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Er kommt so langsam in die Jahre, in denen der Körper nicht mehr alles mitmachen will und kann, der Stern langsam aber kontinuierlich zu sinken beginnt und die kommerziellen Ausrichtung langfristig auf eine Altervorsorge hinausläuft: Jackie Chan.
Seine Entscheidung nach Hollywood zu gehen, war aus lukrativer Hinsicht natürlich ein voller Erfolg, dem kleinere Rückschläge wie „The Tuxedo“ nichts anhaben konnten. „Rush Hour“, als Paradebeispiel, war ein globaler Erfolg und machte ihn, wenn auch recht spät, endgültig zum internationalen Star. Hollywood sah in ihm aber nie mehr als einen Slapstick-Clown, der über eine hervorragende Körperbeherrschung verfügte und verheizte ihn förmlich in zu vielen, durchschnittlichen, wenn auch finanziell zufriedenstellenden Schnellschüssen, von denen mir eigentlich keiner richtig gut gefiel. Neben dem mit amerikanischen Geldern finanzierten, unterirdischen „The Medallion“ und dem ebenso schwachen „Around the World in 80 Days“ waren auch die beiden Partnerschaften mit Owen Wilson („Shanghai Noon“, „Shanghai Knights“) keine wirklich guten Filme mehr. Hollywood fügte dem Namen Chan einigen Schaden zu, auch wenn die Kasse stimmte.
Umso erfreulicher, dass Jackie seine Herkunft nie vergaß und er sich es nicht nehmen ließ auch weiterhin in seiner Heimat tätig zu sein. Seine Projekte, bei denen er sich dann oft nur selbst Nebenrollen gönnte und selbst produzierte wurden auch nicht zu Knüllern, aber der Kontakt riss nie ganz ab. Dieser Tatsache haben wir es auch zu verdanken, dass es Jackie Chan mit „New Police Story“ im stattlichen Alter von 50 Jahren diese Überraschung, nämlich den wohl besten Film seiner Karriere, gelang.

Back to the roots sollte es für den alternden Star gehen. Man spürt es in jeder Sekunde des Films. Jackie wollte es noch einmal wissen und nicht nur an alte Erfolge anknüpfen, sondern auch eine neue schauspielerische Seite von sich zeigen. Denn eins ist klar: So hat man Jackie Chan noch nie gesehen und wird es vielleicht auch nie wieder. Der fünfte Teil der „Police Story“, Mitte der Achtziger ein Baustein seines beispiellosen Aufstiegs, koppelt sich im Grunde völlig von den ohnehin kaum Verbindungen aufweisenden Vorgängern ab.
Jackie meint es ernst, todernst, rau und tragisch. Der Humor wird auf ein Minimum heruntergefahren und funktioniert vor dem Hintergrund eines tragischen Actionthriller, in dessen Mittelpunkt ein verwandelter Chan steht, den ich, der ihm bis dato nicht viel abgewinnen konnte, in mein Herz geschlossen habe. Bitte noch ein paar Filme in dieser Richtung und weniger Schwachsinn der Marke „The Twins Effect“ beziehungsweise U.S. – Produktionen.

An seine Seite holte sich Jackie Chan, selbst als Produzent und zusammen mit seinem Team als Stunt-Koordinator tätig, Regisseur Benny Chan („Gen-X Cops“, „Divergence“), der schon den tollen, weil relativ ernsten und temporeichen „Who Am I“ inszenierte, zum Beispiel „Gen-X Cops“ mit ihm zusammen realisierte und mit „New Police Story“ ein überraschend bodenständiges Spektakel auslöst. Realismus zwingt der Film sich zwar nicht auf, aber er versucht meist im Rahmen des Möglichen zu bleiben. Das dürfte eingefleischte Fans bitter aufstoßen, mir gefiel der Film gerade deswegen.

Jackie Chan spielt hier, wie sollte es anders sein, Inspektor Wing von der Hongkonger Polizei. Allerdings nicht so wie wir ihn kennen. Wing führte eine Einheit in den Unterschlupf einer exzentrischen Bande von Hobbyverbrechern – eine tödliche Falle. Bis auf Wing überlebte den Einsatz niemand und nun muss er mit seinem Gewissen fertig werden, was ihm wenig bis gar nicht gelingt. Zerfressen von Schuldgefühlen kann er sich selbst nicht verzeihen, ertrinkt seinen Schmerz in Alkohol, versucht zu vergessen und die Bilder in seinem Kopf auszulöschen. Wing ist ein Wrack, das an der Flasche hängt, das in Seitengassen in seinem eigenen Auswurf liegen bleibt, sich selbst bemitleidet und zu Tode saufen will. Von seiner Freundin hat er sich entfremdet, mit seinem Leben hat er abgeschlossen. Ein Lächeln kommt ihm Gewiss nicht über die Lippen. Verbittert, verhärtet und entfremdet hat er sich hier längst von sich selbst. Irgendwer muss ihn zu sich selbst zurückführen.

Dieser Auftakt ist faszinierend wie erschreckend zugleich, denn Jackie Chan ist kaum wiederzuerkennen in dieser Figur und das meine ich positiv. Er mag kein großartiger Charakterdarsteller sein und wird es auch nie, aber sein Alter und seine Erfahrung helfen ihm dabei, diesen Wing Authentizität einzuhauchen, ihn verletzlich, menschlich und damit für den Zuschauer zugänglich zu machen. Sein nun auch nicht mehr mit Schminke wegtuschierbaren Altersfalten, die Ringe unter den Augen und der gebrochene Blick offenbaren einen verzweifelten Mann, der eine Entwicklung durchmachen muss, bevor es zu spät ist.

Diese löst der junge Cop Fung (Nicholas Tse, „Time and Tide“, „2002“) aus, als er Wing nach einer durchzechten Nacht nach Hause transportiert und sich ihm am nächsten Morgen als neuer Partner vorstellt. Sie beide wurden damit beauftragt die sich immer noch auf freiem Fuß befindlichen Verbrecher zu schnappen, denn die treiben ihr tödliches Spiel weiter und sind nicht abgeneigt auch Wing daran wieder teilhaben zu lassen.

„New Police Story“ geht ganze zwei Stunde und keine Minute wird dabei von Benny Chan, der hier bis dato seinen besten Film abliefert, verschwendet. Der Actionanteil wird mit der Entwicklung Wings genauso wie mit der Fortführung der Geschichte selbst in Einklang gebracht. Die dabei auftretenden Szenarien sind eine Klasse für sich, die Optik meist edel und stylish. Insbesondere das Labyrinth, in das Wing mitsamt seinem Team anfangs tappt, muss dabei hervorgehoben werden. Blutig, einfallsreich und brutal scheidet das Team unvorbereitet in einem Hallenkomplex diverser versteckter, tödlicher Fallen zum Opfer, bis nur noch ihr Anführer selbst übrig ist und die Chance erhält sie zu retten, indem er einzeln in Wettkämpfen gegen die Gegner antritt und in jeder Disziplin versagt. Die Konsequenzen, das harte Aufschlagen der gefesselten Kollegen aus luftiger Höhe auf den Boden, dringen selbst den Zuschauer bis ins Mark ein.

Dieser Auftakt gibt schon die Richtung vor, in die sich weiter entwickelt werden soll. Benny Chan hat die Actionszenen weitaus besser unter Kontrolle als die emotionellen Momente und zeigt halsbrecherische Abseilaktionen von Hochhäusern, Martial-Arts-Kämpfe, überschlagende Fahrzeuge, ein Finale in luftiger Höhe auf Hongkongs Convention-Center und dazu eine viele Opfer fordernde Straßenschlacht, sowie, als Highlight, einen führerlosen, durch Hongkong rasenden Bus, durch den Wing sich vom Dach bis zum Steuer kämpft, während um ihn herum eine ganze Einkaufspassage in Schutt und Asche gelegt wird. Die Action des Films ist erlesen und von gewohnter Qualität des Hongkong-Kinos. Die Kamerafahrten sind rasant, der Score treibend-fetzig und Explosionen auch CGI-frei. Überhaupt verließ man sich hier, und das ist ein positiver Aspekt, nur ganz selten auf die Kreationen eines Rechners (beispielsweise wenn es um Druckwellen geht). Man setzt zum größten Teil auf altbewährte Handarbeit.

Jackie Chan, ganz konzentriert, merkt man sein Alter nicht an. Sicher, seine Martial-Arts-Einlagen sind nicht mehr ganz so spektakulär wie früher, aber sie sind immer noch immens beeindruckend. Für stolze 50 ist das, was er hier mitunter körperlich zum besten gibt, eine schier unmögliche Verfassung. Wände hochkraxeln und auf fahrenden Bussen herumspringen scheint ihm keine Mühe zu machen.
Sein eher realistische Kampfstil passt auch zum Film selbst besser, denn es geht hier meist nicht nur darum, seinen Gegner zu schlagen, sondern das eigene Leben zu retten, womit diverse, humorige Einlagen hier auch fehl am Platz wären.

Etwas abfallen tun dabei hin und wieder die verbitterten Momente Wings und das vor allem final zu dick aufgetragene Pathos. Tommy Wais („Time and Tide“, „Twins Effect 2”) Score meint es wohl gut, rührt zu sehr in Traurigkeit und wälzt sich zu sehr in Chorälen, die Dosierungen nötig gehabt hätten. Wings erste Zusammenkunft mit Ho Yee (Charlie Yeung, „Downtown Torpedoes“, „Seven Swords“) wäre ohne die Auflockerung des um Wings Gemüt bemühten Fung völlig aus den Fugen geraten und das schmalzige Happyend rettet sich nur mit Ach und Krach in die Credits. Aber das sind wirklich nur kleine Szenen, die in einem ansonst sehr überzeugenden Film nur sekundär negativ auffallen.

Denn, und auch das ist für Chans Filme eine Seltenheit, die Story überzeugt, ist spannend und verläuft ungewöhnlich, weil es hier keine standardisierten Gegner-Typen sind. Die Identität der latent psychopathischen Maskierten, die den Kampf gegen Cops als Spiel ansehen, um ihr Bodycount-Konto zu erhöhen, und am Geld selbst gar nicht interessiert sind, wird spät wie überraschend gelöst. Ihr Handeln, das auch eine erneute Involvierung von Wing mit vorsieht, und Ho Yee in tödliche Gefahr bringt, ist perfider als es diversen Obergangstern der Metropole je einfallen würde. Autor Alan Yuen („Princess D”, „Heroic Duo”) verfasste hier kein revolutionäres Skript, doch es verfügt vor allem in Bezug auf die Täter und ihren Antrieb, der durchaus gesellschaftskritisch Aspekte beinhaltet, über mehr Dimensionen als man es von den meist flachen, oberflächlichen Chan-Filmen hinlänglich gewohnt ist. Ein „Internal Affairs“ darf man hier selbstverständlich nicht erwarten, denn einige Plotholes werden von der Rasanz und Dramatik des Stoffes leider nicht verschluckt. Egal, spannend bleibt es dank schweißtreibender Bombenentschärfungen und einer sorgfältigen Fortsetzung der Geschichte dennoch.

Neben der überzeugenden Kulisse Hongkongs, das mit vielen Farbfiltereinsätzen und seinen Neonlichtern viel von der Faszination des nächtlichen Los Angeles nachahmt, überraschen diverse Verwicklungen in den Fall (u.a. ein ehemaliger Polizist) und das gnadenlose Handeln der Opponenten, die auch schon mal Verletzte aus den eigenen Reihen erlösen und Dutzende von Cops, festgehalten in blutigen Bildern, erfreut niederstrecken.

Benny Chans Regie ist technisch makellos und nähert sich professionell an das westliche Kino an, ohne völlig die Traditionen des Herkunftsland zu vergessen. Unorthodoxe Kamerafahrten, die man so wohl auch nirgends außerhalb Hongkongs geboten bekommt, eine gute Portion Lokalkolorit und stets um Schauwerte bemühte Kulissen der Großstadt. „New Police Story“ ist in visueller Hinsicht gewiss nie langweilig. Luftiges Abseilen an Fassaden, Herunterrutschen von Dächern, durchgeplante Einbrüche, eine maximale Anzahl zerstörter Glasscheiben und Kämpfe in Spielzeugabteilungen sind alles Szenen, die man mit Sicherheit schon mal so oder ähnlich, vielleicht sogar schon besser (Tsui Hark hat mit „Time and Tide“ eindrucksvoll gezeigt, was mit der Kamera alles möglich ist) gesehen hat und hier trotzdem Highlights sind. Man kann dem Film in Bezug auf seine Action sicherlich fehlende Innovativität vorwerfen, aber Hongkongs Produktionen haben inzwischen beinahe alles Mögliche abgedeckt und da fällt es nun mal schwer völlig neue Ideen zu entwickeln. Welchen Stunt hat Jackie Chan in seiner Karriere noch nicht gemacht und, viel wichtiger, kann er noch machen?

Letztlich sind es nur kleinere Defizite, die „New Police Story“ eine höhere Bewertung verwehren. Die verlorenen und missbrauchten Kids, die sich von ihren Eltern nicht verstanden fühlen und deswegen in Online-Games stürzen, hätten mehr Komplexität erfahren dürfen, Ungereimtheiten führen immer wieder dazu, dass Alan Yuen aus ausweglosen Situationen Notausgänge konstruieren muss, die nicht immer glaubwürdig erscheinen. Nicholas Tse bleibt, trotz seiner, wie erst mit den letzten Bildern klar wird, wichtigen, nämlich Wing zunächst führenden Rolle, neben Jackie Chan zu blass, obwohl er dessen depressive Grundstimmung soweit wie nötig ausgleicht, wobei dieser die Flasche auch nicht ganz so oft hätte zücken müssen.


Fazit:
„New Police Story“ stellt in meinen Augen den wohl besten Jackie Chan-Film aller Zeiten dar, weil er mir mit seiner allgegenwärtigen Ernsthaftigkeit doch sehr entgegen kommt. Benny Chan inszenierter hier einen überraschend brutalen, zeitweise düsteren Actionthriller, in dem Jackie Chan als desillusionierter, gebrochener Cop im Rahmen seiner Möglichkeiten schauspielerische Klasse unter Beweis stellt. Nicht zu leugnen sind die Defizite des Drehbuchs, das sich ein paar Dinge zusammenkonstruieren muss, die herzerweichenden Momente ein wenig zu sehr auswalzt und letztlich nicht so klug und geistreich ist, wie es sein könnte. Doch Benny Chans tadellose Regie, die einige sehr spektakulär gefilmte Actionsequenzen hervorbringt, entschädigt für das Meiste. Zwei Stunden lang Action, Dramatik und Spannung in Einklang mit einer basshaltigen, wummernden Soundkulisse trifft man nicht alle Tage an.

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