Review

Der wöchentliche Dienstagswahnsinn auf Pro 7 (jedenfalls als dieses Review geschrieben wurde): „Emergency Room“ und darauf eine Runde „Nip/Tuck“. Groß abgeräumt wurde auch hier bei den Emmys – einen Golden Globe gab’s Januar 2005 als Sahnehäubchen obendrauf und sowas adelt zurecht.

„Nip/Tuck“ ist eine etwas andere Serie: Lustig wie traurig und anspruchsvoll tiefsinnig wie total hohl. Eine beißende Satire, bei der alle ihr Fett (im doppelten Sinn) wegbekommen: Der Schönheitswahnsinn ist hier Programm. Die beiden in Miami praktizierenden Kollegen Sean McNamara (Dylan Walsh) und Christian Troy (Julian McMahon) gehören zu den Besten ihres Geschäfts.

Nun lebt „Nip/Tuck“ selbstverständlich nicht nur einzig und allein von den einfallsreichen Wünschen der Kunden, sondern auch den Charakteren selbst. Sean McNamara ist der schüchterne, überkorrekte Teil, der mühsam um seine Ehe kämpft und mit dem flügge werdenden Sohn so seine Mühe und Not hat, während Christian Troy ein großmäuliger, sorgloser Lebemann ist, der sich durch die Betten von Miamis Schönen vögelt. Ein ungleiches Gespann, das von einer attraktiven, ständig Christian in die Parade fahrenden, Psychologin komplettiert wird.

Ihre Arbeit wird überraschend explizit dargestellt, aber von den saloppen Unterhaltungen der beiden abgemildert. Wirkliche Schicksale erlebt man hier in fast jeder Sekunde – von pädophilen Priestern bis zu suizidgefährdeten Übergewichtlern ist alles dabei. Neben dem omnipräsenten Zynismus überzeugt „Nip/Tuck“ durch wahnwitzige, in der Welt der Schönen wohl ganz natürliche, Einfälle, die in fast jeder Folge, so komisch sie auch sein mögen, das Hinterstübchen berühren und zum Nachdenken einladen. Sieht man genauer hin, lassen sich hier etliche Probleme wiederfinden, die dem Alltag des Durchschnittsbürgers entstammen könnten.

Meist in gefiltertem Hochglanz verpackt präsentiert sich „Nip/Tuck“. Das hier ein ungleiches und deshalb so gut ergänzendes Duo abgebende Gespann Dylan Walsh und Christian Troy hat in diesen Rollen eine Berufung gefunden und wird, so lange die Serie in den U.S.A. gut läuft, wohl auch nicht arbeitslos.
Jedermanns Geschmack ist diese doch sehr gewöhnungsbedürftige Serie sicherlich nicht und der Einstieg könnte sich, sofern man nicht von Beginn an dabei war, auch als problematisch darstellen. Doch wer sich einmal darauf eingelassen hat, bekommt eine überraschend intelligente, dem Zeitgeist entsprechende Serie geboten, die so viel mehr als nur alberne Schnippelei und Klischeeleben der Reichen unter der Sonne Miamis ist.


Fazit:
Exzentrische, intelligente Arztserie mit ganz eigenem Stil, die hoffentlich noch einige Staffeln überleben wird. Sollten die Drehbuchautoren diese Gradwanderung zwischen Humor, tiefsinniger, oft meist nur auf den zweiten Blick zu erkennender Kritik und Seitenhieben auf das Leben der Reichen und Schönen jedenfalls weiter erfolgreich bewerkstelligen, steht dem weiteren Erfolg nichts im Weg.

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