Ich mache mich jetzt bestimmt bei „film noir“-Freunden enorm unbeliebt, aber gerade innovativen Qualitäten der Inszenierung von Jacques Becker, seine kriminellen Protagonisten als konventionelle Geschäftsleute auf der falschen bzw. nächtlichen Seite des Gesetzes zu zeigen, die mit Stil und Würde ihren Geschäften nachgehen, haben mich nicht vollständig durch „Wenn es Nacht wird in Paris“ getragen.
Die wunderbare, schattenhafte und dennoch durch und durch europäische Schwarz-Weiß-Fotografie ist dagegen wirklich ein Traum, doch dagegen muss der moderne Zuschauer wirklich den Film durch den historischen Kontext filtern, denn wer auch immer amerikanische Vorbilder gewöhnt ist, der bleibt zunächst irritiert zurück.
Der Film beginnt schon mit einem gepflegten Abendausflug mit Damen in Lokal und Nachtclub, aber Becker hält lange zurück, dass wir es mit stadtbekannten Kriminellen, praktisch mit angesehenen Königen der Unterwelt zu tun haben und nicht mit Künstlern oder Geschäftsleuten, die sich für den Abend schick gemacht haben.
Dass die Herren einen Goldraub durchgezogen haben, erfahren wir nur aus einer schmalen Zeitungsmeldung, viel mehr wird lange über den Umgang mit Damen im Privatleben diskutiert, dann werden Jobempfehlungen ausgesprochen und sehr, sehr viele Zigaretten geraucht. Irgendwann, fast unbemerkt, kippt der Film dann plötzlich – begehrt die jüngere Generation von Gangstern (hier dargestellt von einem noch erntefrischen, aber schon markanten Lino Ventura) gegen die „Alten“ auf und zieht einen Entführungs- und Erpressungsplot hoch, der schließlich in einem kleinen Massaker kulminiert.
Aber auch dabei unterläuft Becker die Erwartungen, zeigt die „Herren“, bereits auf der Flucht und in einer „Safe House“-Wohnung angekommen, ausgesprochen ausführlich dabei, wie sie es sich bequem machen, Terrine mit Zwieback essen, sich zur Nacht frisch machen, Zähne putzen, Bettzeug holen und sich schließlich zur Nacht begeben. Das ist im historischen Rahmen vemutlich revolutionär, aber irgendwann hätte man dann doch gern vielleicht noch ein bisschen Plot – denn wie sich später zeigt, erweisen sich die Herren Kriminellen nicht immer als die Allerschlauesten, vor allem was die Damenwahl angeht.
Für Gabin war der Film ein erneuter Kickstart für seine nach dem Krieg doch etwas brach liegende künstlerische Karriere und ein wichtiger Schritt in Richtung der eisgrauen Eminenz der letzten Jahre, es mangelt jedoch an jedweder Form von zwingender Bedrohlichkeit, die rechtfertigen würde, warum die Leute alle vor diesem verkehrsberuhigt wirkenden Herrn kuschen. Wenn am Ende Granaten geworfen und Maschinenpistolen geleert werden, dann ist das fast wie ein Stilbruch, der nicht zum Restfilm passen will – aber ich denke, genau diese Diskrepanz hat den Film zu einem französischen Klassiker geformt. Auch das später traditionelle „Am Ende verlieren alle“ ist hier schon vertreten.
Mir persönlich hat Beckers „Das Loch“ wesentlich besser gefallen, obwohl auch die Form manchmal den Inhalt schlägt, da aber, in meiner Sicht, zugunsten der Wirkung, während ich mich hier an alle Elemente gut erinnern kann, aber kein homogenes Ganzes dabei heraus kommt. Ansonsten ein Film ohne Fehl und Tadel auf der visuellen oder technischen Seite, der allerdings verdeutlicht, dass Beckers früher Tod 1960 Filmfans sicherlich noch einige bedeutsame Werke gekostet hat. (6,5/10)