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Roberto Rossellini, Luchino Visconti, Federico Fellini… bei all den großen Namen, die das italienische Kino gerade zu Zeiten des aufkeimenden Neorealismus und darüber hinaus zu Tage brachte, vergisst man doch allzu gerne, auch einmal den Blick weg von den Größen des Geschäfts und hin zu heutzutage schon fast vergessenen Filmemachern schweifen zu lassen. Beispielsweise zu einem Mann namens Valerio Zurlini, der sich zwar nicht durch einen allzu hohen Output an Filmen auszeichnete, dafür aber die eine oder andere Glanzleistung auf Zelluloid bannte.

„Das Mädchen mit dem leichten Gepäck“ ist eine dieser „unentdeckten Perlen“, die im Meer des italienischen Films nur darauf warten, entdeckt zu werden. Zurlini bewegt sich in dieser Tragikomödie aus dem Jahre 1960 gewissermaßen auf den Pfaden des im gleichen Jahr erschienenen Fellini-Meisterwerkes „La Dolce Vita“, kopiert dabei jedoch genauso wenig wie er versucht, seine Geschichte der jungen Aida (Claudia Cardinale) allzu schwermütig erscheinen zu lassen.

Es scheint zwar, als sei das Leben der jungen Sängerin alles andere als leicht – von ihrem letzten Liebhaber eiskalt sitzen gelassen, unerfüllte Ambitionen im Sangesfach und zudem auf die finanzielle und moralische Unterstützung eines Minderjährigen angewiesen – doch Schwermut macht sich nur selten breit.

Die Rolle der blutjungen Claudia Cardinale ist der Antriebsmotor für die tragische Geschichte einer unerfüllten, unerfüllbaren Liebe zwischen ihr und dem 16jährigen Lorenzo (Jacques Perrin), der aus wohl situiertem Hause stammt und somit alle monetären Mittel zur Verfügung hat, das „Mädchen mit dem leichten Gepäck“ nach allen Regeln der Kunst zu verwöhnen und ihr somit den Zugang in die Kreise der Schönen und Reichen zu ermöglichen.

Doch gerade diese Fahrkarte in dieses für die junge Aida so erstrebenswerte Reich entwickelt sich für Lorenzo als Fehlinvestition. Die von ihm angehimmelte Schönheit wendet sich zusehends von ihm ab und taucht ein in die von Oberflächlichkeit und Arroganz durchtriebene Gesellschaftsschicht. Doch auch da bleiben ihr Enttäuschungen nicht erspart…

Claudia Cardinale erweist sich in diesem Drama als absoluter Glücksgriff, weiß sie es doch, alleine schon durch ihre natürliche Schönheit das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Ob sie schmollt, fröhlich oder tief traurig ist, das Publikum ist immer bei ihr, leidet und freut sich mit ihr. Gerade in jenen Szenen, in denen sie Zugang zum italienischen Jet-Set hat und dabei auf reichlich zwielichtige Gestalten trifft, ist sie immer der ruhige, anständige Gegenpol zu all dem, was Zurlini als moralisch verwerflich in dieser Klasse ansieht. Niemals lässt sie sich auf den einen Schritt zuviel ein, der ihr den erhofften Ruhm – zumindest oberflächlich, aus der Laune des Moments heraus – verspricht; eben ganz das brave Mädchen vom Lande…

Ob der schier erschlagenden Präsenz der Cardinale in „Das Mädchen mit dem leichten Gepäck“ gerät gerne in Vergessenheit, dass zu einem positiven Gesamteindruck auch die passenden Gegen- und Mitspieler nötig sind. Und gerade da sollte der junge Jacques Perrin Erwähnung finden, der scheinbar schlafwandlerisch zwischen erwachsener Rationalität und jugendlichem Überschwang wechselt.

Zurlinis Inszenierung des Ganzen kann man letztlich am treffendsten mit dem Adjektiv aus dem deutschen Titel umschreiben: leicht. Ganz gegensätzlich zu dem, was Aida teilweise durchmachen muss, ist „Das Mädchen mit dem leichten Gepäck“ ein herrlich leichter, beschwingter Film, der rundum dafür ent- oder besser: belohnt, dass man es auch mal mit anderen Namen außer Rossellini, Fellini und co versucht hat… 8/10

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