Review

So knappe 27 Jahre später lässt sich bei 'ner erneuten Sichtung (auch gerade im Hinblick auf die, ähem, zwischenzeitlichen Ereignisse) re-evaluieren, ob der Streifen tatsächlich was kann, oder ob wir damals Mel Gibson doch nur alle auf den Leim gegangen sind, denn wir erinnern uns, Mitte der 90er war "Braveheart" ja ein mächtig dickes Ding. Rückblickend ist die Chose wohl besser gealtert, als so manch andere um den Dreh rum, vermutlich auch, weil Gibson hier auf echtes Handwerk setzt und die schlappen 90er-Jahre-CGI in der Kiste bleiben. Gut ausgesuchte Drehorte und irre Landschafts-Panoramen bestimmen da das Bild, die ehemals als wuchtig empfundenen Schlachten haben über die Dekaden allerdings an "Größe" eingebüßt und wirken in Post-"Herr der Ringe"-Zeiten mehr so, als wären einfach ein Haufen Statisten über irgendeine Wiese gescheucht worden. Wenn man sich drauf versteift, kann man sich über die hier stattfindende Geschichts-Verfälschung so richtig ärgern, ich denke, abseits von den Namen der handelnden Personen ist hier historisch nichts gedeckt, aber hey, never let the truth get in the way of a good story. Mein Highlight in der Beziehung ist ja, wie Gibson quasi im Vorbeigehen die Marceau klar macht und postuliert, dass auf die Art ein bisschen Wallace-DNA in die Blutlinie des englischen Königshauses eingebracht wurde... womit er die Engländer dann im übertragenen wie auch wörtlichen Sinn gefickt hätte. Die doppelte Belastung vor und hinter der Kamera händelt Gibson einigermaßen souverän, soll er seinen Regie-Oscar halt haben, ich hätte mir in der Hauptrolle doch jemand anderen gewünscht, damit der Streifen nicht permanent Gefahr läuft, zur reinen Personality-Show seines Machers zu verkommen, zumal ich auch echt Probleme damit habe, in Gibsons William Wallace was anderes als 'nen Mittelalter-Martin Riggs mit schottischem Akzent zu sehen. Die wahren schauspielerischen Höhepunkte setzt eh Patrick McGoohan, der hier den größten Drecksack zum Besten gibt, den man sich vorstellen kann, und jede einzelne Szene in der er auftaucht an sich reißt. Spätestens wenn man am Schluss angekommen ist, ahnt man allerdings schon, warum Gibson das alles dann doch selbst machen musste, gerade wen man da dann "Die Passion Christi" oder "Hacksaw Ridge" zum Vergleich nebenan stellt (bei erstgenanntem handelt es sich im Grunde genommen um nichts anderes als die letzten paar Minuten von "Braveheart", die schlicht auf abendfüllende Länge ausgedehnt wurden)... den einen oder anderen persönlichen Dämon galt es da wohl zu exorzieren, newa. Ansonsten ist hier halt bereits Gibsons inszenatorisches Geschick auffällig, wenn es darum geht, ziemlich krasse Brutalitäten auf eine Art und Weise zu präsentieren, dass auch der durchschnittliche Kinogänger diese im Rahmen eines reinen Unterhaltungsfilms anstandslos akzeptiert (die splatterigen Details in den Schlacht-Szenen sind nicht ohne, aber flott montiert). Ob das dünne Geschichtchen wirklich fast drei Stunden lang gehen musste, sei mal dahingestellt, zumindest zieht sich der Streifen nicht, auch wenn einem das Ganze heutzutage doch weniger epochal erscheint als anno dazumal und man die Grenze zum Kitsch mehr als einmal zumindest sanft touchiert. Trotzdem, es gab schon unwürdigere Best-Picture-Oscar-Gewinner... Mel Gibsons bester Film als Regisseur bleibt dennoch "Der Mann ohne Gesicht"...

7/10

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