Krieg im Kino ist kein Thema wie andere Themen.
Das unvorstellbare Grauen und unmenschliche Schrecken ist in der Kunst nicht nachstellbar und schon gar nicht in einer unterhaltenden Simulation realisierbar. Die Unfähigkeit zu einer angemessenen Darstellung hält nicht davon ab, im Kino immer wieder davon fasziniert und abgelehnt zugleich zu werden; Filme über den Krieg sind seit David Wark Griffith' Die Geburt einer Nation aus dem Jahre 1915 ein traditionelles Sujet, an der jede neue Behandlung auch neu zu messen ist.
Damit verbunden ist vor allem auch die seit Beginn an bestehende Frage, was ein Kriegs- oder Antikriegsfilm sei und wie dies im speziellen Fall gilt. Der Versuch einer eindeutigen Unterscheidung muss von vornherein misslingen. Auch wenn es genügend Grundsätze gibt, die Filme hinsichtlich ihrer Intention, Ästhetik und dem Stellenwert nicht nur zur Zeit der Aufführung, sondern auch ex-post bewertet zu unterscheiden; sich dort aber auch subjektive Ansichten von Historikern, Politikern, rezeptionsorientierten Kritikern und den Filmschaffenden selber einbringen lassen müssen.
Eines kann man zumindest klar sagen: Die Brücke von Remagen ist kein Propagandafilm. Er verteidigt den Krieg nicht, und beschönigt oder lobt ihn nicht, in keiner einzigen Sekunde. Aber er ist auch kein Problem-, sondern ein unkommentierter, weltmarkttauglicher Genrefilm. Die instrumentalisiert erinnernde Handlung wird so eng auf ihr zentrales Motiv der Brücke und den Kampf darum eingeschossen, dass versucht Subtiles darüberhinaus im Kugelhagel verschwindet. Bevor der übriggebliebene Rest durch ständige Sprengladungen ins Jenseits gepulvert wird.
Dabei befindet man sich nur szenisch vorgeblich im Krieg und nutzt die wahren Umstände für die materielle Zeichnung einer erbitterten Schlacht um eine Todesfalle. Der Kampf als Essenz; eingeengt vom Raum und Zeit auf diesen einen Ort, zu genau diesem Moment. Um eine Planke über den Rhein, die schon lange bevor es "richtig losgeht" nur noch aus zersplitterten Holz, abgerissenen Bauteilen, freigelegtem Metall, Toten, Verletzten und Staub besteht. Und dem Industriesprengstoff, der unter ihr klebt und ihr schlussendlich den Garaus machen soll.
In Kriegsfilmen dreht es sich desöfteren konzentrisch um Brücken als Schauplatz. Gleich neben uneinnehmbaren und zur selben Zeit oft sinnlos verteidigten Hügeln -, die vor allem in Werken über den Ersten Weltkrieg und seine Massaker im Schützengraben auftauchen - gelten sie als Chiffre von Genre und Interesse, entweder zur Abwehr ihrer oder zum Angriff auf das Bauwerk. Die Brücke als Bastion, als Verbindung auseinanderliegender Gegenden, als Transportmittel und nicht zuletzt als symbolisches Denkmal. Als Zeichen von Fortschritt, Errungenschaft, Schönheit. Regisseure wie Bernhard Wicki, David Lean und Sir Richard Attenborough haben sich bereits in verschiedenartigen Kennwörtern und Perspektiven um eine Version dieser Erzählungen gekümmert; John Guillermin wirft eine weitere, diesmal schon bekannte Variante auf.
Dabei bilanziert er den simplen Ausgangspunkt mit äusserst furiosem Tempo und soviel Materialeinsatz, dass fast die Leinwand selber am zerbersten ist; der Film weist in seiner treibenden Rasanz kaum stille Szenen auf und verliert dann auch noch gerade dort die nüchterne Glaubwürdigkeit zuungunsten von Kolportage.
Gedreht in der ehemaligen CSSR [in Davle, wo die Sázava in die Moldau mündet; kurz vor dem Prager Frühling] befindet sich Stanley Cortez' Kamera von Beginn weg in Bewegung. Fahrzeugkolonnen werden seitlich während ihrer rasenden Fahrt abgefilmt; dazu besteht man zu Recht auf Luftaufnahmen, um dass aufwendig ausgebreitete Grossprojekt überhaupt annähernd unter Übersicht und Kontrolle zu bringen. Dialoge werden erst zugunsten von Explosionen aufgespart und dann nur zur Einführung zahlenmässig beschränkt wichtiger Personen genutzt. Die Situation selber wird durch ein knappes Insert bekanntgegeben:
1945. Die letzten Kriegswochen sind angebrochen. Die Deutschen befinden sich auf Rückzug ins Innere des Landes. Die Brücke von Remagen als einzig verbliebener Zugang zum Herzen Deutschlands gerät in die Aufmerksamkeit beider Parteien.
Generaloberst von Brock [ Peter van Eyck ] bekommt den Befehl ihrer Zerstörung und leitet ihn an Maj. Paul Krüger [ Robert Vaughn ] weiter. Dieser würde sie gern so lange wie möglich halten, da der Zivilverkehr darüber läuft und der anschwelle Flüchtlingsstrom sonst in die Hände des Feindes fallen würden. Auf der anderen Seite sollen Lt. Phil Hartman [ George Segal ] und Sgt. Angelo [ Ben Gazzara ] schon am nächsten Tag vor Ort sein, um die Brücke ebenfalls zu vernichten.
Mitten im Kampf ändern sich die Befehle.
Dies als einziger Faktor der Unberechenbarkeit des Krieges, ansonsten läuft es darauf hinaus, rein mechanisch die Geschwindigkeit darzulegen, mit der sich beide Kräfte aufeinander zu bewegen und die Materialschlacht dieses unaufhaltsamen Aufeinandertreffens zu bebildern.
Siegen oder Sterben als einzige Devise; die lange nicht von Allen begeistert aufgenommen, aber nach der sich dennoch zwangsläufig gerichtet wird. Der Beweis, dass Kriege nicht allein durch Befehle zu gewinnen sind, zeigt sich in den anschliessenden Strapazen, die ein stetig grösseres Ausmass einnehmen und mehr und mehr Verluste zur Folge tragen. Einheiten sind nur noch auf dem Papier vorhanden und entweder längst zerschlagen oder in alle Windrichtungen auseinander getrieben. Die Soldaten übermüdet, überreizt, unaufmerksam. Mittlerweile in einen Zustand zwischen Aufgedrehtsein und Sekundenschlaf verfallen. Umgehungstaktiken und Vorsichtsmassnahmen stehen nicht mehr zur Debatte; man hat sich vielleicht nicht ans Sterben gewöhnt, aber nach all den Jahren zumindest daran angepasst und ist leichtsinniger geworden.
Aufsitzen in Richtung Feind als Grundaktion.
"Diese ganze Angelegenheit wird wie einer der amerikanischen Western - Filme ausgehen." sagte Jemand in Die Brücke von Arnheim, wo sich das schlussendlich als Widerspruch erwies. Dort eine Brücke zuviel, in diesem zwei Jahre später folgenden Nachzügler eine zu wenig; dafür kann man aber die Aussage als Zusammenfassung von Inszenierung und Atmosphäre ausgeben.
Anders als viele seiner Vorgänger [Mann, Ford, Walsh, Hathaway] oder Nachfolger [McLaglen, Peckinpah] kommt Guillermin zwar nicht vom Western, aber formiert vor allem im Aufbau genau dieses Gefühl; nicht nur durch Elmer Bernsteins an Die Glorreichen Sieben ermahnenden Score.
Bei Guillermin kristallisiert sich trotz einiger Symbole keine Metapher vom Irrsinn des Krieges, seiner Unmenschlichkeit und der allgegenwärtigen Bedrohung heraus. Sondern ein schiessfreudiges, schmutziges Abenteuer mit rauhbeinigen, unrasierten Charakteren, die das Gewehr immer im Anschlag haben und sich in ihrer fortschreitenden Verrohung weder von Frau noch Kind erweichen lassen. Dialoge finden zwar statt, aber keine Gespräche. Bindungen oder gar Freundschaften erst recht nicht; Kälte und Härte als Schutzmantel, um das Überleben zu sichern. Schablonen, die getreu ihrer Berufung aufs Funktionieren zurechtgestutzt und aufs Töten optimiert sind; wwobei wirklich kritische Akzente und Grauabstufungen ebenso wie Schönheit, Würde, Edelsinn oder Erhabenheit im Donnerhall untergehen.
Der combat dabei als dramaturgische Richtschnur. Als standardisiertes Normalmass für den [chrono]logischen Handlungsverlauf. Auf dem Weg von Bonn über Meckenheim nach Remagen bekommt es der alliierte Trupp mit mehreren Erstürmungen und immer ausschweifender Gefahren zu tun; von einer mit Panzerfäusten lauernden Einheit in einen Gutshaus am Wegesrand hin zu direkten Konfrontation auf dem Marktplatz, bei der alles an Häusern und Strassenschluchten in Umgebung dem Erdboden gleich gemacht wird. Aufgrund der Altersfreigabe und der Hollywood - Abgrenzung wird ein Spektakel in allen äusseren Einzelheiten und der Hervorhebung von Kampfkraft und Destruktionswut geliefert, statt sich auf Einzelschicksale und näher gehende Beobachtung oder gar dem Sterben als Notwendigkeit zu fixieren.
Gewalteskalation findet von den Maschinen und gegen Maschinen oder Gebäuden statt. Als Konfrontation zweier Industrienationen auf neuestem Stand, wobei alle technologisch verfügbare Reserven zum Flächenbombardement und der Rückumwandlung von Zivilisation in einen Steinbruch ausgereizt werden. Dies gilt sowohl in realiter, im Film als auch in der Produktion, die sich in den Fall wahrlich nicht mit Schauwerten von immens effektivem Bombenhagel und Stahlgewitter zurückhält.
Die Besetzung sorgt zumindest für einige personalisierte Auffälligkeiten ausserhalb von uniformer Masse und permanent heftiger Bild- und Tonerschütterung und vermeidet durch etwas mehr Ambivalenz auch eindeutige Schuldzuweisungen und rein patriotischen Stellungsnahmen. Dies liest sich zwar zuweilen als Makulatur und kann kein Eigenleben erreichen, aber wenigstens ein Überhandnehmen von Klischees wie auch zuviel Heroisierung, Pathos, Rührseligkeit und ideologische Einsinnigkeiten für einige Zeit aushebeln. Versucht sich immerhin am Gleichgewicht, auch wenn einige Episoden undeutlich schwammig, nutzlos oder stark widersprüchlich gestaltet sind und am Ende eben wieder der Western durchkommt: Lt. Hartman schreitet allein als identitätsstiftender frontier vor dem hinter ihm anrollenen Panzerkorps auf die Feinde zu; seine zwei chargierenden Kollegen [ Gazzara und Svenson ] folgen im Abstand.
Die Notwendigkeit einer modernen Armee wird noch mal bestätigt sowie in aller Deutlichkeit das deutsche Militär strikt vom verbrecherischen NS - System getrennt. "Böse Nazis", "Gute Deutsche" und "anständige Wehrmachtssoldaten" kommen natürlich abgespalten voneinander vor. Das Kapitel der Kollektivschuld galt bis zur Ausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung »Vernichtungskrieg – Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944« im März 1995 als Tabu.
Wirklich zu respektieren ist deswegen auch nur das formelle Handwerk, bei dem man auch so gut wie keine Abstriche machen kann. Auch wenn keine Erneuerungen erschaffen werden, sondern Mittel und Zweck ganz einfach für Action und Spannung optimiert sind.