Es scheint so, als hätte Nu Image-Chef Avi Lerner mit seinen Mannen eine neue Masche zum Geldverdienen ausgeknobelt. Während für die B-Actionklitsche Nu Image nur noch die nötigsten Budgets genehmigt werden, – woraus dann aktuell meist desaströse B-Machwerke resultieren - versucht man sich mit Millenium Pictures einen seriöseren Ruf zu verschaffen und in Co-Produktionen mit Major-Labels bisweilen auch ins Kino zu trauen. An dem Unterfangen gibt es nur einen Haken: Es kommt dabei kein guter Film zustande. Denn anstatt Geld in die Inszenierung (inklusive Regisseur und dem ganzen Pipapo), werden vornehmlich meist abgehalfterte, bekannte Gesichter als Zugpferde eingespannt (Motto: Der neugierige Kunde ist schon blöd genug, um sich den Film zu leihen). Entweder sind sie ohnehin billig zu bekommen (Huhu, James Spader), rütteln eifrig am Tor zur Welt der B-Produktionen (Huhu, Wesley Snipes), oder sind so auf eine Rolle festgelegt (worden), dass sie froh sind, mal wieder ein Engagement zu bekommen. Wo wir bei Ray Liotta und Willem Dafoe angekommen wären. Beide machen dieses Jahr die 50 Lenze voll, gehören aber immer noch zu Hollywoods erster Wahl, wenn irgendwo Extremcharaktere gesucht werden – bevorzugt wahnsinnige Psychos. Ich liebe sie dafür.
Abseits solcher Maniac-Rollen sieht man sie jedoch nur selten. Man kann jetzt natürlich argumentieren, dass sie ihre Rollen halt sorgfältig auswählen, die Wahrheit ist aber wohl, dass beiden nicht mehr so schrecklich viele Angebote unterbreitet werden und sie wohl langsam, solange ihr Name noch was taugt, über den Tellerrand Hollywoods schauen müssen und das tut weh.
Ray Liotta sah man in den letzten fünf Jahren zwar in größeren Produktionen wie „Hannibal“ oder „Heartbreakers“, aber da glänzte er fast durchweg nur in Nebenrollen und dafür gibt es bekanntlich nicht die großen Schecks. Auch bei „The Identity“ dürfte er nur ein kleines Stück vom Kuchen abbekommen haben. Seinen Bravourauftritt hatte er mit dem sensationellen „Narc“ und das war bekanntlich eine Low-Budget-Produktionen. Woher also das Geld nehmen und nicht stehlen, wenn man ein bescheidenes Leben als Hollywood-Schauspieler führen will.
Ähnlich schaut es bei Willem Dafoe aus. In den letzten fünf Jahren gab es abseits vom Independent-Projekt „Shadow of the Vampire“ nur eine Möglichkeit zu glänzen und das war „Spider-Man“, wo er dann erwartungsgemäß auch sein Bestes gab. Die restlichen Filmauftritte setzten sich aus Nebenrollen zusammen. Was er kürzlich so in „xXx: State of the Union” trieb, ist mir momentan noch nicht bekannt…
So genug geschwafelt, also zum Film. Wie es nicht anders zu erwarten war, wurde auch „Control“ in Bulgarien heruntergekurbelt. Nun hat man hier aber wohl Drehgenehmigungen erhalten, die über Sofias Ghettos hinausgingen. Deswegen könnte man, wenn man zwei Augen zudrückt, sich die Szenerie auch als Amerika verkaufen lassen.
Von der Prämisse her ist der Film auch gar nicht mal schlecht und die erste halbe Stunde unterhält er mit wenigen Abstrichen auch ganz hervorragend. Lee Ray Oliver (Liotta) ist ein soziopathischer, hochgradig aggressiver Mehrfachmörder, der zum Tode verurteilt wird, im Leichenschauhaus aber feststellen muss, nur ein paar bessere Valium in die Venen gedrückt bekommen zu haben. Ihm wird eine letzte Wahl gewährt: Entweder er nimmt an den medikamentösen Studien von Dr. Michael Copeland (Dafoe) teil oder er wird auf der Stelle zu Tode gespritzt. Nach kurzem Zögern willigt er ein...
Wir erleben umgehend Liotta in Bestform. Zunächst scheinen die Medikamente, die böses Gedankengut unterdrücken und damit aus ihm einen guten Mensch machen sollen, nicht anzuschlagen. Er randaliert, versucht auszubrechen, prügelt sich mit den Wärtern, rastet bei Tests völlig aus, öffnet sich gegenüber Copeland und erzählt von seiner tragischen Jugend (die später leider keine Rolle mehr spielt), brodelt aber innerlich stets wie ein unberechenbarer Vulkan. Copeland schraubt die Dosis nach oben, Liotta verändert sich und während wir noch überlegen, ob Liotta die Pillen wirklich schluckt oder sich einfach nur verdammt gut kontrollieren kann, beginnt der Plot in niedere Abgründe zu entschwinden.
Da wäre zum einen die Geschichte um einen russischen Mafiaboss, der von einem korrupten Bullen gesteckt bekommt, dass Lee Ray Oliver noch lebt. Oliver erledigte seinerzeit im Knast in Notwehr die nahe Verwandtschaft und soll nun büßen, was mit der Todesstrafe ja auch erledigt war. Aber warum um Himmels Willen informiert der fette Cop diesen Mafioso? Er handelt sich doch damit nur Ärger, Probleme und jede Menge Tritte ein! Hätte er das Geheimnis für sich behalten, wäre nie etwas passiert. So hetzt in einem Subplot nämlich ein glatzköpfiger, mongolischer Klischeekiller hinter Oliver her, weil der gemäß Feldversuch mit Fußpeilsender in die Freiheit entlassen wird. Die Wissenschaftler wollen ihr handzahm gewordenes Experiment mal live testen.
Der zweite Subplot dreht sich um Dr. Michael Copeland selbst. Der hat aufgrund seiner Unbeherrschtheit den Tod seines Sohnes verschuldet, lebt jetzt getrennt von seiner Frau, bummst eine immerhin attraktiv ausschauende Assistentin (Danke, für diese höchst überflüssige Dreiecksbeziehung) und grämt sich gallore. Leider will sich dieses Thema so gar nicht in den Film einfügen. Dass das veränderte Verhalten von Oliver auch auf Copeland abfärbt ist Humbug, ohne Unterbau und wird an den Haaren herbeigezogen. Dass sich da eine abstrakte Art von Freundschaft zwischen den beiden anbahnt, wird schon deutlich, aber dass Oliver Copeland von seinen seelischen Schmerzen befreit. Ich lach mal herzlich...
Seine ersten Schritte in der Freiheit verlaufen dann wiederum ganz interessant (Auch wenn ich dem schwarzen, mich ständig auffällig verfolgenden Van mit den verspiegelten Fenstern wohl an jeder Ecke den nackten Hintern gezeigt hätte). Der schüchterne, ja fast sympathische Oliver besorgt sich einen Job, versucht ein ordentliches Leben zu führen und lernt die attraktive Teresa (Michelle Rodriguez, die ja auch nicht gerade mit tollen Rollen überhäuft wird, hier ausnahmsweise mal sympathisch) kennen. Es funkt zwischen den beiden. Alles im Rahmen eines wenn auch nicht guten, aber ordentlichen Dramas.
Zugunsten der Spannung wird dieses Drama jedoch aufgegeben, denn Oliver, der sich die Sünden seiner Vergangenheit nicht verzeihen kann, hat bald nicht nur den russischen Killer am Arsch, sondern auch noch einen vergeltungssüchtigen Bruder, der ihm ebenfalls ans Leder will. Da heißt es flüchten, flüchten, flüchten – bis zum bitteren Ende.
Das schlimmste an Control ist aber seine biedere Billig-Inszenierung, in etwa so unspektakulär wie Wesley Snipes neuerer „Unstoppable“. Weil die Kohle in die Darsteller gesteckt wurde, entfacht TV-Routinier Tim Hunter hier eine langweilige, unattraktive Fernsehoptik, die nicht im Ansatz irgendwo visuelle Klasse besitzt. Ich verlange hier ja gar keinen Hochglanzlook, aber man sollte schon ansatzweise wissen, dass man ein Drama dann auch so inszenieren sollte, dass die Figuren einem ans Herz wachsen (oder das Gegenteil) und nicht alles nach gelangweiltem, schematischem Szenenaufbau aus dem Baukasten aussieht. Absolut furchtbar, auch wenn Ex - P.M. – Komponist Louis Febre („CIA Code Name: Alexa“, „Rage“) einen überraschend passenden Score fabriziert.
Um es noch einmal zusammenzufassen, „Control“ ist nicht wirklich schlecht, aber ein Film der verschenkten Möglichkeiten und das nehme ich den Machern übel. Wenn man hier schon Ray Liotta und Willem Dafoe zusammen in einen Film bekommt, ist es quasi Pflicht daraus auch etwas zu machen. Die ersten 30 Minuten klappt das dann ja auch, denn beide spielen top, aber warum dann mindertalentierte Drehbuchautoren die Prämisse so in den Sand setzen, indem sie die russische Mafia mit ins Spiel bringen und anstatt ausführlich auf die erfolgreiche Charaktergenesung eines Psychopathen zu setzen (daraus hätte wirklich ein super Drama werden können), einen rächenden Bruder dazuschalten, ist bei mir der Ofen aus. Verzeihlich sind dabei so kleine Ungereimtheiten wie das Fehlen von Psychologen (So was sollte man bei solchen Experimenten doch dazuschalten?) oder die Tatsache, dass der Staatsapparat solche pharmazeutischen Experimente wirklich genehmigt.
Fazit:
Dank Sympathiepunkte für den hier mal wieder top aufspielenden Ray Liotta und den etwas schwächeren Willem Dafoe reicht es hier geradeso noch für das Mittelmaß, denn nach seiner starken ersten Hälfte, geht „Control“ katastrophal baden – da nützt auch das überraschende Ende nichts mehr. Mir ist wirklich schleierhaft, wie man so eine Prämisse so übel verbocken kann. Anstatt eines erstklassigen Dramas gibt es hier dämliche Subplots und langweilige Verfolgungsjagden – alles in einer Biedermeier-Optik. In der letzten Zeit gab es wirklich keinen Film, der seine Möglichkeiten so sträflich außer Acht lässt.