„An jenem Tag im März 1901 schlug der Tod in Form des Schwarzen Mannes zum ersten Mal zu...“
Der deutsche Regisseur Robert Sigl, der später diverse Beiträge zu Krimi-Serien drehte, debütierte im Jahre 1989 mit dem in deutsch-ungarischer Koproduktion entstandenen Mystery-Drama/Horrorfilm „Laurin“ in Spielfilmlänge. Überlieferungen zufolge handelt es sich um eine Lowest-Budget-Produktion.
In einem kleinen norddeutschen Küstenort geht ein Mörder um, der es auf kleine Jungen abgesehen hat. Als auch noch ihre Mutter unter ungeklärten Umständen stirbt und ihr Freund Stefan (Barnabás Tóth, „Child Murders“) spurlos verschwindet, setzt die kleine Laurin (Dóra Szinetár) ihre hellsichtigen Fähigkeiten ein, um den Mörder zu enttarnen…
Eine Erzählstimme berichtet vom „Schwarzen Mann“ und leitet damit in Sigls Film ein, in dem ein Junge an Laurins Fenster klopft und kurze Zeit später getötet wird. Der unmittelbare Tod eines unschuldigen Kinds ist bereits Ausdruck der konsequenten Düsterheit und Hoffnungslosigkeit, die „Laurin“ ausmachen. Nicht nur mit seiner zeitlichen Einordnung zu Beginn des 20. Jahrhunderts scheint der Film wie aus der Zeit gefallen, auch die volle Konzentration auf ein ungemütliches Ambiente, schaurige Atmosphäre und Gänsehautstimmung bei bewusst entschleunigtem Erzähltempo dürften 1989 fast schon anachronistisch gewirkt und Erinnerungen u.a. an europäischen Gothic-Horror der 1960er und -70er Jahre geweckt haben. Die Ausstattung vermittelt einen authentisch anmutenden Eindruck des Jahres 1901, wenngleich man statt tatsächlich in Norddeutschland im osteuropäischen Ungarn und mit ungarischen Schauspielern drehte.
Laurins Vater ist Seemann, fährt wieder einmal auf die Weltmeere raus und lässt seine Tochter so allein zurück in der lebensfeindlichen, herbstlich-depressiven Tristesse – und mit dem Mörder, dessen Identität leider recht schnell geklärt ist. Die dazu führenden Drehbuchschwächen werden von Laurins visualisierten Visionen abgefedert, die sie auf alptraumhafte Weise zum Mörder führen, bei dem es sich wiederum mitnichten um einen Strauchdieb oder heruntergekommenen Berber handelt, sondern um ein angesehenes Mitglied der Gesellschaft – die mit ihrer „Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen“-Mentalität dazu beiträgt, dass die Morde in dieser Frequenz begangen werden und ungesühnt bleiben können. Die sehr stimmige musikalische Untermalung Hans Jansens und Jacques Zwarts legen sich perfekt unter die von geschickter Kamerahand eingefangene Dunkelheit.
„Laurin“ zeichnet ein desillusionierendes Bild des Lebens in einer Dorfgemeinschaft zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts im Rahmen eines eigentlich recht einfach gestrickten Mystery-Gruslers, punktet mit ausdrucksstarken Bildern und unter die Haut gehender Atmosphäre und verneigt vor sich diversen Beiträgen ähnlich gearteten europäischen Genre-Kinos auch damals schon vergangener Zeiten. Dass die vielversprechend agierende Jungmimin Dóra Szinetár daraufhin nicht im Filmgeschäft Fuß fassen konnte, mutet seltsam an und ist schade. Ein kleine Perle, die es wiederzuentdecken gilt.