„Wenn ich steh‘, stehst du auch, ja?!“
Manfred Stelzers („Die Perle der Karibik“) Satire/Komödie „Superstau“ kam Ende März 1991 in die deutschen Kinos und damit noch einige Wochen vor den alljährlichen Sommerurlaub-Staus auf deutschen Autobahnen Richtung Süden. Zum episodenhaften Aufbau des Films passt, dass sich gleich fünf Autoren am Drehbuch beteiligten.
„Meine Gattin und ich haben bereits im Januar – im Januar! – unseren Urlaub gebucht!“
Die Familien Pacholke, Stocker und Pippig landen trotz zeitigen Aufbruchs nicht etwa zügig an ihrem Urlaubsort, sondern mitten in einem gigantischen Stau auf der deutschen Autobahn. Bald leidet man Hunger und Durst sowie unter der sengenden Hitze, die Nerven liegen blank. Außer bei Ludwig Stocker (Ottfried Fischer, „Go Trabi Go“): Der korpulente Bayer ist mit seinem Wohnmobil unterwegs und verfügt als einziger über ausreichend Vorräte. Die CB-Funker Mustang (Horst Schroth, „Hamburger Gift“) und Commander (Achim Konejung, „Neander-Jin: The Return of the Neanderthal Man“) versuchen, Ordnung ins Chaos zu bringen, ernennen sich Stauleitern und teilen die Blechlawine in einzelne Parzellen ein – was nicht nur positiv aufgefasst wird…
„Ich steh' kurz vorm Mord.“
Bis in die 1990er hinein war es üblich, dass die deutsche Kleinfamilie in den großen Ferien im bis unters Dach vollgestopften Kfz „über’n Brenner“ nach Südeuropa aufbrach – und dafür auf dem Hin- und Rückweg oftmals stundenlang im Stau stand, was die ohnehin schon üppige Reisezeit weiter ausdehnte. Flüge konnten sich damals aber nur Angehörige der vermögenderen Mittelschicht (und darüber) leisten, also nahm man plärrende Blagen, verdurstende Beifahrerinnen und Nervenzusammenbrüche gezwungenermaßen in Kauf. Zudem haftete dem eigenen Auto das Image von Unabhängigkeit und Freiheit am, was von jedem zur Ohnmacht verdammenden Stau ad absurdum geführt wurde.
„Wir sind der Stau!“
„Superstau“ karikiert verschiedene Urlauber-Stereotypen: Vom Wohnmobil-Patriarch, der seine Frau (Monika Baumgartner, „Die Chinesen kommen“) herumkommandiert und seine Tochter (Ariane Mühlmann, „Erkan & Stefan gegen die Mächte der Finsternis“) an der kurzen Leine hält, über den cholerischen Ruhrpott-Malocher Hermann Pacholke (Ralf Richter, „Verlierer“), der nach der Nachtschicht rußverschmiert mit Ehefrau Ilse (Hildegard Kuhlenberg, „Kommt Mausi raus?!“) und Sohn Boris (Tim Paul) im Audi loseilt, um ja nicht in den Stau zu geraten und dafür auch schon mal Pinkelpausen verwehrt, bis zum schmierigen, neureichen Porschefahrer Westermann (Heinrich Giskes, „Heinrich“), der die im Trabi reisenden Ostdeutschen um Friseur Fritzie (Ulrich Anschütz, „Solo Sunny“) über den Tisch zieht, die rustikalen norddeutschen Biker Hinnerk (Jan Fedder, „Großstadtrevier“) und Clars (Heinz Rolfing) sowie den CB-Funk-Wichtigtuern Commander und Mustang mit ihrer Blockwartmentalität.
Die ersten drei Familien werden bereits vor der Abfahrt gezeigt, im Stau kommen die übrigen Figuren hinzu. In einer Raststätte herrschen chaotische Zustände, die sich nur wenig später auf die Autobahn ausweiten werden. Köstlicher Dialogwitz paart mit sich mit einem Running Gag um einen Orientierungslosen, der sein kleines gelbes Auto sucht. Seine Schwächen jedoch offenbart „Superstau“ im mehr schlecht als recht gealterten klamaukigen Humor, der sich immer mal wieder Bahn bricht. Ebenso wenig zur zwar brachialen, nichtsdestotrotz durchaus gelungenen, hintersinnigen Satire will es z.B. passen, wenn Ottfried Fischer über seinen Stuhlgang fabuliert. Diesbzgl. verlor man entweder das Augenmaß oder brauchte ein paar schale Witzchen zur Streckung. Denn der Stau dauert bis zum Abend an, was Jan Fedder auch ausreichend Zeit gibt, in seinen Hot Pants (!) über die Autobahn zu stiefeln. Vor allem aber entwickelt sich in dieser Zeit ein eigener Mikrokosmos, das Leben verlagert sich aus den fahrbaren Untersätzen auf die Straße und Menschen, die sonst wenig bis gar nichts miteinander zu tun haben, kommen sich zumindest für ein paar Stunden näher.
Der „Breakfast Club“ in der ADAC-Version also? Das wäre zu hochgegriffen, wenngleich tatsächlich der gesellschaftliche Umgang angesichts der frühen Nachwendezeit thematisiert und persifliert wird. Besonders deutlich wird eine Art Kapitalismuskritik im Porschefahrer, der sich eine Club-Cola-Ration erschleicht, um diese dann überteuert weiterzuveräußern. Ludwig wiederum hortet seine Vorräte, muss dem Druck der Massen schließlich insofern einen Zentimeter nachgeben, indem er das Fußballgucken an seinem Wohnmobil gestattet, wird daraufhin jedoch von den durstigen und hungrigen Massen ausgeplündert – wie von einem revoltierenden Volk, das endlich die eine Schwachstelle im autoritären Unterdrückersystem entdeckt bzw. provoziert hat. Im Regen geht’s schließlich weiter, um – wie der Epilog zeigt – auf der Rückfährt drei Wochen später wieder im Stau zu stecken. Ja, so war das damals und so ist’s bisweilen auch heute noch – allen Billigfliegern dieser Welt zum Trotz. Freie Fahrt für freie Bürger? „Superstau“ für Freunde deutscher Komödien, die gerade auch an der unbefangenen Imperfektion älterer Exemplare dieser Gattung ihre Freude haben. Nach 77 Minuten ist dann auch schon wieder Schluss – weitaus schneller als manch Stau.