Biopics, wie etwa über „Ray, „Kinsey“, den Erfinder von Peter Pan, Howard Hughes, Cole Porter oder Paul Rusesabagina vom „Hotel Rwanda“, erfreuen ich ja zur Zeit großer Anerkennung und Beliebtheit, und so passt es hervorragend ins Bild, dass Ausnahmetalent Kevin Spacey gerade jetzt dem Sänger und Schauspieler Bobby Darin ein filmisches Denkmal setzt…
Im Kindesalter sagen die Ärzte dem 1936 in New York geborenen Walden Roberto Cassotto wegen einer schweren Herzkrankheit eine nur kurze Lebensspanne voraus. Um ihm die Zeit so angenehm wie möglich zu gestalten, bekommt er von seiner Ziehmutter Polly ein Klavier geschenkt, und mit viel Übung sowie ihrer Unterstützung will Walden die ihm bleibenden Jahre optimal nutzen, um seinen großen Traum, mit 25 eine Legende sowie „größer“ als Frank Sinatra zu sein, unter allen Umständen doch noch zu erreichen.
Einige Jahre später zieht er nach New York, ändert seinen Namen zu „Bobby Darin“ und landet kurz darauf mit „Splish Slash“ einen großen Hit. Doch Bobby (Kevin Spacey) will unbedingt mehr als nur ein „seichter Musiker“ sein – sein Ziel besteht darin, die „großen Swing-Klassiker“ zu singen und im legendären „Copacabana“-Club aufzutreten. Das alles erreicht er schließlich auch: Mit 23 gewinnt er für „Mack the Knife“ den Grammy und versucht sich zudem als Schauspieler in Hollywood.
Während eines Drehs in Italien entdeckt er in der Kollegin Sandra Dee (Kate Bosworth) seine große Liebe und spätere Ehefrau. Gemeinsam scheinen sie das perfekte Paar zu sein, doch hinter der Fassade kommt Sandra immer weniger damit zurecht, dass Bobby lieber auf Tour geht, als sich Zeit für die Familie zu nehmen. Das verstärkt sich weiter, als er den erhofften Oscar für seine Nebenrolle in „Captain Newman, M.D.“ nicht gewinnt. Als er dann in die Politik einsteigen will, holt ihn jedoch eine ihm bis dato nicht bekannte Tatsache aus seiner Vergangenheit ein, die auch dieses Vorhaben scheitern lässt.
Enttäuscht, und inzwischen von Sandra getrennt, kehrt er dem gekünstelten Showbusiness den Rücken und zieht sich in einen Wohnwagen am Meer zurück, wo er zum ersten Mal die wahren Werte des Lebens zu schätzen lernt. Während des Vietnam-Krieges feiert er einen „späten“ Hit mit dem Protestsong „Simple Song of Freedom“, doch ein Comeback scheitert an seiner Weigerung, seine alten (kommerziellen) Lieder präsentieren zu wollen. Als sich seine Gesundheitslage dramatisch verschlechtert, versucht er sich an einem letzten Auftritt in Las Vegas…
„Beyond the Sea“ ist keine Realitäts- oder Tatsachen-bezogene Verfilmung wie etwa „Ray“, sondern vielmehr eine freie Interpretation im Stile von „Finding Neverland“, denn auch in diesem Fall werden die Szenen immer wieder von Fantasiesequenzen unterbrochen, die eine besondere Situation oder Stimmung unterstreichen. Allein schon, dass der Film mit (fiktiven) Dreharbeiten beginnt, bei denen Darin seine Autobiographie verfilmt, setzt gleich den Ton für die folgenden zwei Stunden, denn Bobby begegnet sich dort selbst als kleiner Junge und geht mit ihm dann gemeinsam die Stationen seines Lebens durch. Als der kleine Darin kurz darauf anmerkt, dass einiges so nicht der Wahrheit entsprechen würde, erwidert der ältere, dass es darauf bei Erinnerungen nicht ankäme. Und so erlebt der Zuschauer, wie Bobby immer wieder in Gesangseinlagen verfällt oder Szenerien fantasievoll verstärkt werden (z.B. tanzen die Menschen bei Darins Aufbruch nach NY in den Straßen, Szenenübergänge werden verspielt vollzogen etc.).
Diese unernste Herangehensweise nimmt dem Werk die Schwere der Ereignisse, was etwas auf Kosten des Wahrheitsgehaltes geht – Darins Selbstzweifel wirken teilweise oberflächlich, wie auch Sandras Depressionen und Alkoholsucht. Offensichtliche künstlerische Freiheiten wurden von den Machern genommen (ob Bobby seinen Künstlernamen tatsächlich von einem defekten „manDARIN“-Imbißschild genommen hat – da bin ich mir nicht ganz sicher), was von Anfang an aber klargestellt und im Abspann noch einmal bestätigt wird. Interessant war sein Leben so oder so – und das wird auch vermittelt.
Schon als Kind liebte es Kevin Spacey, zu den Platten von Bobby Darin zu singen, weshalb sich die Verfilmung dessen Lebens zu einem Herzensprojekt entwickelte. Nach 17 Jahren der Planung erhielt er schließlich die Möglichkeit, Darins Geschichte endlich auf die große Leinwand zu bringen – diverse Drehbuchversionen (u.a. von James Toback) und Besetzungsfragen (Tom Cruise oder Leo DiCaprio waren zeitweise im Gespräch) hatten die Produktion immer wieder verzögert.
Die Hauptrolle gestaltete sich als größtes Problem: Da Spacey keinen passenden Schauspieler finden konnte, übernahm er den Part schließlich selbst – ab seiner Jugend wird Bobby nun von dem 44-Jährigen verkörpert (man muss dabei bedenken – Darin starb im Alter von 37). Es gehört schon Mut dazu, eine solche Entscheidung zu treffen, und Spacey spielt den Charakter tatsächlich auch in jungen Jahren gewohnt gut, doch etwas störend (bzw. gewöhnungsbedürftig) ist diese Tatsache schon – trotz eines augenzwinkernden Kommentars am Anfang des Films: Da wird Darin, der gerade sein Leben inszeniert, gefragt, ob er nicht zu alt für die Rolle sei…
Wie ich bereits ausgeführt habe, gibt „Beyond the Sea“ aber gar nicht vor, ein realistisches oder detailgetreues Portrait zu sein, weshalb man dieser Tatsache nicht zuviel (negative) Aufmerksamkeit zusprechen sollte.
Als Sandra Dee kann sich Kate Bosworth („Rules of Attraction“) ein weiteres Mal profilieren: Bewies sie in „Blue Crush“ bereits Starqualitäten, war es ihre Darstellung in „Wonderland“, die mich vollends von ihrem großen Talent überzeugte – so auch hier, denn man nimmt ihr das (anfangs) naive und von ihrer dominanten Mutter behütete Filmsternchen problemlos ab. Sie hat auf jeden Fall noch eine starke Karriere vor sich (demnächst ist sie ja angeblich, wiederum neben Spacey, im neuen „Superman“ zu sehen)!
Die Nebenrollen sind ebenfalls hochkarätig besetzt worden – wobei ich einigen Figuren mehr Screen-Time gewünscht hätte: Neben Bob Hoskins („Michael“) und John Goodman („Barton Fink“) sind noch Brenda Blethyn („Sonny“), Greta Scacchi („Shattered“) sowie Caroline Aaron („Cellular“) zu sehen.
Von Anfang bis Ende hat Spacey die Kontrolle seines Wunschprojekts fest im Griff: Drehbuch-Co-Autor, Produzent, Regisseur, Hauptdarsteller – und vor allem Sänger. Wirkt er als Schauspieler hier nicht ganz so perfekt wie sonst, beweist er sich nach dem eher mäßigen „Albino Aligator“ bei seinem zweiten Versuch auf dem Regiestuhl. Die Inszenierung wirkt leicht und locker, was hervorragend zu der fantasievollen Art der Präsentation passt. Die Ausstattung ist klasse, so dass man sich in die jeweilige Zeit zurückversetzt fühlt, Optik und Kameraarbeit sind angemessen traditionell und fast altmodisch. Aber der Film wäre nichts ohne die großartige Musik: Spaceys Stimme klingt der von Darin erstaunlich ähnlich, doch auch wer dessen Originalstimme nicht im Ohr hat, wird von den neu eingesungenen Stücken begeistert sein. „Beyond the Sea“ oder „Mack the Knife“ wird einigen aktuell vom Robbie Williams Swing-Album bekannt sein, doch in diesem Film bekommt man noch eine Vielzahl anderer (fast) vergessener Hits zu hören – und das alle paar Minuten sowie größtenteils in voller Länge!
Ich persönlich bevorzuge moderne Musikarten und Inszenierungsstile, doch ab und an kann ich mich auch an einem derartig nostalgischen Werk erfreuen – zumal es hochwertig und ohne Längen umgesetzt wurde…
Fazit: Egal ob „Beyond the Sea“ nun mehr eine „Bobby Darin“- oder „Kevin Spacey“-Show ist – entscheidend bleibt, dass man zwei Stunden lang bestens unterhalten wird und auch nach dem Abspann noch bestimmte Melodien und Textpassagen einiger großartiger Songs auf angenehme Weise im Ohr behält …
8 von 10.