Lügen, Taktik und Intrigen - politische Ränkespiele aufs Korn genommen
Was den Zuschauer beim Sehen von "Rufmord" erwartet ist nicht ganz einfach zu beschreiben. Zumindest dann nicht, wenn man versucht den Film in eine bestimmte Schublade zu packen und hierbei die typischen Genre-Klassifizierungen verwendet. Von der Werbung wurde "Rufmord" zum Politthriller gestempelt, doch diese Umschreibung geht sicherlich zu weit. Politik und ihre Randerscheinungen sind zwar das Hauptthema des Streifens, aber echter 'thrill' sieht anders aus. Diejenigen, die Werke wie "Sieben", "American History X" oder "Das Kartell" gesehen haben, werden den Unterschied mühelos erkennen.
So weit so gut. Bleibt trotzdem noch die Frage, was Regisseur Rod Lurie im Sinn hatte, als er "Rufmord" drehte. Für ein Satire ist der Film zu nüchtern, was nicht heißt, daß er nicht mit einer ganzen Reihe überzogener Pointen aufwarten kann. Auch die Bezeichnung Drama trifft nicht hundertprozentig zu, denn hierfür mangelt es "Rufmord" an epischer Breit und Tiefgang. Am besten stellt man sich einen Mix vor, in dem von jedem der beschriebenen Elemente etwas enthalten ist, ohne jedoch eines vollends auszureizen.
Die Handlung:
Nachdem der US-amerikanische Vizepräsident unerwartet verstirbt, gilt es das vakante Amt neu zu besetzen. Passenderweise wird Governor Jack Hathaway (William L. Peterson) genau in diesem Moment zum nationalen Helden. Während eines Interviews, buchstäblich vor seiner und des Reporters Nase, droht eine Frau zu ertrinken. Hathaway zögert keine Sekunde und versucht, ohne Rücksicht auf seine eigene Sicherheit, die Frau zu retten. Doch das Heldenstück nützt ihm nichts - Präsident Jackson Evans (Jeff Bridges) nominiert nicht ihn für das Amt des Vizepräsidenten, sondern eine Frau: Die Senatorin Laine Hanson (Joan Allen).
Was folgt ist eine ungeheure Schmutzkampagne. Der gebeutelte Hathaway, der frauenfeindliche Politstratege Sheldon Runyon (Gary Oldman) und der auf seinen Vorteil bedachte Abgeordnete Webster (Christian Slater) schließen eine unheilige Allianz. Ihr Ziel: Die Vizepräsidentin in spe vernichten, noch bevor sie die Amtsgeschäfte übernehmen kann. Und was wäre dazu wohl besser geeignet, als ein handfester Sex-Skandal...?
"Rufmord" ist ein sehr engagierter Film. Man merkt deutlich, daß Regisseur Lurie nicht ausschließlich unterhalten will, sondern das es ihm auch um einige kritische Töne geht. Und die richten sich sowohl gegen die Politiker, die zu mehr Ehrlichkeit und Fairness aufgefordert werden, als auch gegen die Medien, die auf der Jagd nach reißerischen und quotenorientierten Beiträgen oftmals die nötige Objektivität außer acht lassen.
Doch leider geht das Konzept, Anspruch und Unterhaltung miteinander zu vermengen, nicht vollständig auf. Der vorhandene Humor, sicherlich eins der wichtigsten unterhaltenden Elemente, wirkt zeitweise ziemlich aufgesetzt. Besonders Jeff Bridges in der Rolle des Präsidenten sticht hierbei negativ hervor: Mit einer zurückgekämmten Frisur, wie sie jedem Liftboy zur Ehre gereicht hätte, eilt er von Termin zu Termin und telefoniert dabei ständig mit seinem persönlichen Küchenchef, um sich irgendwelche exotischen Gerichte zaubern zu lassen. Also was jetzt, Anspruch oder albern?
Auch die Rolle der ins Kreuzfeuer geratenen Senatorin kann nicht vollständig überzeugen. Zum einen ist Joan Allen eine unattraktive Schauspielerin ohne Ausstrahlung (Modell vertrocknete Gartenpriemel, auch wenn das dem Bild realer Politikrinnen weitgehend entspricht), zum anderen fehlt es gerade ihrer Rolle an Tiefgang; die Wut, Enttäuschung und Trauer der Senatorin kommen nicht so richtig beim Zuschauer an. Ein Glück, daß Gary Oldman in der Rolle des gemeinen Kaltblüters alle Register zieht... ja, im Laufe des Films lernt man ihn wirklich hassen. Klasse.
Was noch positiv auffällt: Der Film ist lang (126 min.), aber nicht langweilig. Sieht man einmal über die genannten Schwächen hinweg, dann bleibt eine Handlung, die zügig vorangetrieben wird und ohne Effekthascherei auskommt. Naja, fast. Denn hier verdient der Schluß eine Extra-Erwähnung: Präsident Jackson Evans spricht in einer flammenden Rede zu seinem Volke. Ergebnis: Fünf Minuten amerikanischer Hurra-Patriotismus. Peinlich!
Fazit:
"Rufmord" ist ein reiner "Dialogfilm", Freunde des Actionkinos werden vermutlich wenig Spaß an ihm haben. Dennoch, die Handlung ist schlüssig, ihr Ablauf - zumindest über weite Strecken - einigermaßen spannend. Solide Durchschnittsarbeit, nicht mehr, und nicht weniger.