Wahrscheinlich wollte Hopper eigentlich die Stimmung in den Ghettos zeigen, den Hass und die Verzweiflung, die Armut und die Drogen, und was die jungen Menschen in die Arme der Gangs treibt. Die entsprechenden Ansätze sind vorhanden, aber dann hätte ich wesentlich mehr Szenen im Ghetto erwartet, und vielleicht sogar noch eine durchgehende Handlung rund um die Gang-Charaktere Frog, Hightop und Rocket. Gerade der Letzere, der gegen Ende des Films so eine gewichtige Rolle spielt, taucht wie der Teufel aus der Kiste irgendwann plötzlich auf und reißt die Richtung der Handlung an sich, ohne dafür aber wesentlich Screentime zu bekommen. Symptomatisch für diese Orientierungslosigkeit ist die Szene, wenn vor dem Überfall auf sein Haus Rocket in einem Sessel sitzt, laute Musik hört, und die Kamera anstarrt. Mehr ist da nicht, und mehr gibt der Charakter anscheinend nicht her. Oder die Phantasie des Regisseurs. Wenn ich mir dagegen anschaue, mit wie wenig Aufwand die Personen in GESETZ DER STRASSE – BROOKLYN’S FINEST Tiefe und Inhalt bekommen, wie einfach und doch wirkungsvoll Antoine Fuqua dort die verschiedenen Handlungsfäden geschickt miteinander verwebt, um dann ein kunstvoll und gleichzeitig hochdramatisches Ende einem völlig konsternierten Zuschauer um die Ohren zu klatschen, dann wird erst klar, wie hölzern und aufgesetzt COLORS wirkt.

Kann sein, dass Hopper es nicht schafft die richtige Stimmung zu treffen.  Kann aber auch sein, dass ich COLORS einfach nur nicht verstehe, oder zu dumm bin, in der Parallelität der Konflikte im Großen und im Kleinen die Genialität der Absicht zu sehen. Aber mir war das alles zu unentschieden und zu wischiwaschi. Sorry Folks, nicht meines …

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