Der Schupo ist der Freund des Publikums. So steht es in der Dienstvorschrift, aber dies ist auch das Motto des Oberwachtmeisters Schwenke. Streng, aber gütig, führt er seinen Beruf im Bezirk aus. Schwenke ist beliebt, bekannt, und ihm fliegen die Frauenherzen nur so zu. Doch für die liebreizenden Augen und die schmachtenden Blicke der Damen ist er eher unempfindlich, sein Beruf und das feierabendliche Saufen bei der feschen Fanny Mehlmann reichen ihm völlig aus. Bis er eines Tages das junge polnische Dienstmädchen Erna Zuwade kontrolliert – da ist es um ihn geschehen. Schwenke legt ihr sein Herz zu Füßen und ahnt nicht, dass Erna in eine Erpressung ihres Dienstherrn, des Bankier Wenkstern, verwickelt ist. Diese Erpressung läuft allerdings nicht so ganz wie geplant: Wenkstern erhängt sich, und Erna bekommt Gewissensbisse. Der Erpresser, der seine Felle davonschwimmen sieht, muss jetzt reinen Tisch machen, tötet Erna, und lässt ihre Leiche verschwinden. Schwenke ist am Boden zerstört. Ob ihm die Blumenverkäufern Maria, die er seit Filmbeginn so schmählich ignoriert, und die ach so verliebt ist in ihn, ob ausgerechnet Maria ihm helfen kann, diesen Kriminalfall zu lösen …
“Der Schupo ist der Freund des Publikums ..." Oder auch: “Keine Angst vor der Polizei!“ Es ist schon kurios, dass in einer Zeit, in der ein Verhör auch mal mit einem toten Delinquenten endete, so ein Hohelied auf die Polizei gesungen wird. Schwenke soll den Erpresser mit einem Stiefeltritt die Rippen gebrochen haben, woraufhin sich die Kollegen alle von ihm abwenden, und selbst sein bester Freund bekommt Zweifel an der Aufrichtigkeit und Integrität Schwenkes. Das zur gleichen Zeit in den Kellern der Gestapo auf Teufel komm raus geprügelt wurde, wird, aus verständlichen Gründen, völlig ignoriert. Fast könnte man meinen, einen Propagandafilm von Goebbels Gnaden zu sehen, aber tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Mit OBERWACHTMEISTER SCHWENKE hat sich der preußische Ministerpräsident Hermann Göring, der damit gleichzeitig oberster Polizeipräsident Berlins war, einen Wunsch erfüllt. Göring unterstützte die Produktion wo es nur ging, und auch seine damalige Freundin und spätere Frau Emmy Sonnemann hat darin eine größere Rolle als Bankiersgattin. Goebbels fand den Film eher mittelmäßig und bezeichnete ihn als „Polizeifilm mit Stuntman“. Propaganda ja, aber bitte nur die selber genehmigte, nicht die vom Rivalen.
Ist vor diesem Hintergrund die Handlung des Films vielleicht nicht ganz so ernst zu nehmen. Am Ende gar eine Farce? Nein, denn prinzipiell bietet SCHWENKE ordentlich gestrickte Polizeikost mit weitgehend ernstem Grundton. Zudem war der Film ausgesprochen erfolgreich, und 1935 in Venedig als IL POLIZIOTTO SCHWENKE im Rennen um den Mussolini-Pokal als bester ausländischer Film (gewonnen hat dann Clarence Browns ANNA KARENINA mit Greta Garbo). Diesen Erfolg hätte er wahrscheinlich nicht gehabt, wenn sich Publikum und Kritik verschaukelt vorgekommen wäre. Die zweite Hälfte, in welcher der eigentliche Kriminalfall Schwung bekommt, und mit der Verfolgung des Erpressers über die Hausdächer der Stadt sogar Actionszenen zu bieten hat, ist gar nicht schlecht gemacht und unterstreicht ebenfalls den Anspruch des Films. Zwar sind die Figuren alle nach Schema F angelegt, aber die Schauspieler, allen voran Gustav Fröhlich und Marianne Hoppe, holen aus den einfach gestrickten Charakteren das Beste heraus her und vermitteln viel Lebensnähe. Was OBERWACHTMEISTER SCHWENKE aber vor allem ausmacht und einiges an Flair gibt, gerade aus heutiger Sicht, sind die Straßenaufnahmen aus dem damaligen Berlin. Gedreht wurde im Herbst 1934 on Location, und wenn die Schupos auf der Jagd nach dem Erpresser durch die Straßen laufen, dann kommt viel Spannung und Dynamik auf. Stellenweise nähert sich das Kriminalvehikel dann mit schnellen Schritten sogar dem modernen Polizeithriller an, ja das Showdown auf dem Dach erinnert fast ein klein wenig an Henri Verneuils ANGST ÜBER DER STADT.
Schade ist in dem Zusammenhang vor allem, dass die erste Hälfte des Films ein klein wenig umständlich daherkommt. Für heutige Sehgewohnheiten ungewohnt, braucht die Handlung lange um in die Geschichte hineinzukommen, auch wenn die Einführung der Charaktere eigentlich recht flott geht. Leider, aber da kommen wir zu den sehr persönlichen Vorlieben des Rezensenten, hätte der Teil um den Erpresser (erstklassig schmierig und abgefeimt: Harald Paulsen) mehr Screentime vertragen, den hier kommt wirklich Atmosphäre und Stimmung auf, gerade im Gegensatz zum jovialen Schwenke, der familiär-freundlich durch die Straßen läuft und die Kinder ermahnt, bei dem starken Verkehr nicht einfach über den Fahrdamm zu laufen, oder bei einer Hausdurchsuchung mit den Kindern spielt („Die (Spielzeug-) Autos müssen da alle weg, die werden aufgeschrieben.“). Wie der Erpresser auf der anderen Seite seine eigentliche Forderung beim Bankier vorbringt ist erstklassig ruchlos, und wie er die arme Erna hinterhältig in den Tod führt, das ist dann vor allem cineastisch gut gelöst und sehr atmosphärisch. An diesen Stellen begeistert SCHWENKE dann schon sehr. Aber schließlich will der Film ja eigentlich kein Krimi sein sondern ein Polizeifilm, und natürlich stellt sich auch die Frage, inwieweit Hermann Göring als Finanzier des Films Einfluss genommen hat auf die Produktion, um eben einen zu düsteren Film zu verhindern. Es darf nicht übersehen werden, dass der Regisseur Carl Froelich 1933 in die NSDAP eintrat und die Leitung des Gesamtverbandes der Filmherstellung und Filmverwertung übernahm, somit also kein Mitläufer war sondern eher als aktiver Nationalsozialist bzw. Karrierist zu sehen ist. Ein sinisterer Unterweltstreifen im Stil eines M – EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER oder eines DR. MABUSE, beide zu dieser Zeit bereits längst verboten, war da sicher nicht erwünscht …
Aber spätestens wenn dann am Ende noch das Genre des Gerichtsdramas überzeugend und spannend gestreift wird, spätestens dann sind die Irrungen und Wirrungen der ersten Filmhälfte schnell vergessen. Was trotz der schweren Schlagseite in Richtung Propaganda hängen bleibt sind die starken Straßenszenen Berlins, die echte und hemdsärmelige Atmosphäre in der Kneipe von Fanny Mehlmann, und die teilweise lebensechten Charaktere sowie ein relativ realistischer Einblick in eine Zeit, in welcher der Schutzpolizist noch der Freund des Publikums sein wollte …